Normen
Auswertung in Arbeit!
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023050262.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen einen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde G. vom 16. September 2022, mit dem seine Berufungen vom 26. April 2022 und vom 27. April 2022 gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde G. vom 8. April 2022, mit welchem der Mitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung zur Durchführung näher genannter baulicher Änderungen auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG G. erteilt worden war, mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen worden waren, als unbegründet abgewiesen und der Revisionswerber „hinsichtlich seiner zivilrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit der Verschmutzung seiner Liegenschaft auf den Zivilrechtsweg verwiesen“ (1.). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG wurde für unzulässig erklärt (2.).
2 Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber sei Eigentümer eines Grundstückes, welches vom Baugrundstück weniger als 14 m entfernt sei und welches die Widmung „Grünland Land‑ und Forstwirtschaft“ aufweise. Auf seinem Grundstück befänden sich keine bewilligten oder angezeigten Bauwerke. Dem Revisionswerber sei für sein Grundstück keine Baubewilligung für ein Gebäude mit Aufenthaltsräumen erteilt worden; vielmehr ziehe er auf seinem Grundstück Weinstöcke.
3 Der Revisionswerber moniere in seinen Einwendungen gegen das Bauvorhaben fehlende Angaben zur Lagerung von Betriebsmitteln für einen Aggregatscontainer für die Stromversorgung; daraus würden sich seinem Vorbringen nach zahlreiche Gefahren im Zusammenhang mit dem Brandschutz ergeben. Seine Sorge gelte dabei explizit seinen Weinstöcken. Weiters verweise der Revisionswerber auf fehlende Angaben zur Bauausführung im Zusammenhang mit dem Brand- und Schallschutz im Hinblick auf den Betrieb eines Stromgenerators und im Zusammenhang mit der Nutzung des Gebäudes durch Gäste der von der Mitbeteiligten betriebenen Buschenschank. Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) würden subjektiv-öffentliche Rechte unter anderem durch jene Bestimmungen der NÖ BO 2014 und des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 begründet, welche die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der bewilligten oder angezeigten Bauwerke der Nachbarn gewährleisteten. Den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zufolge verfüge der Revisionswerber auf seinem Grundstück weder über bewilligte noch über angezeigte Bauwerke, sodass eine Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten in Bezug auf Standsicherheit, Trockenheit oder Brandschutz von vornherein nicht möglich sei.
4 Eigentümer von Grundstücken im Grünland, die im Sinne des § 6 Abs. 1 NÖ BO 2014 an das Baugrundstück angrenzten, hätten gemäß § 6 Abs. 5 NÖ BO 2014 weiters keine Parteistellung hinsichtlich des Abs. 2 Z 2 und 3 leg. cit., wenn für diese Grundstücke noch keine Baubewilligung für ein Gebäude mit Aufenthaltsräumen erteilt worden sei. Eine solche Baubewilligung sei dem Revisionswerber den Feststellungen zufolge nicht erteilt worden. Es bestehe daher ex lege keine Parteistellung in Bezug auf den in Abs. 2 Z 2 vorgesehenen Emissionsschutz und den in Abs. 2 Z 3 vorgesehenen Schutz einer ausreichenden Belichtung.
5 Da Nachbarn in Bezug auf das Orts- und Landschaftsbild kein Mitspracherecht zukomme, habe der Revisionswerber, wie er in seinen Einwendungen selbst zugestehe, mit seinem diesbezüglichen Vorbringen darüber hinaus keine Verletzung in subjektiv‑öffentlichen Rechten aufzeigen können. Mit der Geltendmachung einer Verschmutzung seiner Liegenschaft durch Gäste der Mitbeteiligten mache er ebenfalls kein subjektiv‑öffentliches Nachbarrecht geltend; etwaige zivilrechtliche Ansprüche seien nicht im Verwaltungsverfahren zu klären. Hinsichtlich dieser privatrechtlichen Einwendung sei der Revisionswerber daher auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen.
6 Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung führte das LVwG aus, im vorliegenden Fall sei der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht strittig und die vom Revisionswerber beantragten Einvernahmen zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts seien nicht erforderlich gewesen. Nicht allein auf Grund des Umstandes, dass eine Angelegenheit „civil rights“ im Sinn des Art. 6 EMRK betreffe, sei jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen. In der Beschwerde sei der von der Behörde angenommene Sachverhalt (soweit relevant) nicht bestritten worden, es seien keine substantiierten Tatsachenbehauptungen erhoben worden und auch die Beweiswürdigung der Behörde sei nicht in Frage gestellt worden. Da sich das LVwG auf bestehende Rechtsprechung und eine eindeutige Rechtslage zur Parteistellung von Nachbarn im Bauverfahren und zum Einwendungsausschluss nach § 6 Abs. 2 NÖ BO 2014 stütze, sei auch keine übermäßig komplexe Rechtsfrage zu klären gewesen, sodass eine Verhandlung nicht geboten gewesen sei (Verweis auf VwGH 20.1.2022, Ra 2019/05/0244).
7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das LVwG habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Revisionswerber sei Nachbar im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 NÖ BO 2014 und genieße „in Bezug auf den Brandschutz bzw die geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechte gemäß § 6 Abs 2 Z 1 NÖ Bauordnung 2014“ unstrittig Parteistellung. Die Feststellungen des LVwG, auf dem Grundstück des Revisionswerbers befänden sich keine Bauwerke, bzw. es gäbe keine Baubewilligung betreffend die Liegenschaft, verstießen „gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“. Das LVwG hätte „die Beschwerdevorbringen“ des Revisionswerbers näher prüfen müssen; somit liege keine Frage vor, die nicht übermäßig komplex sei, weshalb gemäß Art. 6 EMRK die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen sei.
8 Der Revisionswerber habe weiters in Bezug auf den Fachbereich Agrartechnik Einwendungen samt detailliertem Vorbringen erstattet und hierzu ein Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen vorgelegt, in welchem sich dieser „mit den Mangelhaftigkeiten und Unschlüssigkeiten“ des agrartechnischen Gutachtens auseinandergesetzt habe. Das LVwG wäre verpflichtet gewesen, sich mit diesen der Sachverhaltsfrage zuzurechnenden Einwendungen in einer Verhandlung auseinanderzusetzen.
9 Darüber hinaus liege eine grundsätzliche Rechtsfrage vor, „weil die belangte Behörde das falsche Verfahren angewendet hat und sowohl diese als auch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Revisionswerber keine Parteistellung gewährt“ habe. Die Mängel des Anbringens machten es nicht möglich, die Parteistellung des Revisionswerbers abschließend zu beurteilen. Sowohl die belangte Behörde als auch das LVwG gingen von einer fehlenden Parteistellung des Revisionswerbers aus und gingen nicht weiter „auf seine Vorbringen“ ein. „In diesen Vorbringen“ sei „unter anderem die Mangelhaftigkeit des Antrags, sowie der Durchführung des falschen Verfahrens ausgeführt, weil es sich beim gegenständlichen Vorhaben entgegen den Antragsunterlagen nicht tatsächlich um einen Buschenschank“ handle.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa VwGH 27.10.2023, Ra 2023/06/0164, mwN).
15 Zum behaupteten Verstoß gegen die Verhandlungspflicht:
16 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes‑ oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
17 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einer Reihe von Entscheidungen mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann und keine übermäßig komplexen Rechtsfragen zu lösen sind (vgl. dazu etwa VwGH 7.2.2018, Ra 2017/03/0101, mwH auf EGMR 18.7.2013, Schädler‑Eberle/Liechtenstein und EGMR 20.12.2016, Sagvolden/Norwegen; vgl. zum Ganzen nochmals etwa VwGH 27.10.2023, Ra 2023/06/0164, mwN; vgl. auch z.B. VwGH 20.1.2022, Ra 2019/05/0244, mwN).
18 Fallbezogen begründete das LVwG das Unterbleiben der vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen damit, dass der von der Behörde angenommene Sachverhalt, soweit relevant, nicht bestritten worden sei, keine substantiierten Tatsachenbehauptungen erhoben worden seien und die Beweiswürdigung der Behörde nicht in Frage gestellt worden sei. Das LVwG habe sich auf eine eindeutige Rechtslage zur Parteistellung von Nachbarn im Bauverfahren und zum Einwendungsausschluss nach § 6 Abs. 2 NÖ BO 2014 stützen können, weshalb keine übermäßig komplexe Rechtsfrage zu klären gewesen sei.
19 Die Revision führt in ihrer ‑ wie dargestellt allein maßgeblichen ‑ Zulässigkeitsbegründung nicht aus, inwiefern entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis nach den oben dargestellten Grundsätzen in Bezug auf die hier allein relevante Frage der Parteistellung des Revisionswerbers im Bauverfahren der Mitbeteiligten dennoch eine Verletzung der Verhandlungspflicht vorliegen sollte. Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision erschöpft sich in der Wiedergabe pauschaler Rechtssätze zum Thema Verhandlungspflicht, stellt aber insbesondere nicht dar, aufgrund welcher vom Revisionswerber konkret und rechtzeitig erhobener Einwendungen ihm entgegen der Beurteilung des LVwG Parteistellung in dem in Rede stehenden Bauverfahren zuzugestehen gewesen und inwiefern dazu eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre. Den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis, der Revisionswerber verfüge auf seinem Grundstück im Grünland über keine bewilligten oder angezeigten Bauwerke (vgl. § 6 Abs. 2 Z 1 NÖ BO 2014) und es sei ihm auch keine Baubewilligung für ein Gebäude mit Aufenthaltsräumen erteilt worden (vgl. § 6 Abs. 5 leg. cit.), wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nichts annähernd Konkretes entgegengehalten. Auch mit dem allgemeinen Zulässigkeitsvorbringen, das LVwG hätte „die Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers näher prüfen müssen“, wird nicht dargetan, dass und aus welchem Grund es sich gegenständlich um eine im Sinne der genannten Rechtsprechung komplexe Rechtsfrage handle, zu welcher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung geboten gewesen wäre.
20 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit weiters Verfahrensmängel im Zusammenhang mit einem eingeholten agrartechnischen Gutachten sowie mit der Behauptung geltend macht, es sei „das falsche Verfahren angewendet worden“, ist dazu zu bemerken, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukommen kann, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen oder die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. VwGH 27.10.2023, Ra 2023/05/0039, mwN). Derartiges ist den Zulässigkeitsgründen der vorliegenden Revision nicht zu entnehmen; insbesondere erschließt sich aus dem genannten Vorbringen auch nicht, auf welches dem Revisionswerber als Nachbar des Bauvorhabens zukommende subjektiv‑öffentliche Recht damit Bezug genommen werden soll und inwiefern dem LVwG im Zusammenhang mit den geltend gemachten Fragen konkret eine unvertretbare Beurteilung im Zusammenhang mit der hier relevanten Frage der Parteistellung des Revisionswerbers unterlaufen sein sollte.
21 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
22 Die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG entfallen.
Wien, am 18. Jänner 2024
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
