European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2023080005.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der Österreichischen Gesundheitskasse Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Am 31. Jänner 2017 wurde über das Vermögen des Revisionswerbers das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Von zwei Gebietskrankenkassen wurden in diesem Verfahren Forderungen in der Höhe von insgesamt € 64.838,10 angemeldet, die sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach anerkannt wurden.
2 Der Revisionswerber bot einen Zahlungsplan an, der mit 1. September 2017 angenommen und rechtskräftig bestätigt wurde. Er sah vor, dass der Revisionswerber innerhalb von sieben Jahren in 14 halbjährlichen Teilquoten eine Quote von 13% auf sämtliche angemeldeten Forderungen bezahlen würde. Die Frist zur Bezahlung der Masseforderungen betrug drei Jahre gerechnet ab dem Datum der Annahme des Zahlungsplanes.
3 Diese Frist wurde vom Revisionswerber nicht eingehalten. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 1. Oktober 2020 wurde der Revisionswerber aufgefordert, die Masseforderungen zu bezahlen. Der Beschluss wurde an zwei laut Vorbringen des Revisionswerbers nicht mehr aktuellen Adressen zur Abholung hinterlegt und nicht abgeholt. Nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts wurde er außerdem mit Edikt öffentlich bekannt gemacht.
4 Das Bezirksgericht Josefstadt erklärte dann mit Beschluss vom 10. November 2020 gemäß § 196 Abs. 2 IO den Zahlungsplan für nichtig und führte dazu aus, dass der Revisionswerber die Masseforderungen nicht fristgerecht bezahlt habe, mit Beschluss vom 1. Oktober 2020 unter Nachfristsetzung und Hinweis auf die Säumnisfolgen gemahnt worden sei und dennoch keine Zahlungen nachgewiesen habe. Der Beschluss wurde an denselben Adressen wie die Mahnung hinterlegt und nicht abgeholt. Darüber hinaus wurde dieser Beschluss ediktal veröffentlicht. Dem Revisionswerber gelangte der Beschluss nach seinem Vorbringen erst gegen Ende Dezember 2020 zur Kenntnis. Der daraufhin von ihm erhobene Rekurs wurde als verfristet zurückgewiesen; der dagegen an den Obersten Gerichtshof erhobene außerordentliche Revisionsrekurs wurde mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen (OGH 25.6.2021, 8 Ob 78/21k).
5 Am 9. Dezember 2020 brachte die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) als Rechtsnachfolgerin der beiden Gläubiger-Gebietskrankenkassen beim Bezirksgericht Leopoldstadt einen Exekutionsantrag ein, der mit Beschluss vom 14. Dezember 2020 bewilligt wurde. Der Revisionswerber stellte am 15. September 2021 einen auf § 3 Abs. 2 VVG gestützten Oppositionsantrag an die ÖGK. Er begründete diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass Nichtigkeit des Zahlungsplans nicht vorliege, weil ihm die Mahnung bezüglich der Masseforderungen nicht wirksam zugestellt worden sei. Der Beschluss über die Nichtigerklärung des Zahlungsplans habe nur deklarative Wirkung und stehe einer Überprüfung der Nichtigkeit im Wege des Oppositionsantrags nicht entgegen.
6 Mit Bescheid vom 18. August 2022 wies die ÖGK den Oppositionsantrag gemäß § 3 Abs. 2 VVG iVm § 35 EO ab. Die Einwendungen gegen den Titel im Hinblick auf den aufrechten Bestand des rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans gingen ins Leere, da die Begünstigungen des Zahlungsplans gemäß § 196 Abs. 2 IO weggefallen seien, was mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 10. November 2020 festgestellt worden sei.
7 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu deren Begründung der Revisionswerber im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Oppositionsantrag wiederholte, wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen.
8 In seiner rechtlichen Beurteilung erklärte das Bundesverwaltungsgericht, dass für die Aufforderung, die Masseforderung binnen einer mindestens vierwöchigen Nachfrist zu zahlen, in § 196 Abs. 2 IO keine bestimmte Art der Zustellung vorgesehen sei. In seinem den gegenständlichen Fall unmittelbar betreffenden Beschluss vom 25.6.2021, 8 Ob 78/21k, sei der Oberste Gerichtshof davon ausgegangen, dass der Zahlungsplan bei Nichtzahlung der Masseforderungen trotz Nachfristsetzung im Wege eines öffentlichen Anschlags (Edikt) ex lege nichtig sei. Die Ausführungen des Revisionswerbers in der Beschwerde gingen einerseits an der Rechtslage und andererseits an der Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorbei. Aus beiden Quellen lasse sich ein Hinweis auf das vom Revisionswerber behauptete Erfordernis einer postalischen Zustellung nicht ableiten.
9 Anlassbezogen stehe zwischen den Parteien des gegenständlichen Verfahrens außer Streit, dass der Beschluss mit der Aufforderung zur Zahlung der Masseforderungen innerhalb angemessener Nachfrist und der Beschluss betreffend die Feststellung der Nichtigkeit infolge Nichtbegleichung der Massekosten per Edikt öffentlich kundgemacht worden seien. Damit sei einerseits die Aufforderung zur Zahlung der Masseforderungen, andererseits der Beschluss über die Feststellung der Nichtigkeit infolge Nichtbegleichung der Masseforderungen für den Revisionswerber abrufbar und bei der ihm zuzutrauenden nötigen Aufmerksamkeit jedenfalls leicht erkennbar gewesen. Dem Revisionswerber, dem überdies für die gesamte Dauer des Schuldenregulierungsverfahrens ein Masseverwalter „zur Seite gestellt“ gewesen sei, hätten die Folgen, die mit der Säumnis bei der Zahlung der Masseforderungen verbunden seien, jedenfalls bekannt sein müssen, was ihn dazu veranlassen hätte müssen, alles zur Vermeidung einer Säumnis zu unternehmen. Schon der Umstand der an ihn ergangenen Mahnung mit der (fruchtlos gebliebenen) Nachfristsetzung und der in der Folge vom Bezirksgericht Josefstadt am 10. November 2020 erlassene Beschluss, worin die Nichtigkeit des Zahlungsplans festgestellt worden sei, legten ein Zeugnis für ein dem Revisionswerber zuzurechnendes „Organisationsverschulden“ ab, das im Wesentlichen in einem völligen Versagen der Zahlungsüberwachung eines Teils seines Zahlungsplans bestehe, nämlich der eigenen Säumnis bei der Zahlung der Masseforderungen. Während dem Revisionswerber seine Säumnis jedenfalls vorzuwerfen sei, könne es dem Bezirksgericht Josefstadt als Insolvenzgericht nicht zum Vorwurf gereichen, wenn die Aufforderung zur Zahlung der Masseforderungen in einer bestimmten Nachfrist postalisch nicht an die richtige Adresse des Revisionswerbers zugestellt worden sei, zumal im gegenständlichen Fall zeitgleich eine Zustellung mittels Edikts erfolgt sei und es nach Auffassung des OGH im Fall des § 196 Abs. 2 IO ausschließlich auf diese Art der Zustellung ankomme.
10 Zusammengefasst sei für den Revisionswerber aus seinem Argument, dass infolge (postalischer) Zustellung des Aufforderungsschreibens nach § 196 Abs. 2 IO an eine Adresse, an der er zum Zeitpunkt der Zustellung nicht mehr gewohnt habe, nichts zu gewinnen, zumal dieses Schreiben auch mittels öffentlichen Anschlags bekannt gemacht worden sei. Abgesehen von dem ihm vorzuwerfenden Verschulden bei der Überwachung der eigenen Zahlungsverpflichtung gereiche dem Revisionswerber zum Vorwurf, die während des laufenden Insolvenzverfahrens stattgehabte Veränderung seines Hauptwohnsitzes dem Insolvenzgericht nicht bekannt gegeben zu haben und bei dem für ihn zuständig gewesenen „Postamt“ auf die „Hinterlassung“ eines Nachsendeauftrages verzichtet zu haben.
11 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei, weil eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage fehle, auf welche Weise eine Aufforderung bei Säumnis mit der Zahlung der Masseforderungen gemäß § 196 Abs. 2 IO zur Kenntnis zu bringen sei, um die in dieser Bestimmung vorgesehenen Rechtsfolgen betreffend die Nichtigkeit des Zahlungsplans auszulösen.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. etwa VwGH 11.5.2017, Ro 2016/21/0022, mwN). Auf eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht bei der Zulassung der ordentlichen Revision als grundsätzlich angesehen hat, ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht einzugehen, wenn diese Rechtsfrage in der Revision nicht angesprochen wird (vgl. VwGH 22.2.2023, Ro 2022/14/0001, mwN).
15 In der vorliegenden Revision wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG darauf verwiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht selbst die Zulässigkeit der Revision ausgesprochen habe. Dies habe es damit begründet, dass keinerlei höchstgerichtliche Judikatur zur entscheidungswesentlichen Frage existiere, ob der Beschluss, mit welchem ein Gericht ausspreche, dass ein Zahlungsplan nichtig ist, rechtsgestaltender Natur sei, sodass im Falle seiner Rechtskraft keinerlei weitere Möglichkeiten bestünden, gegen diesen (gemeint: gegen die darin festgestellte Nichtigkeit) vorzugehen, oder aber ob dieser Beschluss gleich einem Beschluss über die Klagsrücknahme nur deklarativer Natur sei, sohin der Information der betroffenen Personen diene, nicht aber die zu beurteilende Frage ein für allemal (mit bindender Wirkung) entscheide.
16 Die dargestellte Rechtsfrage ist aber nicht jene, mit der das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit der Revision begründet hat. Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung vielmehr ‑ wenn auch nur implizit ‑ davon ausgegangen, dass diese Frage ohnedies im Sinn des Revisionswerbers zu beantworten sei. Es hat sich nämlich offenkundig nicht an die rechtskräftige Feststellung der Nichtigkeit des Sanierungsplans gebunden erachtet, sondern ‑ wie oben wiedergegeben ‑ eigenständig das Vorliegen der Voraussetzungen der Nichtigkeit geprüft. Dabei hat es die von ihm festgestellte Bekanntmachung der in § 196 Abs. 2 IO geforderten Zahlungserinnerung per Edikt als ausreichend und eine wirksame postalische Zustellung als nicht notwendig angesehen. Zur Klärung der Frage, ob diese Auslegung richtig sei, hat das Bundesverwaltungsgericht die ordentliche Revision für zulässig erklärt. Auf diese Frage kommt die Revision allerdings ‑ auch in den Revisionsgründen ‑ nicht zurück. Vielmehr wird ausdrücklich erklärt, die „einzige noch verbleibende Rechtsfrage“ in diesem Zusammenhang sei, wie der Inhalt des Nichtigkeitsbeschlusses zu interpretieren sei und insbesondere, wie die Rechtsfolgen des (rechtskräftigen) Beschlusses wirkten. In dieser Frage vertritt der Revisionswerber aber keinen vom angefochtenen Erkenntnis abweichenden Standpunkt, sodass nicht aufgezeigt wird, inwiefern das rechtliche Schicksal der Revision von ihrer Lösung abhängt.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ‑ nach Durchführung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die ÖGK ‑ gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Schriftsatzaufwand, soweit er über den in § 1 Z 2 lit. a dieser Verordnung angeführten Pauschalbetrag hinausgeht.
Wien, am 18. April 2023
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