OGH 2Ob417/59

OGH2Ob417/594.11.1959

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl L*****, vertreten durch Dr. Alfred Stiasny, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Elfriede K*****, 2.) Franz K*****, vertreten durch Dr. Winfried Obitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 4. Juni 1959, GZ 41 R 382/59-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. März 1959, GZ 42 C 390/58-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 388,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat im März 1958 seine aus Zimmer und Vorzimmer bestehende Wohnung bis zum 31. 10. 1958 seinem Bruder Alexander L***** in Untermiete überlassen, der ihm dafür 2.000 S bezahlte und sich zur Zahlung des laufenden Hauptmietzinses verpflichtete. Da für Alexander L***** bereits nach zwei Monaten der Grund, aus dem er in die Wohnung des Klägers gezogen war, wegfiel, gestattete er seiner Tochter und ihrem Mann, den beiden Beklagten, die Wohnung zu beziehen. Diese bezahlten ihm 1.500 S und übernahmen auch die Verpflichtung zur Zahlung des Hauptmietzinses.

Das Erstgericht hat die Räumungsklage abgewiesen. Die Benützung der Wohnung durch die Beklagten beruhte auf der Erlaubnis des Alexander L*****, der mangels einer vor Ablauf der Mietzeit erfolgten Kündigung gemäß § 23 MietG auch weiterhin Untermieter der Wohnung sei. Die Benützung der Wohnung durch die Beklagten beruhe auf einem rechtsgültigen Titel.

Der Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht keine Folge gegeben. Es hat ausgesprochen, dass der Wert des Streitgegenstandes 10.000 S übersteige. Alexander L***** habe als Untermieter über den Bestandgegenstand verfügt, indem er den Beklagten das Beziehen der Wohnung gestattet habe. Der Hauptmieter sei zur Räumungsklage gegen ohne seine Zustimmung vom Untermieter aufgenommene Personen nur im Falle eines besonderen Naheverhältnisses (Wohnungsgemeinschaft) berechtigt. Ein solches Naheverhältnis liege nicht vor und der Klage stehe der von Alexander L***** abgeleitete Titel der Beklagten entgegen.

Der Kläger ficht das Urteil des Berufungsgerichtes seinem ganzen Inhalte nach mit Revision wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung an und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsstattgebung abzuändern.

Die Beklagten beantragen, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Als aktenwidrig wird das Unterbleiben von dem Revisionswerber wesentlich erscheinenden Feststellungen aus den Aussagen des Zeugen Alexander L***** und der Erstbeklagten als Partei gerügt. Da aber Aktenwidrigkeit nur vorliegt, wenn ein Akteninhalt unrichtig wiedergegeben und diese Unrichtigkeit zur Feststellung erhoben oder zur Grundlage einer Feststellung gemacht wird, ist durch das Vorbringen des Revisionswerbers der angerufene Revisionsgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Diesem Vorbringen kommt aber auch unter dem Gesichtspunkt eines richtigerweise mit der Rechtsrüge geltend zu machenden Feststellungsmangels keine Berechtigung zu. Denn auch wenn festgestellt worden wäre, dass Alexander L***** der Erstbeklagten erklärt habe, sie solle sich mit dem Kläger die Sache ausmachen, und dass die Erstbeklagte von einem Untermietverhältnis sprach, das Alexander L***** mit dem Kläger hatte, hätten diese Feststellungen nicht die vom Revisionswerber offenbar damit angestrebte Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass das Untermietverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Bruder, sei es ausdrücklich, sei es konkludent (§ 863 ABGB), aufgelöst worden sei, als dieser den Beklagten die Wohnung überließ.

Die Revisionsausführungen zur Rechtsrüge lassen sich dahin zusammenfassen, dass nach Ansicht des Revisionswerbers den vom Berufungsgericht angezogenen oberstgerichtlichen Entscheidungen ein anderer Sachverhalt, als er vorliegend zu beurteilen ist, zugrunde lag. Die vom Revisionswerber aufgezeigten Unterschiede sind jedoch nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Es ist nicht einzusehen, warum angesichts des nach überwiegender Lehre und Rechtsprechung relativ dinglichen Charakters des Mietrechtes dem Kläger, der die von ihm gemietete Wohnung zur Gänze an seinen Bruder weitervermietet hat, eine andere rechtliche Stellung gegenüber den von diesem in die Wohnung aufgenommenen Personen zukommen soll wie einem Hauseigentümer gegen Dritte, denen der Hauptmieter die Benützung des Bestandobjektes gestattet hat. Zwar hat sich nach den Feststellungen des Erstgerichtes der Kläger seinem Bruder gegenüber das Recht vorbehalten, fallweise in der Wohnung zu schlafen, es ist aber nicht einmal behauptet, geschweige denn erwiesen worden, dass der Kläger von diesem Vorbehalt jemals Gebrauch gemacht, dass also eine Wohnungsgemeinschaft der beiden Brüder auch nur vorübergehend bestanden hätte. Da auch dem Umstande, ob es sich um eine Wohnung oder eine anderes Bestandobjekt handelt, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden kann, hat es auch im vorliegenden Falle bei der Regel zu bleiben, dass der Bestandgeber einen unmittelbaren Anspruch auf Entfernung der vom Bestandnehmer in den Bestandgegenstand aufgenommenen Personen nur gegenüber dem Bestandnehmer erheben kann, und zwar auch, wenn - wie vorliegend - die Aufnahme dieser Personen ohne seine Genehmigung erfolgt ist. Geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, dann leiten die Beklagten das Bewohnen des strittigen Bestandgegenstandes von dem Recht des Alexander L***** ab. Sie können daher die Räumungsklage des Klägers unter Berufung auf die Rechte des Alexander L***** abwehren, und zwar so lange als diese Rechte ihrem Auktor nicht rechtskräftig aberkannt worden sind (SZ XXII 207).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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