Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind schuldig, dem Beklagten die mit S 770,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mathilde G*****, eine Jüdin, betrieb im Zeitpunkt der Besetzung Österreichs einen Wirkwarenhandel in *****. Mit dem Bescheid der Vermögensverkehrsstelle vom 11. 1. 1939, Zl. 4318, wurde dem Beklagten die Genehmigung zur käuflichen Übernahme dieses Unternehmens bewilligt und mit der Verfügung der gleichen Stelle vom 24. 4. 1939 wurde der Kaufpreis mit RM 2056,- festgesetzt und eine Entjudungsauflage von RM 308,- vorgeschrieben; der Kaufpreis wurde später auf RM 1796,- herabgesetzt. Mathilde G***** wurde im Feber 1942 nach Riga deportiert und mit dem Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. 3. 1947, Zl. 48 T 1534/46-7, für tot erklärt, wobei gleichzeitig ausgesprochen wurde, dass sie den 8. 5. 1945 nicht überlebt habe. Im Zug der zur Zl. 15 A 269/47 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien eingeleiteten Verlassenschaftsabhandlung wurde festgestellt, dass mangels Vorhandensein eines Testaments die gesetzliche Erbfolge einzutreten habe und dass als gesetzliche Erben nur Nachkommen der Geschwister ihrer Eltern u. zw. Dr. Hugo P*****, der Sohn einer Schwester des Vaters, die drei Kläger und Dr. Robert A*****, die Kinder, bzw der Enkel eines Bruders der Mutter, und Marie N*****, die Tochter einer Schwester der Mutter, in Betracht kämen. Mit dem Beschluss des Abhandlungsgerichtes vom 11. 11. 1948 wurde "die Verlassenschaftssache armutshalber abgetan, da nach den Bestimmungen der Rückstellungsgesetze die erblasserischen Geschwisterkinder, bzw deren Nachkommen, die mit dem Erblasser nicht in Hausgemeinschaft gelebt haben, nicht rückforderungsberechtigt sind und anderer Nachlass nicht vorhanden ist".
In der vorliegenden, am 19. 8. 1949 eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Aufhebung und Nichtigerklärung des zwischen dem Beklagten und Mathilde G***** über das Geschäft in der Favoritenstraße abgeschlossenen Kaufvertrages und die Verurteilung des Beklagten zur Übergabe des "gegenständlichen" Unternehmens an sie. Nachdem den Klägern vom Prozessgericht der Nachweis der abhandlungsbehördlichen Ermächtigung zur Prozessführung aufgetragen worden war (Beschluss vom 30. 1. 1950, ONr. 5), gaben die Kläger zu je einem Zwölftel die bedingte Erbserklärung nach Mathilde G***** ab und beantragten, ihnen die abhandlungsbehördliche Ermächtigung zur Prozessführung gegen den Beklagten wegen Nichtigerklärung bzw. Aufhebung eines Kaufvertrages zu erteilen; mit dem Beschluss des Abhandlungsgerichtes vom 9. 3. 1950 wurden die Erbserklärungen der Kläger angenommen und ihnen die beantragte Ermächtigung zur Prozeßführung erteilt. Das Klagebegehren wurde in der Folge dahin geändert und präzisiert, dass die Verurteilung des Beklagten zur Übergae des Unternehmens nur Zug um Zug gegen Rückgabe der von ihm an Mathilde G***** geleisteten Zahlungen zu erfolgen habe (S. 75 und 181).
Das Prozessgericht erklärte zunächst mit dem Beschluss vom 30. 6. 1950 (ON. 13) den Rechtsweg für unzulässig. Das Rekursgericht änderte jedoch diesen Beschluss dahin ab, dass die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges verworfen und dem Prozessgerichte die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen wurde (ONr. 16); der Beschluss des Rekursgerichtes ist, obwohl eine weitere Anfechtung möglich gewesen wäre und ein ausdrücklicher Rechtskraftvorbehalt daher entbehrlich war, unbekämpft geblieben und damit in Rechtskraft erwachsen. Das Prozessgericht gab nach einem umfangreichen Beweisverfahren dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht wies es ab. Die auf § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der Kläger ist nicht begründet.
Die Kläger haben den Kaufvertrag unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der §§ 869, 870, 879 und 934 ABGB angefochten und zur Entscheidung über ihre Klagebegehren deshalb das ordentliche Gericht angerufen, weil ihnen die Geltendmachung ihrer Ansprüche vor der Rückstellungskommision nach § 14 Abs 2 des 3. Rückstellungsgesetzes verwehrt ist. Da bereits rechtskräftig die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ausgesprochen worden ist, ist das Revisionsgericht gemäß § 42 Abs 3 JN nicht befugt, entsprechend der Anregung des Beklagten in der Revisionsbeantwortung die Frage, ob das ordentliche Gericht oder die Rückstellungskommision zur Entscheidung berufen ist, von Amts wegen aufzurollen und die Klage zurückzuweisen, selbst wenn es die Zuständigkeit der Rückstellungskommission nach § 15 des 3. Rückstellungsgesetzes für gegeben erachtete. Das Revisionsgericht hatte zunächst zu prüfen, ob die Kläger nicht schon auf Grund der Bestimmung des § 14 Abs 2 des 3. Rückstellungsgesetzes von der Geltendmachung ihres Anspruches ausgeschlossen sind. Wenn in dieser Gesetzesstelle angeordnet ist, dass von den gesetzlichen Erben nur die Ehegatten, Vorfahren und Nachkommen des Verstorbenen, sonstige gesetzliche Erben aber nur dann zur Erhebung eines Anspruches nach Maßgabe der Einantwortung berechtigt sind, soferne sie in Hausgemeinschaft mit dem Erblasser gelebt haben, so können darunter nur Rückstellungsansprüche nach dem 3. Rückstellungsgesetz verstanden werden, die ein nach § 1 Abs 1 entzogenes Vermögen betreffen und aus einem nach § 3 nichtigen Rechtsgeschäft abgeleitet werden. Eine Ausdehnung einer Bestimmung auf andere Ansprüche insbesondere auf einen aus den Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches abgeleiteten Anspruch auf Nichtigerklärung eines Rechtsgeschäftes wäre schon deshalb unzulässig, weil das Rückstellungsgesetz als Sondergesetz nicht ausdehnend interpretiert werden darf, und würde überdies zu dem vom Gesetzgeber sicherlich nicht gewollten Ergebnis führen, dass die entfernter verwandten gesetzlichen Erben einer vom Nationalsozialismus verfolgten Person rechtlich schlechter gestellt wären als die ebenso entfernt verwandten gesetzlichen Erben von nicht verfolgten Personen. Die dem Fonds nach § 14 Abs 5 des 3. RückstG vorbehaltenen Rechte können dann aber nicht existent werden, wenn die während der Okkupation erfolgte Vermögensentziehung auch nach den Bestimmungen des Allg. bürgerl. Gesetzbuches nichtig ist. Bei der Entscheidung über die auf Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gestützten Ansprüche darf jedoch die allgemeine politische Verfolgung, denen der Erblasser wie alle übrigen verfolgten Personen in gleicher Weise unterworfen waren, nicht berücksichtigt werden, vielmehr muss der Fall so beurteilt werden, als wenn der Erblasser dem verfolgten Personenkreis nicht angehört hätte. Hiebei ist von folgendem Sachverhalt, der sich asu den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Prozessgerichtes ergibt, auszugehen.
Mathilde G***** hat am 5. 11. 1938 ihren Bestandvertrag über das Geschäftslokal mit 1. 2. 1939 aufgekündigt und ohne dass auf sie ein direkter Zwang ausgeübt worden war, am 16. 12. 1938 die Vermögensverkehrsstelle um den Verkauf ihres Geschäftes ersucht, ihr die Auswahl des Käufers überlassen und sich mit dem Kaufpreis einverstanden erklärt, der von Schätzleuten errechnet werde. Nach den von der Vermögensverkehrsstelle ausgegebenen Richtlinien durfte der Kaufpreis den Sachwert des Unternehmens nicht übersteigen. Der Sachwert der im Geschäft vorhandenen Einrichtung und Waren ist am 24. 1. 1939 von einem Schätzmann ermittelt worden; der Beklagte hat erklärt, diese Sachen zum Schätzwert zu übernehmen, und Mathilde G***** hat ihm die Schlüssel für das Geschäftslokal übergeben und gleichzeitig ihren Gewerbeschein zugunsten des Beklagten, der jedoch auch über einen eigenen Gewerbeschein, lautend auf Strickwarenerzeugung und erweitert auf Strick- und Wirkwarenerzeugung, verfügte, zurückgelegt. Der Beklagte hat am 1. 2. 1939 mit dem Hauseigentümer einen Mietvertrag über das Geschäftslokal geschlossen. Die Schätzung hat dem wahren Wert nicht entpsrochen; insbesondere ist die Einrichtung, die damals mindestens RM 1000,-
wert war, bloß mit RM 85,- geschätzt worden; der ideelle Wert des Geschäftes ist - entsprechend den Richtlinien - überhaupt nicht berücksichtigt worden.
Während das Prozessgericht auf Grund seiner Feststellungen die Nichtigkeit des Veräußerungsgeschäftes nach den §§ 879 Abs 2 Z 4 und 934 ABGB annahm, erachtete das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach den Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches nicht für gegeben. Die Ausführungen der Revisionswerber sind nicht geeignet, die zutreffende Argumentation des Berufungsgerichtes zu widerlegen.
Wie bereits hervorgehoben, haben die besonderen Verhältnisse, von denen nach der Besetzung Österreichs alle Juden betroffen worden sind, außer Acht zu bleiben; dies hat zur Folge, dass der innere Zwang, unter dem Mathilde G***** bei der Abgabe ihrer Willenserklärung (§ 869 ABGB) zur Veräußerung ihres Geschäftes zweifellos gestanden ist, nicht berücksichtigt werden kann. Da nicht festgestellt ist, dass der Beklagte ihre Willensbildung beeinflusst hat, kommt eine Nichtigkeit nach § 870 ABGB, wie übrigens von den Revisionswerbern selbst zugegeben wird, nicht in Frage. Aber auch eine Nichtigkeit nach § 875 ABGB kann nicht angenommen werden, denn es ist nicht nachweisbar, dass eine dritte Person sie unter Druck gesetzt hat, um ihr Geschäft dem Beklagten zu verkaufen, und dass dieser davon gewusst hat; der allgemeine Druck aber, dem alle Juden ausgesetzt waren, reicht für eine Nichtigerklärung nach § 875 ABGB nicht aus, mag er auch dem anderen Antragsteil bekannt gewesen sein. Eine Behauptung, dass die allgemeine Judenverfolgung den Zweck hatte, gerade den Beklagten aus dem Vermögen der Mathilde G***** zu bereichern, ist nicht einmal von den Klägern aufgestellt worden (E.v. 9. 11. 1946, 1 Ob 279/46).
Das Berufungsgericht hat aber auch mit Recht eine Nichtigerklärung des Vertrages nach § 934 ABGB abgelehnt. Das Revisionsgericht schließt sich der im Einklang mit Lehre und Rechtsprechung stehenden Ansicht an, dass die Veräußerung eines Unternehmens ebenfalls ein Handelsgeschäft nach § 343 HGB ist und dass daher eine Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte nach Art 8 Nr 6 der 4. Verordnung zur Einführung handelsrechtlicher Vorschriften im Lande Österreich vom 24. 12. 1938, DRGBl I S 1999, ausgeschlossen ist. Bei der Prüfung des Verkaufes unter dem Gesichtspunkt des § 879 ABGB ist davon auszugehen, dass Mathilde G***** der Vermögensverkehrsstelle sowohl die Auswahl des Käufers als auch die Bestimmung des Kaufpreises überlassen hat; in ihrem Ersuchen vom 16. 12. 1938 ist eine Bevollmächtigung der Vermögensverkehrsstelle zum Abschluss eines Kaufvertrages zu erblicken. Von den Klägern ist weder behauptet worden, dass die Vermögensverkehrsstelle die erteilte Vollmacht (mit Wissen des Beklagten) überschritten hat oder beim Vertragsabschluss von den für sie bestandenen Richtlinien zum Nachteil der Mathilde G***** abgewichen ist. Eine Ausbeutung nach § 879 Abs 2 Z 4 ABGB könnte nur dann angenommen werden, wenn nach den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Geltung gestandenen Vorschriften ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorgelegen wäre; das Berufungsgericht hat daher mit Recht darauf hingewiesen, dass die Kaufpreisermittlung durch die damalige Rechtslage gedeckt und somit nicht rechtswidrig gewesen ist. Das Revisionsgericht vermag aber auch nicht - entgegen der Ansicht der Revisionswerber - eine sonstige Sittenwidrigkeit, die den Kaufvertrag nichtig machen könnte, anzunehmen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision war daher schon aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen und erübrigte es sich, die Fragen aufzuwerfen, ob die Kläger schon auf Grund der von ihnen abgegebenen Erbserklärung, die übrigens mangels Vorliegens eines Erbverzichtes des Dr. Robert A***** nur zu je einem Sechzehntel des Nachlasses hätte abgegeben werden dürfen, und der Ermächtigung des Abhandlungsgerichtes berechtigt waren, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen und ob ihr Begehren auf Übergabe des ganzen Unternehmens an sie überhaupt durch den Beschluss des Abhandlungsgerichtes vom 9. 3. 1950, mit dem ihnen bloß die Genehmigung zur Prozessführung wegen Nichtigerklärung bzw Aufhebung des Kaufvertrages erteilt worden war, gedeckt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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