European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023200520.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der im Jahr 1998 geborene Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 29. Oktober 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 29. November 2022 hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte mit der Gültigkeit für ein Jahr.
3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber wendet sich in der Begründung für die Zulässigkeit der Revision gegen die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, er habe im Herkunftsstaat keine asylrechtlich relevante Verfolgung wegen des bisherigen Nichtableistens des Wehrdienstes zu befürchten.
8 Die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, ist eine Entscheidung im Einzelfall, die grundsätzlich ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel ist. Dem Revisionswerber muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 13.6.2023, Ra 2023/20/0195, mwN sowie mit dem Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellt, sondern nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen kann).
9 Das Bundesverwaltungsgericht ging ‑ gestützt auf die in der Revision unbestritten gebliebenen ‑ Feststellungen zur Lage in Syrien [sh. angefochtenes Erkenntnis S. 35f: „Das syrische Militärdienstgesetz erlaubt es syrischen Männern und registrierten Palästinensern aus Syrien im Militärdienstalter (18‑42 Jahre) und mit Wohnsitz im Ausland, eine Gebühr (‚badal an‑naqdi‘) zu entrichten, um von der Wehrpflicht befreit und nicht wieder einberufen zu werden.“ sowie S. 41 unter der Überschrift „ ‚Versöhnungsabkommen‘ und Rückkehr von Wehrpflichtigen“: „Wer die Befreiungsgebühr entrichtet hat und offiziell vom Wehrdienst befreit ist, wird nicht eingezogen“] davon aus, dass der Revisionswerber, der seit seinem 13. Lebensjahr nicht mehr in Syrien lebe und den dortigen Wehrdienst noch nicht abgeleistet habe, sich von der Verpflichtung zum Wehrdienst durch Leistung einer Befreiungsgebühr freikaufen könne. Das Verlangen des Herkunftsstaates nach einer solchen Leistung ist aber angesichts der festgestellten Kosten nicht als Verfolgung einzustufen (vgl. VwGH 28.3.2023, Ra 2023/20/0027).
10 Dem wird in der Revision nichts Taugliches entgegengesetzt.
11 Zudem ergibt sich aus den Feststellungen ‑ entgegen den Behauptungen des Revisionswerbers ‑ gerade kein Automatismus, dass jedem im Ausland lebenden Syrer, der seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hat, im Herkunftsstaat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt und deswegen eine unverhältnismäßige Bestrafung drohen würde. Danach wird Wehrdienstverweigerung nämlich, auch wenn Wehrdienstverweigerer zuweilen „inoffiziell als Verräter gesehen werden“, „da sie sich ins Ausland gerettet haben, statt ‚ihr Land zu verteidigen‘, ... nicht unbedingt als oppositionsnahe gesehen. Das syrische Regime ist sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land verlassen haben, einfach um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich frei zu kaufen, damit die Regierung zumindest Geld in dieser Situation einnehmen kann.“ (sh. angefochtenes Erkenntnis S 39).
12 Dass fallbezogen aber individuelle auf den Revisionswerber bezogene Gründe vorhanden wären, wonach die Annahme gerechtfertigt wäre, er werde, weil er bislang seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hat, im Herkunftsstaat aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund verfolgt, wird von ihm nicht dargetan.
13 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 8. November 2023
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