OGH 2Ob883/54

OGH2Ob883/547.12.1954

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ullrich als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Elsigan und Dr. Sabaditsch sowie die Räte des Oberlandesgerichts Dr. Hammer und Dr. Köhler als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Stefanie S*****, 2) Stefanie W*****, beide vertreten durch Dr. Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Max B*****, vertreten durch Dr. Josef Langer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 24.343,41 S sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. September 1954, GZ 5 R 620/54-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Mai 1954, GZ 28 Cg 10/54-25, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem aufhebenden und in seinem die teilweise Abweisung des Begehrens bestätigenden Teile unberührt bleibt, in dem Ausspruche, mit dem die erstinstanzliche Entscheidung über das Nichtbestehen der Gegenforderungen bestätigt wurde, und insoweit auch das (berichtigte) Urteil des Erstgerichts aufgehoben und die Sache in diesem Umfange an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Auf die Kosten des Revisionsverfahrens ist als Kosten des Verfahrens erster Instanz Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer des Hauses Wien XVI., T*****, an dem dem Beklagten das lebenslängliche Fruchtgenussrecht zusteht. Mit der vorliegenden Klage begehren die Kläger „aufgrund des Gesetzes“ (S 39 f) vom Beklagten den Ersatz eines Betrags von (eingeschränkt) 24.343,41 S, den sie im Jahre 1949 für notwendige Erhaltungsarbeiten ausgelegt haben. Der Beklagte bestritt seine Zahlungsverpflichtung aus mehrfachen Gründen und machte überdies vorsichtsweise Aufrechnung geltend mit der Behauptung, dass ihm durch rechtswidrige Handlungen ihrer Vorgänger Schadenersatzansprüche erwachsen seien, für die die Kläger einzustehen hätten. Das Prozessgericht erster Instanz gab dem Begehren in der Hauptsache statt; insoweit als die Verurteilung zur Zahlung von Amortisationsraten vor dem Klagstage verlangt wurde, wurde das Klagebegehren abgewiesen; der Gegenforderungen gedachte das Erstgericht nur in den Gründen. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten teilweise Folge gegeben, das Urteil in seinem stattgebenden Teile und im Kostenpunkte (ohne Rechtskraftvorbehalt) aufgehoben und die Sache in diesem Umfange an das Prozessgericht erster Instanz zur Verfahrensergänzung zurückverwiesen; im Übrigen, insbesondere auch insoweit vom Prozessgerichte über die behaupteten Gegenforderungen abgesprochen wurde, hat es das erstinstanzliche Urteil (in einer berichtigten Fassung) als Teilurteil bestätigt. Hinsichtlich des letzteren Ausspruchs wird das berufungsgerichtliche Urteil vom Beklagten mit der auf die Revisionsgründe des § 503 Z 2 bis 4 ZPO gestützten Revision bekämpft und beantragt, es dahin abzuändern, dass das Bestehen der Gegenforderungen festgestellt werde, allenfalls es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht oder an das Prozessgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben und das Urteil in seinem angefochtenen Teile zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet, jedoch aus einem anderen als den geltend gemachten Gründen.

§ 391 Abs 3 ZPO bestimmt, dass in dem Falle als der Beklagte mittels Einrede eine Gegenforderung geltend macht, welche mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht im rechtlichen Zusammenhang steht, über den Klagsanspruch, wenn nur dieser zur Entscheidung reif ist, mit Teilurteil erkannt werden kann. Diese Bestimmung sieht also ein Teilurteil nur über den Hauptanspruch vor; wie vorzugehen ist, wenn die Verhandlung über die Gegenforderung früher als die über die Klagsforderung zur Entscheidung reif ist, sagt das Gesetz nicht. Aus der Überlegung, dass über die Ansprüche nur dann entschieden werden darf, wenn der Hauptanspruch bejaht wird, muss gefolgert werden, dass über die Gegenforderung nicht vor der Entscheidung über die Klagsforderung erkannt werden kann. Dies geht übrigens aus der Natur der Sache hervor: wird eine Entscheidung über die Gegenforderung nur für den Fall verlangt, als eine solche über die Klagsforderung stattfindet, so kann trotz der bereits begonnenen Verhandlung eine meritorische Entscheidung über die letztere noch immer entfallen; dann würde eine Entscheidung über die Gegenforderung vorliegen, ohne dass der Bestand der Forderung festgestellt wird, mit welcher die des Beklagten aufgerechnet werden soll, obwohl über die letztere nur zum Zwecke der Aufrechnung zu entscheiden ist. Anders ist die Rechtslage auch dann nicht, wenn über die Gegenforderung im Sinne ihres Nichtbestehens entschieden wird. Auch in diesem Falle ist das Gericht über das nur hilfsweise gestellte Begehren hinausgegangen und hat damit eine Rechtslage geschaffen, die einer Überschreitung des Klagebegehrens gleichzustellen ist. In einer solchen Gesetzesverletzung ist aber nach einhelliger Praxis und herrschender Lehre (siehe Sperl, Lehrbuch des bürgerlichen Rechtspfleger S 663, 488, im gleichen Sinne Schmitt, Grundriß des Zivilprozeßrechtes, S 270; Pollak, System des Österr. Zivilprozeßrechtes, S 601 f) eine Nichtigkeit zu erblicken, die unter den Nichtigkeitsgründen der ZPO nicht aufgezählt ist.

Da somit ein von Amts wegen zu beachtender Nichtigkeitsgrund iSd § 503 Z 1 ZPO vorliegt, war der Revision Folge zu geben und wie aus dem Spruche ersichtlich zu entscheiden.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf § 52 ZPO.

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