OGH 7Ob69/57

OGH7Ob69/5713.2.1957

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernard als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser, Dr. Sabaditsch, Dr. Lachout und Dr. Lassmann als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Auguste W*****, vertreten durch Dr. Karl Spitzer, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die Antragsgegner: 1.) Anna H*****, 2.) Cäcilia G*****, 3.) Philomena G*****, 4.) Marianne S*****, vertreten durch Dr. Alois Dallamassl, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen Einräumung eines Notweges infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 30. November 1956, GZ R 55/56-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Gmunden vom 1. Dezember 1955, GZ 1 Nc 82/55-12, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin ist schuldig, den Antragsgegnern die mit S 12,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit der ***** und dem Grundstück ***** Garten, das am öffentlichen Weg liegt; sie hat darauf einen Neubau errichtet. Die Seeparzelle ist etwa 25 m2 groß, teilweise mit Schilf bewachsen und je nach dem Wasserstand des Traunsees vom Wasser überspült. Die Antragstellerin kann die Seeparzelle über eigenen Grund und auch vom öffentlichen Weg aus nicht erreichen, weil sich zwischen die beiden oben genannten Grundstücke die den Antragsgegnern gehörige Parzelle ***** einschiebt. Das Erstgericht wies den auf Einräumung eines Notweges gerichteten Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Notweg durch den eingefriedeten Garten der Antragsgegner führen würde. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung zunächst mit der Begründung, die Antragstellerin begehre lediglich den Zugang zur Seeparzelle von der Gartenparzelle her und zwar zum Zweck der Benützung der Seeparzelle in Verbindung mit der Gartenparzelle. Sie behaupte aber gar nicht, dass sie durch den Mangel einer Verbindung mit dem öffentlichen Wegenetz an der ordentlichen Benützung der Seeparzelle gehindert werde. Für solche Fälle sei die Einräumung eines Notweges nicht vorgesehen. Diese Entscheidung hob der Oberste Gerichtshof aus dem Gesichtspunkte der offenbaren Gesetzwidrigkeit mit der Begründung auf, dass der vom Rekursgerichte vertretenen Rechtsansicht die Vorschrift des § 4 Abs 1 Notwegegesetz eindeutig entgegenstehe, derzufolge darauf Rücksicht zu nehmen sei, dass die fremde Liegenschaft möglichst wenig belastet und deren Eigentümer möglichst wenig belästigt werden soll. Es bleibe daher nur der Schluss, dass nach dem Gesetz auch solche Wegeverbindungen als Notwege zugelassen sind, die das öffentliche Wegenetz über den Notweg und ein anderes, dem Eigentümer des notleidenden Grundstückes gehöriges Grundstück erreichen lassen. Die Ansicht des Rekursgerichtes hingegen würde dazu führen, dass ein Weg als kürzeste Verbindung nicht als Notweg beansprucht werden könnte, eine weitaus längere Verbindung des notleidenden Grundstücks zum öffentlichen Wegenetz aber eingeräumt werden müsste. Das Rekursgericht, an das die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen worden war, bestätigte abermals den Beschluss des Erstgerichtes. Es erachtete die Nachteile der Antragsgegner gegenüber den Vorteilen der Antragstellerin bei Einräumung eines Notweges als geringfügig und meinte, dass der Antragstellerin auch keine auffallende Sorglosigkeit beim Besitzerwerb der Seeparzelle angelastet werden könne. Es teilte aber nunmehr die Ansicht des Erstgerichtes, dass die Einräumung des Notweges im Hinblick auf § 4 Abs 3 NotwegeG unzulässig sei, weil es sich bei der Parzelle ***** um einen bei einem Wohnhaus befindlichen Garten handle, der zur Verhinderung des Zutrittes fremder Personen eingefriedet sei. Der Zaun sei bereits am Tage der Gesuchsanbringung durch die Antragstellerin vorhanden gewesen. Was die Art der Einfriedung betreffe, genüge es, dass eine solche Einrichtung vorliege, die fremden Personen anzeige, dass der Grundeigentümer nicht gewillt sei seinen Grund betreten zu lassen.

Die Antragstellerin bekämpft die Entscheidung des Rekursgerichtes wegen offenbarer Gesetz- und Aktenwidrigkeit und Nullität (§ 16 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Gegen bestätigende Entscheidungen ist der Revisionsrekurs auch im Verfahren wegen Einräumung eines Notweges, auf das die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden sind, nur nach Maßgabe des § 16 dieses Gesetzes zulässig (SZ X/14, SZ XII/122, 1 Ob 284/50, 3 Ob 608/53, 1 Ob 143/56 ua).

Worin dem Rekursgericht eine Nullität unterlaufen sein soll, ist den Ausführungen des Rechtsmittels nicht zu entnehmen. Eine solche liegt jedenfalls nicht vor.

Aktenwidrig soll die Feststellung des Rekursgerichtes sein, dass die Grenze zwischen der Parzelle ***** und der Seeparzelle, angefangen von der Parzelle ***** auf 4 m durch einen Drahtzaun gebildet wird, der aus 4 übereinanderliegenden parallelen Drähten besteht, und dass längs dieses Drahtzaunes 3 Buchenstauden stehen. Nun bestreitet die Antragstellerin gar nicht, dass diese Einfriedung zur Zeit des Lokalaugenscheines durch den Erstrichter vorhanden war. Sie bekämpft vielmehr die auf den Ortsaugenschein und die Aussagen der Zeugen Ferdinand W*****, Josef H***** und Ferdinand A***** sowie auf ihre eigenen Angaben im Antrag ON 1 gegründete Feststellung, dass der Zaun nicht nur am Tage des Ortsaugenscheines, sondern bereits zur Zeit der Anbringung ihres Gesuches vorhanden war, indem sie behauptet, dass die Grenze vom südlichen Eckpunkt bis zur ersten Buchenstaude, nämlich in einer Länge von 2,39 m erst nach der Antragstellung eingefriedet worden sei. Damit ficht sie in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung an. Sofern die Antragstellerin sich jedoch darüber beschwert, dass zur Frage, wann die vollständige Einfriedung des Grundstückes ***** seitens der Antragsgegner vorgenommen ist, die von ihr angebotenen Beweise nicht abgeführt wurden, macht sie Verfahrensmängel geltend, auf deren Erörterung im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses im Hinblick auf die im § 16 AußStrG gesetzte Beschränkung nicht eingegangen werden kann. Der Oberste Gerichtshof war daher auch nicht in der Lage, sich mit der Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage des Josef H***** zu befassen. Aktenwidrig ist die Behauptung der Antragstellerin, der Erstrichter habe festgestellt, dass der Drahtzaun am Seeufer erst 5 Wochen vor dem Augenschein errichtet wurde und mit der Herstellung des Drahtzaunes zwischen den Grundstücken ***** und ***** erst 6 Wochen vor dem Lokalaugenschein begonnen wurde. Es liegen allerdings in dieser Richtung Angaben von Zeugen vor, die das Erstgericht ihrem Inhalte nach wiedergibt. Eine Feststellung, die mit den genannten Aussagen übereinstimmt, trifft es jedoch nicht. Seine Feststellung lautet vielmehr, dass abgesehen von einem Teil des Seeufers die Parzelle ***** auf allen Seiten bereits am 6. 6. 1955, di dem Zeitpunkte des Einlangens des Antrages bei Gericht, eingefriedet war. Das Rekursgericht nimmt allerdings an, dass der Zaun schon zum genannten Zeitpunkt vorhanden war. Wenn man darin eine Abweichung von der erstrichterlichen Feststellung erblickt, ist darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht von den Feststellungen der ersten, sondern von denen der zweiten Instanz auszugehen hat. Das Rekursgericht ist im Verfahren Außerstreitsachen berechtigt, seine Feststellungen auf eine andere Beweisgrundlage zu stellen als das Erstgericht und es kann, da im Außerstreitverfahren der Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht gilt (7 Ob 156/56), die Beweismittel einer von der erstrichterlichen Beweiswürdigung abweichenden Beurteilung unterziehen.

§ 4 Abs 3 NotwegeG bestimmt, dass die Einräumung eines Notweges durch bei Wohnhäusern befindliche, zur Verhinderung des Zutrittes fremder Personen eingefriedete Gärten ausgeschlossen ist. Dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht zu entnehmen, dass der Garten unmittelbar an das Wohnhaus anschließen muss und dass seine Einfriedung geeignet sein muss, den Zutritt Fremder tatsächlich zu hindern. In dieser Richtung aufgeworfene Fragen fallen in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung, deren Begriff dem der offenbaren Gesetzwidrigkeit keinesfalls gleichkommt. Zum Begriffe der offenbaren Gesetzwidrigkeit gehört vielmehr, dass die zur Beurteilung gestellte Frage im Gesetze selbst so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ XXI/10, EvBl 1950, Nr 13, 1947 Nr 840, ZBl 1918 Nr 214). Lässt ein Gesetz mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, dann kann keine von ihnen aufgrund eines außerordentlichen Revisionsrekurses einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterzogen werden. Wie strittig die Frage ist, was unter eingefriedeten bei Wohnhäusern gelegenen Gärten zu verstehen ist, zeigt eine Gegenüberstellung der Entscheidungen 1 Ob 284/50 und 1 Ob 457/56. In der ersten Entscheidung vertrat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien (Beil 1292, XI. Session S 16), die als Zweck des Gesetzes die Wahrung des Hausfriedens erkennen lassen, die Rechtsansicht, dass unter § 4 Abs 3 Notwegegesetz nur unmittelbar beim Haus befindliche Vorgärten, nicht aber sonstige sich weit vom Haus weg erstreckende Gärten fallen. In der zweiten Entscheidung wurde diese Auffassung abgelehnt und gleichfalls unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien ausgesprochen, dass es auf die Größe des Gartens nicht ankomme und dass nicht nur sogenannte Hausgärten gemeint seien. Auch die Auffassung, dass jede Art der Einfriedung genüge, die die Absicht des Grundeigentümers erkennen lasse Fremde vom Zutritt auf das Grundstück auszuschließen, ist mit dem Gesetz in Einklang zu bringen. Es kommt daher bei dieser Rechtsansicht, die nur im Rahmen eines ordentlichen Rechtsmittels durch den Obersten Gerichtshof überprüft werden könnte, nicht darauf an, ob die vorhandene Einfriedung ein tatsächliches Hindernis für das Betreten des Grundstückes durch dritte Personen bildet. Auch die Frage, ob schon dann von einem Garten im Sinne des Gesetzes gesprochen werden kann, wenn der sogenannte Wurzelgarten im Ausmaße von rund 55 m2 erst nach Anbringung des Antrages angelegt wurde und vorher bloß ein Zwetschkenbaum und ein Haselnussstrauch gepflanzt waren, ist als eine Frage der rechtlichen Beurteilung im Sinne der obigen Ausführungen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes entzogen.

Da also den angefochtenen Beschlüssen auch keine offenbare Gesetzwidrigkeit anhaftet, musste der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig zurückgewiesen werden. Die Entscheidung im Kostenpunkt gründet sich auf § 25 Notwegegesetz.

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