Spruch:
Es wird der Revision Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und diesem, allenfalls nach Verhandlungsergänzung, die Sachentscheidung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind gleich Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu behandeln.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klage verlangt "die Schadloshaltung des Klägers hinsichtlich der Unterhaltsansprüche des von der Beklagten im Jänner 1947 außerehelich geborenen Kindes, als dessen a.e. Vater der Kläger vom Gericht festgestellt wurde."
Diesem Begehren liegt folgender unbestrittener Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, der behauptet, nicht der Vater des Kindes zu sein, bot im Oktober 1946 der Kindesmutter zunächst 2.000 S an, erhöhte diesen Betrag auf 3.000 S, die er bis 13.2.1947 dafür bezahlte, "daß die Beklagte, solange sie arbeitsfähig sei, für das Kind allein sorge."
Das Vormundschaftsgericht jedoch verpflichtete mit Beschluß vom 22.9.1949 den Kläger zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages von 80 S monatlich ab 1.9.1949, weshalb der Kläger den Standpunkt vertritt, "daß die Beklagte ihn - zufolge der von ihr übernommenen Verpflichtung - schadlos halten müsse". Deshalb begehrt der Kläger den im Zeitpunkte der Klagsanbringung fälligen Betrag von 1.120 S und allmonatlich noch 80 S, beginnend ab 1.12.1950 bis auf weiteres und zwar in der Weise, daß die Beklagte die Beträge für den Mj. zu Handen der Berufsvormundschaft zu bezahlen habe.
Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung an den Kläger im Ausmaße von monatlich 20 S ab 1.9.1949. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Das Urteil gründete sich auf die Feststellung, daß die Beklagte gegen eine Geldabfindung den Kläger aus der Unterhaltsleistung für das gemeinsame Kind entlassen habe. Die Vereinbarung sei nach Ansicht des Erstgerichtes rechtsgültig, denn sie leide an keinem Willensmangel, insbesondere sei die Einwendung der Beklagten, daß der Vertrag unter List, Zwang, Drohung oder Furcht zustande gekommen sei, unbegründet. Es sei der Wille der Parteien gewesen, daß die Beklagte sich mit der Abfindungssumme so lange begnügen müsse, als sie dem Kind jenen Teil des Unterhaltes reichen könne, dessen es, abgesehen von der durchschnittlichen Leistung eines a.e. Kindesvaters im Wert von 20 S monatlich bedürfe." Sollte infolge Änderung der Verhältnisse, z.B. zufolge Arbeitsunfähigkeit der Beklagten, eine höhere Leistung des Vaters als durchschnittlich 20 S monatlich notwendig werden, so sollte die Unterhaltsfrage neu geregelt werden. Das Erstgericht folgerte - wenn auch nicht besonders klar - weiter: Die Beklagte sei arbeitsfähig und lebe von den Einkünften ihrer 9 Joch großen Liegenschaft mit zwei ehelichen und zwei unehelichen Kindern, sodaß der Kläger nur in dem Ausmaß zur Unterhaltsleistung herangezogen werden könne, als durch die Verminderung der Kaufkraft des Geldes eine Erhöhung der Unterhaltsleistung notwendig geworden sei, daher müßte die Beklagte den Kläger hinsichtlich des Betrages von monatlich 20 S schadlos halten; daraus folge aber gleichzeitig, daß das Mehrbegehren als unbegründet abzuweisen war.
Gegen dieses Urteil erhoben beide Parteien die Berufung; die Beklagte überdies auch Rekurs gegen die Kostenentscheidung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es gab aber der Berufung der Beklagten Folge, wies das Klagebegehren zur Gänze ab und trug dem Kläger die Zahlung aller Prozeßkosten auf. Das Berufungsgericht ging von einer anderen Rechtsansicht als das Erstgericht aus. Es war - ohne Beweiswiederholung - der Meinung, daß ein "Anfindungsvertrag", wie er unter Umständen zwischen Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem abgeschlossen werde, nicht vorliege. Denn der Betrag von 3.000 S wurde in erster Linie dafür bezahlt, daß die Beklagte den Kläger nicht als Erzeuger ihres Kindes namhaft mache. Deshalb habe sich der Kläger anläßlich der Auszahlung des Betrages von 2.300 S von der Beklagten einen Zettel unterschreiben lassen, in dem sie erklärte, daß sie nie mit ihm Beziehungen gehabt habe, daß er nicht der Vater des erwarteten Kindes sei, und daß sie namens des Kindes keine Forderung an den Kläger stellen werde. Daraus habe die Klage auf Grund der vorgenannten Verpflichtung der Beklagten noch deren weitere Verpflichtung, den Kläger schadlos zu halten, konstruiert. Ein Vertrag auf Schadloshaltung sei unsittlich und gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig, weil der Kläger auf Grund dieses Vertrages der Beklagten ein "Schweigegeld" bezahlt habe. Durch die Erfüllung der mit dem Schweigegeld übernommenen Verpflichtung der Beklagten aber werden die Interessen des Kindes verletzt. Das Urteil des Berufungsgerichtes fand aber auch, daß die Übernahme der Verpflichtung für das Kind allein zu sorgen, die wirtschaftlichen Interessen des Kindes deshalb beeinträchtige, weil dieses hiedurch von den Vermögensverhältnissen der Kindesmutter abhängig würde. Der Vertrag zwischen Kläger und Beklagter sei daher ein Eingriff in ein persönliches Rechtsgut eines Dritten, der als Kind noch dazu unter dem besonderen Schutze der Gesetze stehe, und daher sei dieser Vertrag ungiltig.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei macht die Revisionsgründe der Z 2 bis 4 des § 503 ZPO geltend.
Sie ist begründet:
Vor Eingehen in die Revision war von Amts wegen die von der Revisionsbeantwortung verneinte Frage ihrer Zulässigkeit zu prüfen. Es mag dahingestellt bleiben, ob der Revisionswerber genötigt war, die Streitwertberechnung, die er in der Klage mit dem Betrage von 4.000 S vorgenommen hat, zu ändern und mit der Behauptung, daß der 10 fache Jahresbetrag der Leistung von monatlich 80 S (§ 58 JN) unter Hinzurechnung eines Rückstandes von S 1.120,- bei Berechnung des Streitwertes zugrunde zu legen sei, dieser somit S 10.220,- betrage. Zunächst ist festzustellen, daß die Revision nach dem Jud. 56 (neu) = ÖJZ 1952, Heft 3, EvBl Nr 49, berechtigt ist, weil keine bestätigenden Entscheidungen der Untergerichte vorliegen (§ 502 Abs 3 ZPO).
Im übrigen aber ist die Revision aus dem Grund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gerechtfertigt: Entgegen der ausdrücklichen Feststellung des Erstgerichtes, daß der Zweck der Geldleistung des Klägers war, sich von jeder Alimentationszahlung für das erwartete und bald darauf geborene a.e. Kind zu befreien, wobei die Beklagte die Höhe der Abfindungssumme selbst berechnet hat, hat das berufungsgerichtliche Urteil seiner Entscheidung einen vom Erstgericht vollkommen abweichenden Tatbestand zu Grunde gelegt, der in erster Instanz nicht festgestellt worden war. Das Berufungsgericht, das die Beweise nicht wiederholt hat, ist aber an die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteiles gebunden. Tatsächlich war vor dem Erstrichter vom Schweigegeld keine Rede. Es ist aber auch unrichtig, wie die Revisionsbeantwortung meint, daß der Begriff des Schweigegeldes nur ein Rechtsbegriff sei, und daß daher das Berufungsgericht zu einer neuen rechtlichen Beurteilung befugt gewesen sei. Dazu ist das Berufungsgericht vielmehr nur dann berechtigt, wenn es entweder erklärt, die Feststellungen des Erstgerichtes zu übernehmen, oder wenn es die Beweisaufnahme wiederholt, eine neue Beweiswürdigung vornimmt und somit neue Feststellungen trifft. Im vorliegenden Fall jedoch liegen der rechtlichen Beurteilung, ob ein bestimmter Geldbetrag als Schweigegeld hingegeben wurde, keine tatsächlichen Feststellungen zu Grunde. Es ist daher schon deshalb die Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes gerechtfertigt. Aber selbst wenn die Hingabe der 3.000 S ein Schweigegeld war, ist das Revisionsgericht nicht in der Lage, zum zweiten Abweisungsgrunde, das ist zur Frage der Ungiltigkeit des Übereinkommens betreffend die Schadloshaltung, Stellung zu nehmen, weil sich das Berufungsgericht nicht darüber geäußert hat, ob es die hiezu ergangenen Feststellungen des Erstgerichtes übernehme. Eine Stellungnahme durch die Revisionsinstanz ist daher nicht möglich, mag auch ein derartiger Vertrag auf Schadloshaltung, wie ihn die Beklagte als Kindesmutter mit dem Kläger geschlossen hat, tatsächlich die wirtschaftlichen Interessen des Kindes wesentlich beeinträchtigen: Hält nämlich die Beklagte diesen Vertrag zu, dann bekommt sie für das Kind keinen Unterhalt und muß das Kind aus Eigenem erhalten, dies ohne Berücksichtigung des Umstandes, daß sie zwei eheliche und noch ein uneheliches Kind zu erhalten hat, wobei sie für erstere nur eine geringfügige staatliche Unterstützung erhält, für das zweite a.e. Kind aber überhaupt nichts. Die Kindesmutter könnte sich in Einhaltung dieser Vereinbarung für verpflichtet halten, für das a.e. Kind des Klägers keinen Unterhalt zu verlangen, wodurch das Kind aufs schwerste beeinträchtigt wäre, zumal die Vormundschaft keine Kenntnis von den tatsächlichen Vorgängen hätte. Eine derartige Vereinbarung ist daher mit Recht als ungiltig zu bezeichnen. Es ist deshalb das Klagebegehren des Kindesvaters nicht zu billigen. Unter anderen Umständen als den vorliegenden kann wohl zwischen dem Vormund und dem Vater und der Mutter ein gerichtlich zu genehmigender Vergleich abgeschlossen werden, wonach die Unterhaltungsverpflichtung des Vaters zu einer subsidiären und die der Mutter zu einer primären gemacht wird, weil die Unterhaltsverpflichtung des Vaters an die weitere Voraussetzung gebunden ist, daß die Mutter zur Erfüllung ihrer Verpflichtung nicht imstande ist (Jud. Nr. 245 alt und E.v. 20. XII.1950, 1 Ob 216/50, nicht veröffentlicht). Wenn im vorliegenden Fall das Berufungsgericht zur Frage der Unsittlichkeit des Schweigegeldes und der Vereinbarung der Schadloshaltung auch auf § 879 Abs 2 Z 4 ABGB verweist, so hat es sich gleichfalls nicht darüber ausgesprochen, ob es zu diesem Punkte die Ansicht des Erstgerichtes teilt. Solange sich aber das Berufungsgericht zur Frage der Schadloshaltung mit Bezug auf die Feststellungen des Erstgerichtes nicht geäußert hat, so lange bleibt es dem Revisionsgericht verwehrt, darüber zu entscheiden.
Daher hatte die Revision schon aus dem Grunde der Z 2 des § 503 ZPO Erfolg, ohne daß es notwendig war, auf die übrigen Revisionsgründe einzugehen, weil über die unrichtige rechtliche Beurteilung solange nicht entschieden werden kann, als nicht die hiezu notwendigen Feststellungen der beiden Untergerichte vorliegen, an welche nicht nur die Parteien, sondern auch der Oberste Gerichtshof gebunden ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)