Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 735,07 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 10.500 S Schadenersatzes, weil sie vom Beklagten bei Abschluss eines Pachtvertrages irregeführt und dadurch um den Anspruch auf eine ordentliche Altersunterstützung gegen die Kammer der gewerblichen Wirtschaft gekommen sei.
Der wesentliche Einwand des Beklagten gegen den Klagsanspruch besteht im Hinweis auf den im Rechtsstreite 2 Cg 1386/52 des Landesgerichtes Salzburg abgeschlossenen Vergleich, wobei sämtliche gegenseitigen Ansprüche, somit auch der mit der vorliegenden Klage erhobene, erledigt sein sollten.
Beide Unterinstanzen haben das Klagebegehren auf Grund folgenden Sachverhaltes abgewiesen: Aus dem Akt 6 C 1035/52 des Bezirksgerichtes Salzburg ergibt sich, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem Gatten Ignaz G***** mit Versäumungsurteil vom 8. 10. 1952 schuldig erkannt wurde, binnen 14 Tagen bei Exekution die im Gasthaus "Z*****" *****, von ihnen benützten Räume zu räumen. Als Grund für das Räumungsbegehren war Nichtzahlung des Pachtschillings seit 1. 10. 1951 behauptet worden. Schon in dieser Klage weist der Kläger (jetzige Beklagte) den von den Ehegatten G***** eingenommenen Standpunkt, dass sie ihren Verpflichtungen wegen Rechtsunwirksamkeit des Pachtvertrages infolge Fehlens einer Konzession nicht nachzukommen gewillt seien, als unbegründet zurück. Wenn auch die Konzession nicht auf seinen, sondern auf den Namen seines Bruders Josef V***** ausgestellt worden sei, so hätten die Ehegatten G***** dessenungeachtet die rechtliche Grundlage zur Führung des Gasthauses gehabt, weil es ihnen gleichgültig sein konnte, ob sie Pächter der Konzession des Josef oder Anton V***** seien. - Aus dem Akt 2 Cg 1386/52 des Landesgerichtes Salzburg geht hervor, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem Gatten gegen den Beklagten am 18. 10. 1952 eine Klage auf Leistung eines Schadenersatzbetrages von 60.808,50 S, gestützt auf die Behauptung einbrachten, vom Beklagten dadurch in Irrtum geführt worden zu sein, dass er die Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit eines Pachtvertrages nicht geschaffen habe. Die Klägerin habe auf ihre Anfrage bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft in Salzburg, warum sie und ihr Mann keine gewerbebehördliche Pächtergenehmigung erhalten hätten, erfahren, dass der Beklagte keine Konzession besitze und auch nicht erhalten könne; der Bestandvertrag sei daher noch gar nicht wirksam geworden, als der Beklagte den Pachtschilling eingefordert habe. In der Klage 2 Cg 1386/52 hätten sie daher die Vergütung für alle im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag vorgenommenen Aufwendungen und ausserdem einen Schadensbetrag von 30.000 S begehrt, weil sie durch den Abschluss des Pachtvertrages auf 5 Jahre ihre Existenz gesichert glaubten und nunmehr mindestens ein Jahr bis zur Erlangung eines anderen Pachtgeschäftes mit erträglichen Bedingungen vergehen werde. Der bezügliche Rechtsstreit ist am 25. 5. 1954 vor dem Landesgericht Salzburg durch Vergleich beendet worden, in dem sich die beiden Eheleute G***** verpflichteten, von ihnen noch benützte Wohnräume bis 25. 8. 1954 zu räumen und das gesamte Inventar zu übergeben, während der Beklagte die Verpflichtung übernahm, den Klägern bei Einhaltung gewisser Bedingungen u. a. einen Betrag von 12.000 S zu bezahlen. Der Vergleich enthält überdies die Klausel, dass mit ihm sämtliche gegenseitigen Ansprüche verglichen und befriedigt sind. Darüber hinaus erklärte der damalige Vertreter der Kläger, Rechtsanwalt Dr. Viktor W*****, in einem Schreiben an den Gegenvertreter vom 1. 9. 1954, dass durch den erwähnten gerichtlichen Vergleich alle gegenseitigen, über die Vergleichsleistung hinaus etwa bestehenden Ansprüche ausgeglichen wurden. - Aus der beglaubigten Abschrift der Konzessionsurkunde vom 6. 3. 1952 ergibt sich, dass die Konzession zum Betriebe des Gasthauses *****, dem Josef V***** erteilt wurde. -
Aus dem Bescheid der Kammer der gewerblichen Wirtschaft in Salzburg vom 5. 12. 1955 geht hervor, dass der Klägerin auf ihr Ansuchen vom 10. 6. 1954 um Gewährung einer Altersunterstützung gemäss § 7 Handelskammer-Altersunterstützungsgesetz mit Wirksamkeit vom 1. 12. 1955 gegen jederzeitigen Widerruf eine laufende ausserordentliche Altersunterstützung in der Höhe von 150 S monatlich zuerkannt wurde, nachdem ihr mit Schreiben vom 1. 7. 1954 schon mitgeteilt worden war, dass ihr eine ordentliche Altersunterstützung auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen nicht zuerkannt werden könne. Das Erstgericht folgerte aus seinen Feststellungen, dass die Klägerin schon im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches habe wissen müssen, dass bei ihr die in § 5 Abs 1 lit a Z 3 des Handelskammer-Altersunterstützungsgesetzes, BGBl Nr. 115/53, bestimmten Voraussetzungen für die Gewährung einer ordentlichen Altersunterstützung, nämlich eine mindestens 15 jährige Kammermitgliedschaft innerhalb der letzten 25 Jahre fehlen werden. Unkenntnis der erwähnten gesetzlichen Bestimmungen können sie ebensowenig schützen wie die Möglichkeit, dass sie bei Abschluss des Vergleiches etwa nicht bedacht haben sollte, keinen Anspruch nach dem Handelskammer-Altersunterstützungsgesetz erworben zu haben, wenn sie nicht eine Mitgliedschaft von 15 Jahren nachweisen könne. Der Vergleich umfasse auch jene Ansprüche, die die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend mache; dabei spiele es keine Rolle, dass die Klägerin erst nach Abschluss des Vergleiches mit Bescheid vom 5. 12. 1955 von der Ablehnung ihres Ansuchens um Gewährung der ordentlichen Altersunterstützung erfahren habe, da zur Zeit des Vergleichsabschlusses das Handelskammer-Unterstützungsgesetz längst bekanntgemacht gewesen sei.
Das Berufungsgericht schliesst sich in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung dem erstgerichtlichen Urteil an. Es hebt insbesondere hervor, dass kein Anhaltspunkt für die Annahme vorhanden sei, der Beklagte habe alle seine Ansprüche aus den behandelten Rechtsgründen erledigt wissen wollen, die Klägerin sich aber noch verschiedene Ansprüche für eine spätere Geltendmachung vorbehalten. Eine derartig ungleiche Regelung wäre wohl nie getroffen worden, ohne dass dies ausdrücklich bemerkt worden wäre. Dieser schon aus dem Vergleichstext hervorgehende Sinn werde noch durch den Brief des damaligen Klagevertreters Dr. W*****, Beil./3, restlos klargestellt, wenn darin im P 1 ausgeführt werde, dass durch den gerichtlichen Vergleich alle gegenseitigen, über die Vergleichsleistung hinaus etwa bestehenden Ansprüche ausgeglichen worden seien. Die Klägerin habe mangels Übertragung einer gewerblichen Berechtigung zur Führung des gepachteten Gasthauses auch nicht im Zweifel sein können, dass ihr diese Zeit für die Altersunterstützung nicht eingerechnet werden könne. Aber selbst wenn sie keine Klarheit darüber gehabt habe, so hätte doch die Möglichkeit der Beschaffung solcher Klarheit bestanden. Gleiches gelte für die Voraussetzungen eines Versorgungsbezuges selbst. Entscheidend sei, dass die Klägerin die tatsächlichen Umstände (Dauer ihrer Mitgliedschaft zur Kammer auf Grund ihrer bisherigen Berufstätigkeit) gekannt und für sie die Möglichkeit bestanden habe, die entsprechenden rechtlichen Folgerungen daraus zu ziehen.
Das Berufungsurteil ficht die klagende Partei seinem ganzen Inhalte nach wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit Revision an; sie stellt den Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht, allenfalls an die erste Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsschöpfung zurückzuverweisen, oder es dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben und das Berufungsurteil mangels Vorliegens der behaupteten Revisionsgründe zu bestätigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht begründet.
1.) Für den Umfang des Vergleiches ist der Parteiwille massgebend. Sogenannte Generalvergleiche über alle zwischen den Parteien schwebenden strittigen und zweifelhaften Rechtsfragen sind zulässig. Um aber einer Übervorteilung vorzubeugen, bestimmt § 1389 ABGB, dass auch ein derartiger Vergleich nicht auf solche Rechte bezogen werden könne, die geflissentlich verheimlicht wurden, oder an die die Parteien nicht denken konnten. Ein Vergleich kann, muss aber nicht immer eine vollständige und endgültige Regelung dieses ganzen Rechtsverhältnisses in sich schliessen. Es steht den Vertragsteilen frei, ihn auf einzelne Fragen des Rechtsverhältnisses zu beschränken (E. 19. 10. 1915, GlUNF 7619). Der allgemeine Vergleich erstreckt sich aber auch auf Fälle, an die die Parteien nicht gedacht haben, aber nicht auf solche, an die sie nicht denken konnten (Ehrenzweig, Allgemeiner Teil, 2. Auflg., § 148, S. 355).
Nach seinem Sinn und Wortlaut unterliegt es keinem Zweifel, dass der gerichtliche Vergleich vom 25. 5. 1954, 2 Cg 1386/52, des Landesgerichtes Salzburg, als ein solcher nach dem zweiten Satz des § 1389 ABGB zu qualifizieren ist. Der allgemeine Vergleich bezieht sich jedenfalls auf Fälle, an die die Parteien denken konnten. Genau dies haben die Untergerichte in Würdigung der vorliegenden Beweise festgestellt. Es kommt nicht darauf an, ob bei Abschluss des Vergleiches von Ansprüchen wie sie in der vorliegenden Klage erhoben werden, die Rede war, es genügt vielmehr, dass die Klägerin an Ansprüche dieser Art denken konnte und dessenungeachtet keinen Vorbehalt machte. Bei einem redlichen abgeschlossenen Vergleich durfte der Beklagte damit rechnen, dass jedweder Anspruch, der auf die gleiche Wurzel wie der Klagsanspruch in 2 Cg 1386/52 zurückgeht, mit der vergleichsweisen Regelung erledigt ist und er in Zukunft vor weiteren Forderungen verschont bleibt (E. v. 7. 5. 1954, 2 Ob 139/54). Wenn die Revision im Rahmen der Ausführungen zum Revisionsgrund der irrigen rechtlichen Beurteilung vorbringt, dass die jetzigen Klagsansprüche zur Zeit des Vergleichsabschlusses noch gar nicht aktuell gewesen seien, so wird diese Behauptung schon durch die Tatsache widerlegt, dass bereits 16 Tage nach Abschluss des Vergleiches und noch geraume Zeit vor dem Schreiben des seinerzeitigen Klagevertreters, Beil./3, das Ansuchen um Gewährung der Altersunterstützung von der Klägerin an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft gestellt wurde. Unter Hinweis auf den Wortlaut dieses Schreibens, wonach durch den gerichtlichen Vergleich alle gegenseitigen, über die Vergleichsleistung hinaus etwa bestehenden Ansprüche ausgeglichen wurden, meint die Revisionswerberin, dass es sich hier gar nicht in erster Linie um gegenseitige Ansprüche, sondern um einen Anspruch gegen eine dritte Stelle - Anspruch auf Altersunterstützung durch die Kammer der gewerblichen Wirtschaft - handle, den sie erst nach dem Ablehnungsbescheid vom 5. 12. 1955 im Regresswege gegenüber dem Beklagten habe geltend machen können. Auch dieses Argument schlägt nicht durch, da die Klägerin bei gehöriger Aufmerksamkeit und Erfüllung der ihr obliegenden Erkundigungspflicht von Haus aus hätte wissen müssen, dass sie für eine ordentliche Altersunterstützung wegen Abgangs der erforderlichen Voraussetzungen keinen solchen Anspruch an eine "dritte Stelle" hat. Wenn die Revision behauptet, dass bei Vergleichsabschluss nicht vorhergesehen werden konnte, die Klägerin würde die 15jährige Arbeitsleistung infolge Arbeitsunfähigkeit nicht erreichen, so ist ihr auch an dieser Stelle entgegenzuhalten, dass sie bereits kurze Zeit nach Abschluss des Vergleiches und noch vor dem Schreiben ihres Vertreters das Ansuchen um Altersunterstützung an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft richtete. Dass die Klägerin um Altersunterstützung tatsächlich angesucht hat, besagt möglicherweise, dass sie sich über die gesetzlichen Voraussetzungen der Zuerkennung einer solchen Unterstützung nicht im klaren war, dagegen nicht, dass sie sich nicht darüber im klaren sein konnte, wenn sie ihren Anspruch ordnungsgemäss, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, geprüft hätte. Gegenstand des Vergleiches konnten auch künftig fällig werdende oder befristete Ansprüche sein, auch wenn sie ziffermässig noch nicht feststanden. Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass dem Berufungsurteil kein Rechtsirrtum anhaftet.
2.) Die Mängelrüge in der Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht damit erledigt, dass in der Unterlassung der Vernehmung des Zeugen Dr. W***** über den Sinn des Schreibens, Beil/3, kein grober Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens zu erblicken ist, weil nicht nur der gerichtliche Vergleich 2 Cg 1386/52, sondern auch der Text des fraglichen Briefes so klar ist, dass er keiner weiteren Beweiserhebung mehr bedurfte. Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird nunmehr in der Revision gerügt, dass die bereits in erster Instanz beantragten Beweise, nämlich Vernehmung des Zeugen Dr. W***** und der Klägerin als Partei, nicht wenigstens vom Berufungsgerichte zugelassen und durchgeführt wurden. Wäre dies geschehen, so hätte sich herausgestellt, dass weder bei Abschluss des Vergleiches noch bei Verfassung des Schreibens des Dr. W***** auf Seite der klagenden Partei die Absicht bestanden habe, auf die klagsgegenständlichen Forderungen zu verzichten. Nach nunmehr ständiger Praxis des Obersten Gerichtshofes kann immer nur eine Oberinstanz überprüfen, ob in der unteren Instanz ein Verfahrensmangel unterlaufen ist. Wenn die zweite Instanz verneint, dass das Verfahren der ersten Instanz in der gerügten Richtung mangelhaft geblieben ist, so kann das berufungsgerichtliche Urteil nicht gemäss § 503 Z 2 ZPO deshalb angefochten werden, weil es der Berufung in diesem Belange nicht stattgegeben hat, da das Berufungsverfahren an keinem Mangel leidet, der eine erschöpfende und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet war. Ein Mangel des Berufungsverfahrens läge nur vor, wenn das Berufungsgericht sich mit der Mängelrüge des Berufungswerbers nicht befasst hätte, nicht aber wenn es zu Recht verneint hat, dass ein im erstinstanzlichen Verfahren angeblich unterlaufener Verfahrensmangel vorliegt (29. 11. 1950, 1 Ob 655/50 = JBl 1951, S. 292). Wenn das Berufungsgericht gleich dem Erstgerichte der Auffassung war, dass der Vergleichsinhalt und das Schreiben, Beil./3, an Klarheit nichts zu wünschen übrig liessen, so hatten sie in der Tat keine Veranlassung, zur Auslegung dieser Urkunden noch weitere Beweise durchzuführen. Es liegt somit auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vor.
Der Revision konnte gemäss obigen Ausführungen ein Erfolg nicht zuerkannt werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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