OGH 1Ob338/51

OGH1Ob338/5111.1.1952

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Strobele als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Wahle und die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellner, Dr. Hohenecker und Dr. Schmeisser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg D*****, vertreten durch Dr. Erich Fiedler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Sterneckstraße 52, wider die beklagte Partei Helene D*****, vertreten durch Dr. Heinz Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Bahnhofstraße 23, wegen Erlöschen des Anspruches, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 3. März 1951, GZ 1 R 128/51-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 16. Dezember 1950, GZ 4 C 82/50-6, abgeändert wurde in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind wie die Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Gegen die Kläger wurde mit Beschluss des Erstgerichtes vom 13. 7. 1950, 4 E 3953/50, der beklagten Partei auf Grund des Vergleiches vom 3. 2. 1950, 2 C 976/49, zur Hereinbringung der rückständigen Unterhaltsbeträge für die Zeit vom 1. 5. 1950, bis 31. 7. 1950 von S 705,- und der in der Zeit ab 1. 8. 1950, bis auf weiters am 20. jedes Monats fällige Unterhaltsbeträge von je S 235,- und der Kosten die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung der Bezüge des Klägers als Angestellten des Arbeitsamtes Klagenfurt bewilligt. Der Kläger hat nun eine Klage mit dem Begehren eingebracht, den Einwendungen der klagenden Partei, der Anspruch der beklagten Partei aus dem zu 2 C 976/49 geschlossenen Vergleich sei durch Zahlung aufgehoben, werde stattgegeben. Er begründet dieses Begehren damit, die beklagte Partei habe sich in Pkt. 4 des Vergleiches vom 3. 2. 1950 verpflichtet, von jeder weiteren Exekution Abstand zu nehmen, wenn die klagende Partei ihre Verpflichtungen einhalte. Die Zentralverrechnungsstelle habe ohne Verschulden des Klägers von seinen Bezügen zu Unrecht dem Rechtsanwalt Dr. Oberlaner für seine Kosten einmal S 600,-, einmal über S 400,- überwiesen, während die beklagte Partei nur S 180,- und S 111,- erhalten habe, weshalb die beklagte Partei die Gehaltsexekution beantragt habe. Die Beklagte habe aber in der Zeit vom Jänner 1950 bis einschließlich Oktober 1950 nur S 3.579,- zu bekommen, während ihr von der Zentralverrechnungstelle S 2.793,36 und an Dr. Oberlaner S 821,-, also zusammen S 3.614,36 überwiesen worden seien, sodass sie um S 25,76 zuviel erhalten habe.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 16. 12. 1950 zu Recht erkannt, der Anspruch aus dem Vergleiche vom 3. 2. 1950, 2 C 976/49, sei bis einschließlich November 1950 mit Ausnahme eines noch zu zahlenden Betrages von S 3,64 aufgehoben und werde das Mehrbegehren abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Erstgericht ausgeführt, es stehe außer Streit, dass die Beklagte nach Abschluss des Vergleiches bis Ende November 1950 an Unterhaltsbeträgen insgesamt S 3.936,36 erhalten habe, wovon ihr S 3.150,36 von der Zentralbesoldungsstelle und S 821,- durch Dr. Oberlaner von der diesem zugekommenen Summe überwiesen worden seien. Im Pkt. 4 des Vergleiches habe die beklagte Partei auf die vor dem Vergleich vom 3. 2. 1950 fällig gewordenen und noch nicht bezahlten Beträge vorläufig und zwar für so lange verzichtet, als der Kläger mit den laufenden Zahlungen nicht in Verzug gerate. Die nach dem 3. 2. 1950 erbrachten Leistungen seien daher grundsätzlich auf den laufenden Unterhalt anzurechnen mit Ausnahme des Betrages von S 342,-, der, wie der Kläger erkannt habe, der Beklagten für Jänner gebühre. Die Beklagte habe nach dem Vergleich die Kinderbeihilfe für die Monate Feber bis einschließlich September 1950 von S 111,- monatlich, für die Monate Oktober und November 1950 von S 180,- monatlich, daher insgesamt S 1.248,-, weiters einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 100,- für sich und von S 135,- für die Kinder, daher zusammen, S 2.350,- und für Jänner S 342,- demnach bis Ende November 1950, insgesamt S 3.940,- zu bekommen. Tatsächlich habe sie S 3.936,36 erhalten, sodass noch ein Rückstand von S 3,64 bestehe.

Das Berufungsgericht hat dagegen mit dem angefochtenen Urteil in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, eine Vollstreckungsgegenklage oder ein Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung könne mit Erfolg nur erhoben werden, solange der Anspruch im Exekutionswege nicht befriedigt sei. Die Klage sei ohne Notwendigkeit erhoben, da ein Rechtsschutzinteresse nicht gegeben sei und die Voraussetzungen für diese Klage nicht vorgelegen seien; die Exekution sei ja zur Hereinbringung der rückständigen Unterhaltsbeträge für Mai, Juni und Juli 1950, und für die ab August 1950 fällig werdenden Alimentationsbeträge geführt und bewilligt worden; dass diese Beträge schon im Zeitpunkte der Exekutionsbewilligung bezahlt worden seien, könne auch der Kläger nicht behaupten. Sie seien erst im Laufe des Exekutionsverfahrens durch zwangsweise Zurückbehaltung von der Dienstbehörde hereingebracht worden. Ob die Beklagte auf ihre vor Feber 1950 entstandene Forderung vorläufig oder endgültig verzichtet, oder sich nur verpflichtet habe, die früher geführten Exekutionen einzustellen und vorläufig wegen dieser alten Forderungen keine neue Exekution zu führen, sei nicht zu prüfen, da ja diese alten Forderungen gar nicht geltend gemacht worden seien. Auch eine Erörterung, ob der Unterhaltsanspruch für Jänner 1950 bezahlt worden sei, oder ob der Beklagte auf diesen Anspruch vorläufig verzichtet habe, sei nicht notwendig, da auch hinsichtlich dieses Betrages keine Exekution geführt worden sei. Es sei daher nur zu prüfen, ob der Kläger nach Entstehung des Exekutionstitels, also nach dem 3. 2. 1950 auch die Unterhaltsbeträge für Mai, Juni und Juli und die weiteren Monate schon vor dem 17. 7. 1950 (Antrag auf Exekutionsbewilligung) bezahlt habe oder nicht. Da er dies nicht habe behaupten können, wäre das Klagebegehren schon deshalb bei der ersten Streitverhandlung abzuweisen gewesen. Die Auslegung des Pkt. 4 des Vergleiches könne keine Rechtskraft erlangen, sodass es der Beklagten immer frei gestanden wäre, ihre früheren Forderungen durch Fortführung der Exekution wieder geltend zu machen, wogegen sich sodann der Kläger hätte wehren können. Wenn der Anspruch durch Vollziehung der Exekution im Zwangswege befriedigt werde, so stehe dem Verpflichteten kein Recht zu, einen Antrag auf Einstellung der Exekution oder eine Klage nach § 35 EO anzubringen, weil durch die zwangsweise Befriedigung ein solcher Anspruch erloschen sei. Nur wenn wegen des gleichen schon befriedigten Anspruches neuerlich eine Exekution begehrt und bewilligt würde, könne diese Exekutionsbewilligung mit Rekurs oder mit Klage nach § 35 EO bekämpft werden. Der Kläger ficht dieses Urteil seinem gesamten Inhalte nach mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Z 2 bis 4 ZPO an und beantragt Aufhebung der Urteile der beiden Untergerichte und Rückverweisung der Rechtssache an die erster Instanz, allenfalls die Abänderung des angefochtenen Urteils durch Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung. Die beklagte Partei bestreitet in ihrer Revisionsbeantwortung das Vorliegen der geltend gemachten Revisionsgründe und beantragt Bestätigung des angefochtenen Urteiles. Der Kläger behauptet in seiner Revision unter anderem, das Berufungsgericht habe das erstgerichtliche Urteil überhaupt nicht abändern dürfen, weil die Beklagte in ihrer Berufung nur beantragt habe, das Urteil nach durchgeführter Berufungsverhandlung und eventueller Beweiswiederholung abzuändern, und den Antrag auf Anordnung einer mündlichen Berufungsverhandlung nur für den Fall der Beweiswiederholung, also bedingt gestellt habe, was unzulässig sei. Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Wohl hat die Beklagte in ihrer Berufung den Antrag gestellt, das Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Prozessgericht erster Instanz zurückzuverweisen oder das Urteil nach durchgeführter mündlicher Berufungsverhandlung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen werde, und hat für den Fall der Beweiswiederholung die Anordnung einer mündlichen Hauptverhandlung (richtig Berufungsverhandlung) beantragt. Wohl war der letzte Antrag bedingt, nämlich für den Fall der Notwendigkeit einer Beweiswiederholung gestellt. Ein solches Begehren war jedoch überflüssig, da das Berufungsgericht, wenn es eine Beweiswiederholung für notwendig erachtete, von Amts wegen eine mündliche Berufungsverhandlung anordnen konnte. Der Abänderungsantrag der beklagten Partei in ihrer Berufung war nur unrichtig formuliert und sollte offensichtlich dahin gehen, dass das erstgerichtliche Urteil abgeändert werde und zwar nach durchgeführter Berufungsverhandlung, falls eine solche wegen Beweiswiederholung notwendig sein sollte. Demnach konnte das Berufungsgericht auf Grund dieses Antrages der Beklagten in ihrer Berufung das erstgerichtliche Urteil abändern.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Hinsicht ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Befriedigung des betreibenden Gläubigers durch den Vollzug der Exekution nicht Grund zu einer Vollstreckungsklage gegen diese Exekution bilden kann. Eine Klage nach § 35 EO kann nur im Zuge einer Exekution erhoben werden. Ist eine Exekution bereits durchgeführt, hat sie zur Befriedigung des Gläubigers geführt, so ist sie beendet, ohne dass es eines besonderen Beendigungsbeschlusses bedürfte (vgl Pollak, ZPR, 2 Auflg., S 879 f, 880, 891, Walker, Exekutionsrecht, 4. Auflg., S 152). Einwendungen im Sinne des § 35 EO können sich nur auf Tatsachen beziehen, die noch der Geltendmachung bedürfen, damit die Exekution vor ihrer vollständigen Durchführung zur Einstellung gebracht werden könne. Eine durch Befriedigung des Gläubigers im Wege des Vollzuges beendete Exekution bedarf nicht der Einstellung. Dagegen ist das Berufungsgericht nicht im Recht, wenn es meint, die Klage sei schon deshalb abzuweisen, weil der Kläger gar nicht behauptet habe, dass am 17. 7. 1950, dem Tag der Einbringung des Exekutionsantrages, überhaupt kein Unterhaltsrückstand bestanden habe. Denn wenn zufolge Zahlungen des Verpflichteten der Rückstand selbst nur kleiner war als der Betrag, zu dessen Hereinbringung die Exekution bewilligt wurde, so können die geleisteten Zahlungen mit Klage nach § 35 EO geltend gemacht werden. Solche Zahlungen hat aber der Kläger behauptet. Nach dem eigenen Tatsachenvorbringen des Klägers bestand am 17. 7. 1950 ein, wenn auch kleiner Unterhaltsrückstand.

Die Beklagte hatte nach dem Klagsvorbringen für die Zeit vom Jänner 1950 bis einschließlich Juli 1950 zu bekommen:

7 x S 235,-

= S 1.645,-

7 x S 111,-

S 777,-

Mehrbetrag für Jänner

S 50,-

S 2.472,-

Die Beklagte hat nach den

Behauptungen des Klägers erhalten:

vom heutigen Drittschuldner

S 1.304,96

von Dr. Oberlaner

S 821,-- S 2.125,96

Rest: S 346,04

Würde selbst die Forderung für Jänner 1950

von

S 235,-

Kinderbeihilfe

S 111,-

Mehrbetrag für Jänner

S 50,-

S 396,-

und dementsprechend

auch die Überweisung

von Jänner 1950 von

S 190,-

nicht berücksichtigt

S 206,-

so vermindert sich die Summe von S 346,04 um S 206,- auf S 140,04.

Nach dem Klagsvorbringen bestand daher am 17. 7. 1950 zumindest ein Rückstand in dieser Höhe. Dieser Betrag würde sich, wenn der Kläger für Jänner 1950 den in der Verhandlung vom 15. 12. 1950 anerkannten Betrag von S 342,- zu zahlen hätte und darin auch die Kinderbeihilfe von S 111,- enthalten wäre, um die Differenz gegenüber den in der Klage für Jänner 1950 angegebenen Betrag von insgesamt S 396,-, also um S 54,- vermindern. Dass der Betrag für Jänner 1950 auf Grund besonderer Vereinbarung erst nach dem 17. 7. 1950 fällig wurde, hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht behauptet. Ebenso hat er vor der ersten Instanz nicht eingewendet, dass die Unterhaltsleistung für Juli 1950 erst nach dem 17. 7. 1950 fällig wurde. Dass dieser Betrag noch nicht fällig war, hätte der Kläger mit Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung oder allenfalls mit der Klage nach § 36 Z 1 EO geltend machen müssen. Da er dies nicht getan hat, muss von dem geschuldeten Rückstand bis einschließlich Juli 1950 ausgegangen werden und konnte auf Grund der Oppositionsklage bloß geprüft werden, ob diese Schuld schon am 17. 7. 1950 vollständig berichtigt war. Da dies auf Grund des eigenen Vorbringens des Klägers nicht der Fall war, lagen die Voraussetzungen des § 6 Abs 3 Lohnpfändungsverordnung jedenfalls vor und kommt daher eine vollständige Beseitigung der Exekution nicht in Frage. Nach dem Vorbringen des Klägers war also der Rückstand zumindest zum größeren Teil bereits von ihm berichtigt und hat der Drittschuldner ohne Rücksicht darauf im Rahmen der Exekution, also auch auf den angeblichen Rückstand geleistet. Gemäß § 1416 ABGB sind nur im Zweifel Zahlungen auf die älteren, also jeweils früher fälligen Forderungen anzurechnen. Handelt es sich um eine Exekution zur Hereinbringung einer vollständig fälligen Forderung, die vom Verpflichteten nach Entstehung des Titels bezahlt wurde und gleichwohl neuerlich vom Drittschuldner gezahlt worden ist, so kann nicht der Weg der Klage nach § 35 EO beschritten, sondern können nur die Mehrleistungen mit Klage zurückgefordert werden. Anders ist dies aber bei einer Exekution, die auch zur Hereinbringung künftig fällig werdender Unterhaltsraten geführt wird. Leistungen vor Fälligkeit ohne besondere Erklärung werden hier auch als Vorauszahlungen auf künftig fällig werdende Alimentationsraten gewertet werden können. Der Kläger behandelt nun die von ihm behaupteten Mehrleistungen schon in der Klage einfach als solche Vorauszahlungen, indem er sie eben mit den später fällig gewordenen Unterhaltsbeträgen verrechnet. Die Beklagte hat diesen Vorgang im erstinstanzlichen Verfahren an sich gar nicht gerügt, sondern ist auf diese Verrechnung des Klägers eingegangen (vgl S 23 und 31). Die erbrachten Leistungen sind daher nicht ungerechtfertigte Mehrleistung, sondern als Vorauszahlungen zu behandeln. Ist dies aber der Fall, so müssen neben den Zahlungen des Klägers auch die Leistungen des Drittschuldners in die Verrechnung einbezogen werden, damit festgestellt werden kann, welche Beträge derart der Kläger, wenn auch im Voraus, berichtigt hat. Das Berufungsgericht musste daher auf die Verrechnung an sich eingehen und durfte nicht den Kläger einfach auf die Rückforderungsklage verweisen. Da das Berufungsgericht dies jedoch nicht getan und zu den entsprechenden Ausführungen des erstgerichtichen Urteils gar nicht Stellung genommen hat, musste der Revision Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Das Berufungsgericht wird zu beurteilen haben, ob es diese Entscheidung ohne weiteres und ohne mündliche Berufungsverhandlung fällen kann.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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