OGH 5Ob554/59

OGH5Ob554/5925.11.1959

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Bernard als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kisser, Dr. Lachout, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bischöfliches Priesterseminar *****, vertreten durch Regens Msgr. Josef S***** als gesetzlichen Vertreter, dieser vertreten durch Dr. Helmut S*****, bischöflicher Rechtskonsulat in *****, dieser vertreten durch Dr. Hannes Stampfer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Paul O*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Thomich, Rechtsanwalt in Graz, wegen Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 7. September 1959, GZ 2 R 614/59-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25. Mai 1959, GZ 6 C 95/59-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit 398,38 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 1. 1. 1947 vermietete die klagende Partei dem Beklagten mehrere Kellerräume im Hause B*****gasse ***** in ***** gegen einen monatlichen Bestandzins von 50 S. Das Mietverhältnis wurde auf ein Jahr geschlossen und sollte sich jeweils auf ein weiteres Jahr verlängern, falls es nicht von einer der Parteien vierteljährlich im Vorhinein gekündigt wurde. Eine solche Kündigung ist nicht erfolgt. Der Mietzins wurde bis einschließlich Mai 1959 vom Beklagten bezahlt und von der klagenden Partei angenommen.

Das Erstgericht wies die am 25. 4. 1959 eingebrachte Räumungsklage, in der Ungültigkeit des Mietvertrags geltend gemacht wurde, aus folgenden Gründen ab:

Falls das im Jahre 1934 zwischen Österreich und dem apostolischen Stuhl geschlossene Konkordat nicht mehr gelte, welche Frage bestritten sei, dann sei zweifellos nach bürgerlichem Recht ein gültiger Mietvertrag zustande gekommen. Stehe das Konkordat aber noch in Kraft, dann seien gemäß seinem Art XIII die Canones 1530 ff des CIC anzuwenden. Nach diesen bedürfe ein Mietvertrag bei sonstiger Ungültigkeit nur dann der Genehmigung des Ortsordinarius, wenn er auf längere Zeit als neun Jahre abgeschlossen werde oder wenn sein Wert einen bestimmten Betrag übersteige. Der vorliegende Vertrag sei nur auf ein Jahr abgeschlossen worden, woran die Vereinbarung nichts ändere, dass er sich jeweils um ein Jahr verlängere, falls er nicht vierteljährlich im Vorhinein gekündigt werde. Dass es den vorgesehenen Wert übersteige, sei nicht behauptet worden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 10.000 S übersteigt.

Die klagende Partei bekämpft diese Entscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, sie dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unbegründet.

In der Entscheidung vom 19. 9. 1956, ÖRZ 1957 S 28, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass unabhängig von der Frage, ob infolge der staatsrechtlichen Umwälzungen seit 1934 das Konkordat noch völkerrechtlich verbindlich sei, seine innerstaatliche Wirksamkeit als österreichische Rechtsnorm jedenfalls hinsichtlich jener Bestimmungen anerkannt werden müsse, die nicht durch eine seit 1934 erlassene Rechtsnorm aufgehoben oder abgeändert wurden. Dies sei hinsichtlich der Bestimmungen über die Verwaltung und Vertretung des Kirchenvermögens nach Art XIII § 2 des Konkordates nicht geschehen, sodass diese als österreichische Rechtsnormen anzuwenden seien. Das Vermögen der kirchlichen Subjekte werde daher durch die nach kanonischem Recht berufenen Organe verwaltet und vertreten.

Selbst wenn man sich dieser Ansicht nicht anschließen wollte, ergibt sich die Anwendung des kanonischen Rechts unabhängig vom Konkordat schon aus § 867 ABGB. Zu den dort genannten, unter der besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinden sind auch die anerkannten Religionsgemeinschaften zu zählen. Was zur Gültigkeit eines Vertrags mit ihnen erforderlich ist, muss demnach ihrer Verfassung, im konkreten Falle also dem kanonischen Recht entnommen werden (GlU 3748 und 10471).

Zutreffend haben die Untergerichte dargelegt, dass auch nach kanonischem Recht zwischen den Parteien ein gültiger Mietvertrag zustandegekommen und das Räumungsbegehren daher nicht begründet ist.

Die Berechtigung zum Abschluss von Miet- und Pachtverträgen ist in den canones 1541 und 1542 CIC geregelt. Sie ist bei einer Vertragsdauer von über neun Jahren und einem Miet- oder Pachtwert von über 10.000 Goldliren oder Goldfranken dem Heiligen Stuhl, ansonsten dem Ortsoberhirten vorbehalten.

Für Miet- oder Pachtverträge, die eine geringere Laufzeit als neun Jahre haben und deren Wert unter der genannten Wertgrenze liegt, genügt es, dass die Vermögensverwalter den Oberhirten vor dem Vertragsabschluss in Kenntnis setzen. Darin kann keine Voraussetzung zum rechtswirksamen Handeln gesehen werden (Eichmann-Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechtes, 8. Auflage, S 502).

Dass der Wert des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrags 1.000 Goldlire oder mehr betrage, wurde nicht behauptet. Der Mietvertrag wurde ursprünglich auf ein Jahr geschlossen. Dass er stillschweigend verlängert wurde und nun schon mehr als elf Jahre währt, muss bei der Prüfung seiner Gültigkeit außer Betracht bleiben. Zum Abschluss des Mietvertrags auf ein Jahr war der seinerzeitige Subregens der klagenden Partei berechtigt.

Es ist allerdings richtig, dass diese Vereinbarung der einjährigen Vertragsdauer zufolge § 23 MietG wirkungslos ist, da hienach Verträge, deren ursprüngliche oder verlängerte vertragsmäßige Dauer ein halbes Jahr übersteigt, als auf unbestimmte Zeit verlängert gelten. Die klagende Partei hätte daher auch nach Ablauf der einjährigen Vertragsdauer das Mietverhältnis nur gemäß § 19 MietG aus wichtigen Gründen aufkündigen können (Swoboda, Kommentar zum MietG 2. Auflage S 275). Immerhin war aber damals und auch in der Folge eine wenn auch erschwerte Möglichkeit der Lösung des Mietverhältnisses gegeben. Gewiss steht es nicht im Belieben der klagenden Partei, das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen zu beenden. Es kann aber keinesfalls gesagt werden, dass die Laufzeit des Vertrags von vornherein mehr als neun Jahre betragen habe und dass daher der Vermögensverwalter nicht abschlussberechtigt gewesen sei.

Die für Miet- und Pachtverträge geltenden Bestimmungen der cc 1541 und 1542 CIC stellen gegenüber den allgemeinen Veräußerungs- und Belastungsverboten der cc 1530 ff die speziellere Norm dar. Dies bedeutet aber nicht, dass sie, wie etwa eine Ausnahmsbestimmung, einschränkend auszulegen und nur auf Mietverträge anzuwenden sind, die innerhalb der neunjährigen Dauer vom Vermieter frei lösbar sind oder durch Zeitablauf enden.

In den cc 1530 ff CIC sind die Voraussetzungen und Förmlichkeiten festgelegt, die zur Eigentumsübertragung an unbeweglichen und an aufbewahrungsfähigen beweglichen Sachen einzuhalten sind.

Ihre Auslegung kann auf sich beruhen, da für Mietverträge eben die Sondervorschriften der cc 1541 und 1542 gelten. Zwar sind bei Zusammentreffen eines allgemeineren Gesetzessatzes mit einem spezielleren, soferne ihre Rechtsfolgen vereinbar sind, beide anzuwenden, das gilt jedoch dann nicht, wenn besondere Umstände für das Gegenteil sprechen (Wolff in Klangs Komm Bd I S 97). Dies muss hier angenommen werden, da anderenfalls der spezielleren Norm jeder Inhalt genommen würde. Es könnte nämlich sonst jeder Miet- und Pachtvertrag, welcher nach den Sonderbestimmungen der cc 1541 und 1542 gültig wäre, nach den cc 1530 ff für nichtig erklärt werden.

Da also ein gültiger Mietvertrag vorliegt war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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