OGH 1Ob494/52

OGH1Ob494/522.7.1952

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Präsidenten Dr. Strobele als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Wahle und die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellner und Dr. Hohenecker sowie den Rat des Oberlandesgerichtes Dr. Stanzl als Richter in der Handelsregistersache H***** & Co, infolge Revisionsrekurses des Robert H*****, vertreten durch Dr. Otto Brezina, Rechtsanwalt in Wien I., gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 13. Mai 1952, GZ 4 R 115/52-40, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 15. April 1952, GZ 7 HRA 4183-34, als nichtig aufgehoben und der Antrag des Revisionsrekurswerbers zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Rekursgericht die sachliche Entscheidung über den Rekurs aufgetragen.

Text

Begründung

Robert und Philipp H***** sind die beiden offenen Gesellschafter von H***** & Co. Robert H***** beantragte beim Registergericht, die Firma H***** & Co zu beauftragen, seinem Bevollmächtigten Dr. B***** sowie einem von diesem zu bestimmenden Buchsachverständigen Einsicht in sämtliche Bücher und Papiere sowie allfällige Geschäftsunterlagen der Fa. H***** & Co zu gewähren und ihm die nötigen Auskünfte zu erteilen. Das Erstgericht trug dem Philipp H***** auf, dem Bevollmächtigten des Robert H*****, Dr. B*****, Einsicht in sämtliche Handelsbücher und Papiere sowie allfällige andere Geschäftsunterlagen der Fa. H***** & Co zu gewähren und ihm die nötigen Auskünfte zu erteilen. Aus Anlass des Rekurses des Philipp H***** gegen diesen Beschluss hob ihn das Rekursgericht als nichtig auf und wies den Antrag des Robert H***** auf Erteilung des Auftrages zur Gewährung der Einsicht in die Geschäftsbücher mit der wesentlichen Begründung zurück, dass der Anspruch nicht ins außerstreitige Verfahren, sondern auf den Rechtsweg gehöre. Gegen diesen Beschluss liegt der begründete Revisionsrekurs des Robert H***** vor.

Rechtliche Beurteilung

Artikel 40 HGB 1862 bestimmte, dass die Mitteilung der Handelsbücher zur vollständigen Kenntnisnahme von ihrem ganzen Inhalte in Erbschafts- oder in den Gütergemeinschaftsangelegenheiten sowie in Gesellschaftsteilungssachen und im Konkurse, soweit es die Bücher des Gemeinschuldners betrifft, gerichtlich verordnet werden kann. Für die offene Handelsgesellschaft sah Artikel 105 Abs 1 vor, dass der auch nicht geschäftsführende Gesellschafter jederzeit in das Geschäftslokal kommen, die Handelsbücher und Papiere der Gesellschaft einsehen und auf ihrer Grundlage eine Bilanz zu seiner Übersicht anfertigen kann. Gemäß Artikel 160 Abs 3 HGB konnte das Handelsgericht auf den Antrag eines Kommanditisten, wenn wichtige Gründe dazu vorliegen, die Mitteilung einer Bilanz oder sonstiger Aufklärungen nebst Vorlegung der Bücher und Papiere zu jeder Zeit anordnen. Eine wortgemäße Bestimmung enthielt Art 253 Abs 3 HGB für den stillen Gesellschafter.

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes während der Geltung des HGB 1862 ging dahin, dass über den gesetzlichen Anspruch auf Bucheinsicht des stillen Gesellschafters (AC. 1387, 1837; SZ IV/21, X/210) aber auch des offenen Gesellschafters (Entscheidung vom 30. 8. 1933, Rechtsprechung 1933, Nr. 280) im außerstreitigen Verfahren entschieden wurde. Begründet wurde dies mit dem Hinweis auf die Fassung der Artikel 40 und 253 Abs 3, die Mitteilung der Bücher könne gerichtlich verordnet werden, bzw. könne das Handelsgericht die Mitteilung anordnen. Für die offene Handelsgesellschaft wurde der Fassungsunterschied zwischen Artikel 105, in dem eine ähnliche Formulierung wie in den Artikel 40 und 253 fehlt, nicht weiter beachtet.

Die Meinung des Schrifttums war nicht einheitlich. Die ältere Auffassung (Achilles Renaud, Das Recht der Kommanditgesellschaften, Leipzig 1881, Seite 331) ging dahin, dass der Kommanditist den Anspruch auf Bucheinsicht im Klageweg gegen den oder die geschäftsführenden Gesellschafter geltend zu machen habe. Demgegenüber vertreten Emil Ott Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorgeverfahrens, Wien 1906, Seite 101, und Randa, Das österreichische Handelsrecht, 2. Auflage, 1911/12, 2. Band, S 150, die Meinung, dass Streitigkeiten über das Recht auch des offenen Gesellschafters auf Einsicht der Handelsbücher und Papiere der Gesellschaft und Bilanzanfertigung und ebenso die Geltendmachung des Rechts eines Kommanditisten und stillen Gesellschafters auf schriftliche Mitteilung der Jahresbilanz in das außerstreitige Verfahren gehören. In der 3. Auflage des Staub'schen Kommentars zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, herausgegeben von Oskar Pisko, Wien 1935, will Ernst Bettelheim im 1. Band, Seite 440, dann, wenn das Gesellschaftsverhältnis nicht selbst strittig ist, den offenen Gesellschafter nach Analogie des Art 253 Bucheinsicht auch im Verfahren außer Streitsachen fordern lassen können. Rudolf Pollak meint jedoch im selben Kommentar, dass die Ansprüche auf Bilanzvorlage bei der Kommandit- und bei der stillen Gesellschaft (und demgemäß wohl auch bei der offenen Gesellschaft) nicht in das Verfahren außer Streitsachen, sondern auf den Klageweg gehören (S. 22). Auch Pisko, Lehrbuch des österr. Handelsrechtes, Wien 1923, S. 340, lehrt, dass der Anspruch auf Bucheinsicht durch den Kommanditisten und stillen Gesellschafter im Klageweg geltend zu machen sei. Nach den von Pisko verfassten Entwurf eines Handelsgesetzbuches sollen Kommanditist und stiller Gesellschafter ausdrücklich ins außerstreitige Verfahren verwiesen werden, während für den offenen Gesellschafter nichts bestimmt ist (§§ 93, 139, 147, 163 Entwurf).

Die gesetzliche Grundlage für die Beantwortung der Frage, ob bei den Personengesellschaften und der stillen Gesellschaft der Anspruch auf Bucheinsicht auf den Rechtsweg oder ins außerstreitige Verfahren gehöre, ist im geltenden HGB 1897 im wesentlichen gleich geblieben. Dem Artikel 40 HGB 1862 entspricht § 47 HGB 1897, dem Artikel 105 § 118, dem Artikel 160 § 166 und dem Artikel 253 § 338. Für das deutsche Recht ist über das Verfahren betreffend den Anspruch des Kommanditisten und des stillen Gesellschafters auf Bucheinsicht gesetzlich entschieden. § 145 FGG bestimmt, dass die Amtsgerichte zuständig sind für die nach § 146 Abs 2, §§ 147, 157 Abs 2, § 166 Abs 3, § 338 Abs 3, § 524 Abs 1 und 2, § 530 Abs 1, §§ 590, 685, § 729 Abs 1, § 884 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches von dem Gerichte zu erledigenden Angelegenheiten. Die Aufzählung der §§ 166 Abs 3 und 338 Abs 3 ergibt zweifelsfrei, dass Kommanditist und stiller Gesellschafter den Anspruch auf Bucheinsicht im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen haben.

Hinsichtlich des offenen Gesellschafters wird für das deutsche Recht die Meinung vertreten, dass dieser gegen die die Bucheinsicht verweigernde Gesellschaft zu klagen habe (Otto Weipert in RGR. Komm.

z. HGB Berlin 1950, § 118 Anmerkung 9, und wohl auch Düringer-Hachenburg-Flechtheim, Das Handelsgesetzbuch, 1932, § 118 Anmerkung 3 i. f.).

Gemäß Artikel 10 Nr 5 der Vierten EinfV v. 24. 12. 1438, DRGBl. I. S 1999 und § 2 HRegZustV. v. 10. 12. 1946, BGBl 1946 Nr. 21 gilt § 145 FGG auch in Österreich. Damit ist in Übereinstimmung mit der oben berichteten früheren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nunmehr gesetzlich entschieden, dass der Bucheinsichtsanspruch des Kommanditisten und des stillen Gesellschafters ins außerstreitige Verfahren gehören. In diesem Sinne ist auch bereits die Entscheidung des OGH vom 21. 11. 1951, 1 Ob 808/51, ergangen.

Für den offenen Gesellschafter fehlt allerdings eine solche ausdrückliche Verweisung des Bucheinsichtsanspruchs durch das Gesetz in das außerstreitige Verfahren. Dennoch vermag sich der Oberste Gerichtshof der in der deutschen Literatur vertretenen Auffassung, dass dieser Anspruch auf den Rechtsweg gehöre, nicht anzuschließen. Bereits Ott, Seite 101, der auch den offenen Gesellschafter in das außerstreitige Verfahren verweist, hat ausgeführt, dass dann „wenn sogar die durch besondere Verhältnisse bedingten Ansprüche des Kommanditisten und stillen Gesellschafters auf Bilanzaufstellung und Aufklärungserteilung während des laufenden Geschäftsjahres auf den außerprozessualen Weg verwiesen wurden (Artikel 160 III, 253, II, HGB), sicherlich der Schluss gegründet ist, dass auch die oberwähnten normalen Befugnisse der Handelsgesellschafter ohne Beschreitung des Rechtsweges zur Geltung zu bringen sind". Diese Argumentation hält der Oberste Gerichtshof für überzeugend. Es ist kein Grund abzusehen, warum der Bucheinsichtsanspruch des Kommanditisten und stillen Gesellschafters, der vom Vorhandensein wichtiger Gründe abhängt, im außerstreitigen Verfahren entschieden werden soll, während der voraussetzungslos gegebene Anspruch des offenen Gesellschafters im Rechtsweg erhoben werden müsste. Für die Auffassung, dass die Ansprüche auf Bucheinsicht sämtlicher Gesellschafter auch der offenen Gesellschafters in das außerstreitige Verfahren gehören, spricht schließlich auch noch, dass § 47 HGB alle Gesellschaftssachen in verfahrensrechtlicher Beziehung gleich behandelt und keinen Unterschied zwischen offenen Gesellschaftern und Kommanditisten macht. Im übrigen bleibt in allen Fällen dem Außerstreitrichter die Möglichkeit, bei Notwendigkeit der Erörterung von Tatumständen, die sich nur durch ein förmliches Beweisverfahren ins Klare setzen lassen, z. B. bei Streit über die Gesellschafterqualität, die Parteien gemäß § 2 Z 7 AußStrG auf den Rechtsweg zu verweisen. Der Oberste Gerichtshof hält demnach auch für das HGB 1897 an der bereits für Artikel 105 des Handelsgesetzbuches 1862 in der Entscheidung vom 30. August 1933, Rechtsprechung 1933, Nr. 280, vertretenen Auffassung fest, dass auch über den Antrag eines offenen Gesellschafters auf Bucheinsicht gemäß § 118 HGB 1897 im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist.

Dem Revisionsrekurs war daher, wie im Spruch geschehen, Folge zu geben.

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