OGH 2Ob425/50

OGH2Ob425/501.2.1951

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Wahle als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Sommer, Dr. Elsigan und Dr. Kisser sowie den Rat des Oberlandesgerichts Dr. Lenk als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adele N*****, vertreten durch Dr. Anton Wehofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Buchdruckerei A. H*****, Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Camillo Limpens, Rechtsanwalt in Wien, unter Beitritt der Nebenintervenientin C***** (B***** Unionbank, *****), vertreten durch Dr. Josef Berkovits, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. April 1950, AZ 1 R 1012/49, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 19. Oktober 1949, GZ 9 Cg 34/49-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil erster Instanz wiederhergestellt wird und die beklagte Partei schuldig erkannt wird, der klagenden Partei die mit 944 S 23 g bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsfolge zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.095 S 77 g bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsfolge zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und Karl N***** sind je zur Hälfte an dem Stammkapital der beklagten Partei, der Druckerei A. H*****, Ges.m.b.H., beteiligt. Nach dem Protokoll vom 25. 10. 1948 wurde in der Generalversammlung der Gesellschafter der Rechnungsabschluss für das Jahr 1947 von beiden Gesellschaftern genehmigt. Dieser Abschluss wies unter der Berücksichtigung des Gewinnvortrags von 84.721,63 S einen Reingewinn von 214.840 S aus. Der Gesellschafter Karl N***** stellte den Antrag, von dem Gewinn an die beiden Gesellschafter den Betrag von je 9.000 S auszuschütten. Die klagende Partei beantragte die Ausschüttung eines Betrags von je 50.000 S. Weder der eine noch der andere Antrag fanden bei der Abstimmung die Zustimmung des anderen Gesellschafters, sodass in dem Protokoll beide Anträge als abgelehnt bezeichnet wurden.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei die Hälfte des Reingewinns abzüglich der geleisteten Zahlungen von 4.000 S, somit einen Betrag von 103.420 S samt 5 % Zinsen seit 1. 11. 1948 zu. Das Berufungsgericht erkannte der Klägerin nur einen Betrag von 46.000 S zu. Beide Gesellschafter seien bei der Generalversammlung wenigstens darin einig gewesen, dass der 100.000 S übersteigende Teil des Reingewinns nicht ausgeschüttet werde. Beide Teile hätten zwar nicht vorgebracht, dass ein solcher Beschluss zustandegekommen sei, das Berufungsgericht habe jedoch den von beiden Teilen vorgetragenen Sachverhalt rechtlich zu würdigen gehabt. Selbst wenn das Zustandekommen eines solchen Beschlusses nicht anerkannt werde, wäre es sittenwidrig, dass die Klägerin nun einen weit geringeren Teil als Gewinnvortrag bestehen lassen wolle als sie bei der Generalversammlung zugestanden habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei. Sie macht Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die unrichtige rechtliche Beurteilung wird darin erblickt, dass das Berufungsgericht das Zustandekommen eines Beschlusses über die Verwendung eines Teils des Reingewinns für Rücklagen angenommen habe. Das Berufungsgericht hätte - und damit wird offenbar eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend gemacht - den Willen der Parteien durch Einvernahme der an der Generalversammlung beteiligten Personen erforschen müssen.

Die Richtigkeit der Bilanz kann einer Erörterung nicht mehr unterzogen werden, da die Bilanz von allen Gesellschaftern genehmigt und somit anerkannt wurde. Zwingende Gesetzesvorschriften wurden nach dem Vorbringen der Parteien nicht verletzt. Mit der Genehmigung der Bilanz erwächst der Anspruch der Gesellschafter auf den Reingewinn. Es steht zwar außer Streit, dass der Gesellschaftsvertrag die Verteilung des Reingewinns nicht ausschließt, aber auch, dass es darin an einer Bestimmung fehlt, die die Verteilung des Reingewinns gemäß § 35 Z 1 Ges.m.b.H.Ges. der Beschlussfassung der Gesellschafter vorbehalten würde. In den Gewinn ist auch der Gewinnvortrag der vergangenen Jahre einzubeziehen. Dieser stellt nichts anderes als eine Reserve dar, die in den folgenden Jahren wieder einen Teil des Reingewinns bildet. Die beklagte Partei stützt sich im Revisionsverfahren darauf, dass die klagende Partei die Bildung einer Rücklage durch Zurückbehaltung eines Teils des Reingewinns zugestanden habe. Jeder Abstimmung liegt eine einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung des einzelnen Gesellschafters zugrunde. Die Beurteilung dieser Willenserklärungen hat nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu erfolgen. Grundsätze, die in den Prozessgesetzen enthalten sind, wie etwa die Bestimmung des § 12 (3) JN können hiebei nicht ohne weiters angewendet werden. Der Antrag der klagenden Partei, einen Betrag von 100.000 S auszuschütten, enthält zwar auch die Zustimmung zur Verwendung des Mehrbetrags für die Bildung einer Rücklage. Beide Teile dieses Antrags können jedoch nicht voneinander getrennt werden. Die klagende Partei hat vielmehr das Hauptgewicht auf die Ausschüttung eines Reingewinns von 50.000 S an sie gelegt. Da dieser Antrag abgelehnt wurde, ist auch die Zustimmung zur Verwendung des den Betrag von 100.000 S übersteigenden Reingewinns hinfällig. Es widerspricht auch nicht den guten Sitten, dass die klagende Partei nunmehr den auf § 82 des Ges.m.b.H.Gesetzes gestützten Anspruch geltend macht. Die beklagte Partei kann sich auf eine Gewohnheit, dass in den vergangenen Jahren ein Teil des Reingewinns zurückbehalten wurde, nicht berufen, wenn die Statuten hierüber nichts anordnen. Es bestand für das Berufungsgericht kein Anlass, den Willen der Parteien in der Versammlung vom 25. 10. 1948 zu erforschen, da sich von den Parteien niemand darauf berufen hat, dass der Wille der Gesellschafter nicht aus den in dem Protokoll über die Versammlung niedergelegten Erklärungen erkennbar sei.

Auf die Einwendung der beklagten Partei, dass das von der Nebenintervenientin gegen die beklagte Partei eingeleitete Rückstellungsverfahren der Geltendmachung des Klagsanspruchs entgegenstehe, wird in der Revisionsbeantwortung kein Gewicht mehr gelegt. Das Rückstellungsverfahren hindert die Geltendmachung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei nicht. Es muss dem Rückstellungswerber überlassen bleiben, die zur Sicherung seiner Ansprüche erforderlichen Anträge gegen die Entzieher zu stellen.

Der klagenden Partei steht daher der Anspruch auf Bezahlung des halben Gewinns abzüglich der geleisteten Zahlungen zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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