OGH 7Ob122/56

OGH7Ob122/5621.3.1956

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernard als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser, Dr. Sabaditsch und Dr. Turba sowie den Rat des Oberlandesgerichtes Dr. Lachout als Richter in der Konkurssache des Ing. Ferdinand P***** infolge Revisionsrekurses des Masseverwalters Dr. Karl Michtner, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 12. Dezember 1955, GZ 1 R 978/55-611, womit der Beschluss des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 17. Oktober 1955, GZ S 1/48-602, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die O***** verlangt Berücksichtigung ihrer in der ersten Klasse der Konkursgläubiger angemeldeten Forderung für rückständige Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von 99.220,48 S im vollen Umfange, nicht nur mit 25 vom Hundert, wie es der Masseverwalter in seinem Entwurf für die Schlussverteilung vorgesehen hat. Das Erstgericht hat dem Begehren nicht stattgegeben. Die Gläubigerin habe die Frist zur Anbringung der Liquidierungsklage nicht eingehalten und sei infolgedessen mit Recht bei der Abschlagsverteilung, bei der auf die Forderungen in der ersten Klasse eine Quote von 75 vom Hundert ausgeschüttet wurde, nicht berücksichtigt worden; sie könne nunmehr aus dem Grunde des § 134 Abs 2 KO nicht mehr die Gleichstellung mit den übrigen Gläubigern verlangen.

Das Rekursgericht hat diesen Beschluss dahin abgeändert, dass den Erinnerungen der Konkursgläubigerin Folge gegeben und dem Masseverwalter aufgetragen wird, einen dem Gesetz entsprechenden neuen Verteilungsentwurf vorzulegen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Konkurs des Masseverwalters.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurswerber meint zunächst, die volle Berücksichtigung der Forderung der Konkursgläubigerin widerstreite der Bestimmung des § 134 Abs 2 KO, nach der Gläubiger, welche die Frist für die Liquidierungsklage versäumt haben und infolgedessen schon bei einzelnen Verteilungen präkludiert waren, auch in der Folge vom nachträglichen Bezug der bisher verteilten Quote ausgeschlossen bleiben müssen. Diese Ansicht ist irrig. Die Frage, wie Gläubiger, die bei Vornahme einer Abschlagsverteilung nicht berücksichtigt wurden, bei einer späteren Verteilung zu behandeln sind, löste das ältere Recht (vgl § 186 der KO vom 25. Dez. 1868), wohl dahin, dass solche Gläubiger hinsichtlich der bei früheren Verteilungen ausgeschütteten Quote präkludiert blieben. Mit dieser derartige Konkursgläubiger dauernd benachteiligenden Ordnung hat aber die geltende Konkursordnung vollständig gebrochen. Wie aus der Denkschrift S 115 hervorgeht, wurde das Präklusionsprinzip, das der früheren Konkursordnung zugrunde gelegt war, als eine zu harte Benachteiligung der Gläubiger erkannt und daher bestimmt, dass solche Gläubiger bei späteren Verteilungen die bisher verteilte Quote vorauserhalten und so den übrigen Gläubigern gleichgestellt werden sollen (§ 134 Abs 1 KO). Eine Ausnahme macht die Konkursordnung nur in der erwähnten Bestimmung des § 134 Abs 2, nach der Gläubiger, deren Forderung wegen nicht rechtzeitiger Anbringung der Liquidierungsklage bei der Verteilung unberücksichtigt geblieben sind, bei einer späteren Verteilung keinen "solchen" Anspruch, also keinen Anspruch auf einen Vorausbetrag haben sollen, durch dessen Erhalt sie den übrigen Gläubigern gleichgestellt würden. Bringt also der Gläubiger die Liquidierungsklage nicht rechtzeitig an, verliert er nur die Begünstigung, die in der Gewährung des Vorausbetrages liegt, der Bestand der Forderung an sich wird durch die Säumnis ebensowenig berührt wie der Anspruch auf gleichmäßige Befriedigung mit den anderen Forderungen dieser Klasse bei der neuerlichen Verteilung (§ 50 KO). Im vorliegenden Fall hat die Gläubigerin, wie das Rekursgericht richtig erkannt hat, einen Anspruch auf Gewährung des Vorausbetrages gar nicht erhoben; sie verlangt nur die volle Berücksichtigung ihrer Forderung im Rahmen der neuerlichen Verteilung. Dieses Begehren ist aber nach dem Gesagten berechtigt. Wenn bestrittene Forderungen bei der Verteilung noch zu berücksichtigen sind, hinsichtlich deren die Klage erst an dem Tage angebracht wurde, an dem der Masseverwalter den Antrag auf Verteilung gestellt hat, muss auch die Forderung, bezüglich deren die Liquidierungsklagen wohl nicht in der bestimmten Frist, aber noch vor dem erwähnten Zeitpunkte angebracht wurden, Berücksichtigung finden

u. zw. mit dem vollen Betrage, weil Konkursgläubiger eines nachstehenden Ranges in keiner Weise bedacht werden dürfen, ehe nicht alle Konkursgläubiger des besseren Ranges befriedigt sind. Der Umstand, dass im vorliegenden Falle, da die Verteilungsmasse zur vollständigen Befriedigung aller Forderungen erster Klasse ausreicht, die Berücksichtigung der Forderung im vollen Umfange der Zahlung des Vorausbetrages gleichkommt, vermag an dem Ergebnisse nichts zu ändern.

Der Rekurswerber macht weiter geltend, der Teilbetrag von 22.870 S 43 g dürfe nicht berücksichtigt werden, weil der Prüfungsrechtsstreit, der bis zur Erledigung der Beschwerde des Masseverwalters gegen den Verwaltungsbescheid der oberösterreichischen Landesregierung, mit dem die Forderung mit diesem Teilbetrage als richtig festgestellt wurde, unterbrochen ist und bisher nicht fortgesetzt wurde, obwohl die Beschwerde des Masseverwalters gegen den Bescheid der Verwaltungsbehörde bereits seit mehreren Jahren erledigt ist; es fehle daher eine Feststellung der Rangordnung hinsichtlich dieses Teiles der Forderung. Es ist wohl richtig, dass der Rechtsstreit über die Rangordnung der Forderung im Betrage von 22.870 S 43 g bisher nicht entschieden wurde. Der Bescheid der oberösterreichischen Landesregierung hat entgegen dem Vermerke im Anmeldungsverzeichnis zu PZ 156 über die Rangordnung nicht abgesprochen und konnte es im Hinblick auf die Bestimmung des § 110 Abs 3 KO nicht tun. Es trifft daher zu, dass die Rangordnung hinsichtlich dieses Teiles der Forderung bisher nicht festgestellt ist. Diese Unterlassung hätte wohl im Sinne des § 136 Abs 1 KO die Vornahme der Schlussverteilung hindern müssen; sie gab aber keinen Grund dafür ab, die Forderung mit dem angeführten Teilbetrage überhaupt unberücksichtigt zu lassen. Die Bestimmung des § 131 Abs 1 KO sieht für diesen Fall vor, dass der auf die bestrittene Forderung entfallende Betrag bei Gericht zu erlegen ist und dort verbleibt, bis über den Rang endgültig entschieden wurde. Der Verteilungsentwurf des Masseverwalters entspricht also auch in dieser Hinsicht nicht dem Gesetze.

Der Rekurswerber meint ferner, die anhaltende säumige Rechtsausübung durch die Gläubigerin, die a) ihren Anspruch im Konkurse nicht in der zur Anbringung der Liquidierungsklage bestimmten Frist geltend gemacht habe, b) ungeachtet der Aufforderung, sich binnen 14 Tagen nach Zustellung zum Antrage auf Rückstellung der zu ihren Gunsten erfolgten gerichtlichen Erläge zu äußern, widrigens angenommen würde, dass sie diesem Antrage zustimme, eine Äußerung nicht erstattet habe,

c) gegen den Beschluss, mit dem die Rücküberweisung der bei der ersten Verteilung zu ihren Gunsten bei Gericht erlegten Beträge angeordnet wurde, keinen Rekurs erhoben habe, d) einen Antrag, den Rechtsstreit über die Rangordnung der Teilforderung von 22.870 S 43 g aufzunehmen, seit vier Jahren nicht gestellt habe und e) die vierzehntägige Frist zur Anbringung der Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf ungenützt habe verstreichen lassen, müsse als Verzicht auf die bereits ausgeschüttete Quote aufgefasst werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Gläubigerin durch die wenn auch verspätete Anbringung der Liquidierungsklagen ihren Standpunkt bereits festgelegt und dadurch eine klare Rechtslage geschaffen hat, die es nicht gestattet, aus dem Umstande, dass die Gläubigerin nicht jedes Mal von ihren Rechten sofort und in vollem Umfange Gebrauch gemacht hat, auf einen Verzicht auf die weitergehende Forderung zu schließen. Abgesehen hievon ist mit diesen Ausführungen für den Standpunkt des Rekurswerbers nichts zu gewinnen, weil die erwähnten Fristen keine Ausschlussfristen sind, auch der Antrag auf Aufnahme des Rangordnungsstreites nicht an eine Frist gebunden ist und der Umstand, dass die Gläubigerin die sichergestellten Beträge an die Masse zurückfallen ließ, nach Treu und Glauben keinesfalls die Bedeutung eines Verzichtes auf die Forderung annehmen lässt. Endlich ist auch der Einwand des Rekurswerbers, die Vorlage eines neuen Verteilungsentwurfes sei zwecklos, weil in Befolgung eines gerichtlichen Auftrages die Schlussverteilung bereits vorgenommen worden sei, nicht durchschlagend. Die vor Rechtskraft der Entscheidung über angebrachte Erinnerungen vollzogene Verteilung vermag die Feststellung bestehender Ansprüche nicht zu hindern. Aus diesen Erwägungen war dem Rekurse ein Erfolg zu versagen.

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