European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1952:0010OB00174.52.0319.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Das Erstgericht hat auf Grund des unbestrittenen Vorbringens beider Parteien ohne weitere Beweisaufnahme das Klagebegehren auf Herausgabe einer Röntgenkugel Marke Siemens Fabr.Nr. * Zug um Zug gegen Bezahlung eines Betrags von 2.000 S abgewiesen.
In der Klage zu 29 Cg 6/49 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien behauptete A* C* (Beklagter), dass H* und A* S* ohne Rechtstitel einen Siemens Unit‑Apparat und eine Siemens Röntgenkugel besitzen, die in seinem Eigentum stehen und aus seinem früheren Zahnatelier in *, geplündert worden seien.
Zwischen den Parteien kam in diesem Rechtsstreit am 20. Jänner 1950 folgender Vergleich zustande:
„1.) H* und A* S* verpflichten sich, dem A* C* den Siemens‑Unit‑Apparat Fabr.Nr. * und die Siemens Röntgenkugel Fabr.Nr. * am 27. Jänner 1950 bei Exekution auszufolgen.
2.) A* C* verpflichtet sich, dem H* und A* S* den Betrag von 7.000 S in monatlichen Raten á 1.000 S, beginnend am 1. Februar 1950 und sohin an jedem ersten der darauf folgenden Monate bei Exekution zu bezahlen.
3.) Bis zur restlosen Auszahlung des Betrags von 7.000 S verbleibt die Röntgenkugel im ausschließlichen Eigentum des H* und A* S* und wird bis zur restlosen Auszahlung des Betrages von 7.000 S dem A* C* nur zur unentgeltlichen Benützung überlassen. Hiemit sind alle zwischen den Parteien bezüglich der beiden im Streit verfangenen Apparate bestehenden Ansprüche ausgeglichen.“
H* und A* S* haben den obgenannten Apparat und die Röntgenkugel dem A* C* übergeben und hat letzterer bisher nur einen Betrag von 2.000 S bezahlt, sodass derzeit noch 5.000 S unberichtigt aushaften.
Unter Hinweis auf diesen Zahlungsverzug des A* C* begehren H* und A* S* die Herausgabe der in ihrem Eigentum stehenden Röntgenkugel Zug um Zug gegen Rückzahlung des Betrags von 2.000 S, wobei es dem Beklagten freigestellt wurde, sich von der Rückgabe der Kugel durch Bezahlung eines Betrags von 5.000 S samt 6 % Zinsen seit dem Klagstag zu befreien.
A* C* hat das Klagebegehren bestritten und vorgebracht, dass die rückgestellten Apparate durch Verschulden der Kläger oder durch eine von ihnen zu vertretende Handlung nach dem obgenannten Vergleich beschädigt worden seien, wofür Reparaturkosten von 3.511,86 S aufgelaufen seien und eine Wertminderung von 8.000 S eingetreten sei, sodass durch diese Forderung des Beklagten an die Kläger der Vergleich erfüllt worden sei.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht Folgendes aus:
Nach dem Inhalt des Vergleichs vom 20. Jänner 1950 habe der Beklagte das Recht, bis zur restlosen Auszahlung des Betrags von 7.000 S die Röntgenkugel unentgeltlich zu benützen. Da diese restlose Auszahlung noch nicht erfolgt sei, habe der Beklagte keine Verpflichtung, die Röntgenkugel, wenn sie auch im Eigentum der Kläger stehe, an diese zurückzustellen.
Wenn die Kläger sich in der Klage auf die §§ 920, 921 ABGB beziehen, so sei darunter nur ein Schadenersatz wegen Nichterfüllung bzw ein Rücktritt des Vertrags zu verstehen. Einen Schadenersatz können die Kläger jederzeit geltend machen, jedoch bestehe dieser nur in Geld, nicht aber in einem Anspruch auf Herausgabe der Röntgenkugel. Einen Rücktritt vom Vertrag haben die Kläger selbst nicht behauptet; dieser sei auch hinfällig, da die klagenden Parteien auf Grund des obgenannten Vergleichs die Erfüllung durch Exekution erzwingen müssten.
Der Berufung der klagenden Parteien hat das Berufungsgericht Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Jeder Vergleich – so führte das Berufungsgericht aus – sei zivilrechtlich ein zweiseitig verbindlicher Vertrag, dessen gerichtliche Beurkundung nur die Vollstreckbarkeit begründe. Wenn ein Teil einen derartigen Vertrag nicht erfülle, könne der andere Teil gemäß § 918 ABGB unter Setzung einer angemessenen Frist zur Nachholung vom Vertrag zurücktreten. Die gegenständliche Klage sei in diesem Sinne aufzufassen, wobei die Klage selbst die Rücktrittserklärung ersetze, zumal es einer Nachfristerteilung nicht bedurfte, weil der Beklagte unter Bekanntgabe einer Gegenforderung sich auf den Standpunkt gestellt habe, dass der Vergleich erfüllt sei und er nunmehr nichts mehr zu leisten habe.
Im Übrigen habe der Beklagte die Einrede, dass die Rechtssache verglichen sei, nicht erhoben, da nur eingewendet worden sei, dass der Beklagte den Vergleich erfüllt habe. Auf Grund dieses Sachverhalts sei es aber notwendig, auf das beiderseitig sachliche Vorbringen einzugehen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei, dem aber Berechtigung nicht zukommt.
Ein Vergleich ist nach Lehre und Rechtsprechung ein zweiseitig verbindlicher entgeltlicher Vertrag, in dem die Parteien an die Stelle einer streitigen und zweifelhaften Verbindlichkeit eine neue setzen (Klang Komm IV/S 278, Krasnopolski III/259, SZ VII/215, Bemerkungen Petscheks im ZBl 1931/333).
Ist aber ein Vergleich ein zweiseitig verbindlicher und entgeltlicher Vertrag, so finden auf ihn auch die sonstigen Bestimmungen über entgeltliche Verträge, also auch die Vorschriften der §§ 917 ff ABGB Anwendung. Wenn daher ein Teil den abgeschlossenen Vergleich nicht erfüllt, steht dem anderen Teil das Recht zu, von diesem Vertrag unter Setzung einer angemessenen Frist zurückzutreten.
Auch im gegenständlichen Fall begehren die Kläger nichts anderes als die Rückstellung der Röntgenkugel, die sie in Erfüllung des Vergleichs übergeben haben, ohne aber, wie sie behaupten, die Gegenleistung vom Beklagten empfangen zu haben.
Es wird daher die Rechtsansicht des Berufungsgerichts geteilt, dass mit Rücksicht auf diesen Sachverhalt auf das beiderseitige Vorbringen einzugehen war, zumal einerseits die Rücktrittserklärung durch die Klage ersetzt wird (SZ XV/205, JBl 1930/81), andererseits die Gewährung einer Nachfrist dann zu entfallen hat, wenn der Gegner die Erfüllung des Vertrags ausdrücklich verweigerte (ZBl XXXVI/66, EvBl 317/50, 314/46).
Aus diesen Erwägungen war daher dem Rekurs der Erfolg zu versagen,
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
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