OGH 2Ob14/59

OGH2Ob14/5918.3.1959

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Novak und Dr. Köhler sowie den Rat des Oberlandesgerichtes Dr. Pichler als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bibiana F*****, vertreten durch Dr. Egon Uhl, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien Alois und Elfriede L*****, vertreten durch Dr. Erich Wöhrle, Rechtsanwalt in Linz, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. Oktober 1958, GZ 5 R 957/58-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 10. Juli 1958, GZ 1 C 748/58-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 367,54 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf Räumung der von den Beklagten in der klägerischen Wohnung bewohnten Räumlichkeiten gerichtete Klagebegehren ab. Es nahm als erwiesen an, dass im Jahre 1954 die Zweitbeklagte (Tochter der Klägerin) im Einverständnis mit der Klägerin mit aus deren Ersparnissen stammenden Mitteln die klagegegenständliche Wohnung beschafft habe. Mündlich sei vereinbart worden, dass die Streitteile in der Wohnung zusammen wohnen und dass die Beklagten die Klägerin, die nur eine kleine Pension bezieht, erhalten, beides ohne Beschränkung auf eine bestimmte Zeitdauer. Der Mietvertrag sei auf den Namen der Beklagten geschlossen und die Benützung der Räume einvernehmlich geregelt worden. Bis 31. 1. 1957 hätten die Beklagten allein den Hauptmietzins bezahlt, offenbar im Sinne der mündlichen Vereinbarung, für die Klägerin zu sorgen. Das Wohnverhältnis beruhe auf vertraglicher Verpflichtung und nicht auf einem familienrechtlichen Verhältnis. Die Beklagten hätten im Hinblick auf die Mietzinszahlung ihr Wohnrecht nicht unentgeltlich ausgeübt. Die festgestellte Vereinbarung rechtfertige nicht die Annahme, dass ein Prekarium begründet werden sollte. Die Beklagten benützten daher die Räume entgegen der Klagsbehauptung nicht ohne gültigen Rechtstitel, sondern auf Grund der seinerzeit übernommenen vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab. Es kam auf Grund der übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen zu dem Ergebnis, dass ein ausgesprochenes Mietverhältnis mit Mietzinsauszahlungszwang nicht begründet worden sei. Den Hauptmietzins hätten die Beklagten im Glauben und in der Absicht, Hauptmieter der Wohnung zu sein, bezahlt. Die Klägerin habe nach urteilsmäßiger Feststellung, dass die Hauptmietrechte ihr zustehen, die Annahme von Gegenleistungen von den Beklagten verweigert und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt sei, ein Untermieterverhältnis mit den Beklagten zu begründen. Die vom Erstgericht festgestellte Vereinbarung, dass die Klägerin die Beklagten in die Wohnung aufnimmt und diese sie erhalten sollen, bedeute weder den Abschluss eines Unterbestandvertrages noch eines anderen Dauerschuldverhältnisses. Die rein familienrechtliche Bindung habe die Klägerin jederzeit auflösen können. Dieses Urteil fechten die Beklagten mit der auf den Revisionsgrund der Z 4, des § 503 ZPO gestützten Revision an. Sie beantragen die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils oder die Aufhebung des Urteils und Rückverweisung der Sache an das Berufungs- oder an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung.

Die Klägerin beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Bei ihrem Versuche das Zustandekommen eines Bestand-, nach der gegebenen Sachlage eines Untermietvertrages zwischen den Streitteilen darzutun, geht sie allerdings von der durch die Feststellungen der Untergerichte nicht gedeckten Behauptung aus, es sei von vorneherein vereinbart worden, dass die Beklagten als Gegenleistung für die Überlassung eines Teiles der Wohnung den gesamten Hauptmietzins bezahlen. Es können jedoch die diesbezüglichen Ausführungen der Revisionswerber aus folgenden Erwägungen außer Betracht bleiben. Dieser Feststellung kommt umso größeres Gewicht zu, als die dem Prozessstandpunkt der Klägerin im Vorprozess 1 Cg 737/56 des Landesgerichtes Linz und ihrer Aussage als Partei in dem genannten Verfahren entspricht, jedoch in diametralen Gegensatz zum Vorbringen in der Räumungsklage steht, wonach die Beklagten die Wohnung ohne jedem Rechtstitel bewohnen.

Auszugehen ist von der Feststellung der Untergerichte, wonach die Streitteile vereinbart haben, dass die Wohnung gemeinsam benützt werden soll, beziehungsweise, dass die Beklagten von der Klägerin in die Wohnung aufgenommen werden und die Klägerin erhalten sollen. Zutreffend hat das Erstgericht darauf hingewiesen, dass es nicht angeht, die Bekämpfungen der Klägerin im Vorprozess, denen zufolge eine Vereinbarung zwischen den Streitteilen zustande kam, wonach beide Teile ganz bestimmte Rechte und Pflichten übernahmen (Aufnahme in die Wohnung einerseits - Erhaltung anderseits), außer Acht zu lassen Der Obersten Gerichtshof billigt auch die Ansicht des Erstgerichtes, dass der Inhalt dieser Vereinbarung die Annahme, sie sei jederzeit widerruflich, ebensowenig rechtfertigt, wie die Umstände, unter denen es zu dem Erwerb der Wohnung kam. Jederzeitige Widerruflichkeit und der Mangel jeglicher Bindung für die Zukunft machen aber das Wesen der Bittleihe aus (MietSlg 4362). Die Frage, ob auch Unentgeltlichkeit für das Prekarium essentiell ist, wird allerdings in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet (bejahend zum Beispiel MietSlg 42, 4334, 5538; gegenteilig zum Beispiel MietSlg 4362). Das Revisionsgericht folgt jedoch in diesem Belange der auch von der Lehre vertretenen ersterwähnten Ansicht, wonach es sich beim Prekarium um eine Abart des Leihvertrages handelt, der seinerseits wesentlich unentgeltlich ist (Ehrenzweig2, II/1, S 396, Swoboda bei Klang1, II/2, S 701, Swoboda, MietG2, S 29). Dass die vereinbarte Gegenleistung (Unterhalt) etwa von den Beklagten nicht erbracht worden sei, hat die Klägerin gar nicht behauptet, ebensowenig das Bestehen eines groben Missverhältnisses zwischen der Gegenleistung und dem Wert der Mitbenützung, das für die Annahme eines Prekariums sprechen könnte (MietSlg 5538).

Die festgestellte Vereinbarung und die Umstände ihres Zustandekommens lassen auch die Annahme eines familienrechtlichen Verhältnisses prekaristischer Natur nicht gerechtfertigt erscheinen. In Bezug auf den Erstbeklagten ist dies auch deshalb auszuschließen, weil familienrechtliche Wohnverhältnisse nur zwischen Angehörigen der Familie im engeren Sinn, das heißt zwischen Ehegatten und deren Kindern, begründet werden können (MietSlg 42).

Welchen Vertragstypus die festgestellte Vereinbarung, durch die ein Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit mit wechselseitiger Bindung zwischen den Streitteilen begründet wurde, zu unterstellen ist, ist im vorliegenden Falle ohne Belang. Die Klägerin hat ihre Räumungsklage ausschließlich auf die Behauptung gestützt, dass sie Hauptmieterin der Wohnung sei und dass die Beklagten mangels Zustandekommens eines Untermietvertrages diese Wohnung ohne jeden Rechtstitel benützen. In Wahrheit erfolgte jedoch die Benützung auf vertraglicher Grundlage, somit nicht ohne Rechtstitel, weshalb die Räumungsklage abzuweisen war (vgl MietSlg 4951).

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte