VwGH Ra 2023/01/0351

VwGHRa 2023/01/035119.12.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des H C, in L, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2023, Zl. L525 2233771‑2/22E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023010351.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ der Antrag des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Türkei zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt, gegen den Revisionswerber ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

2 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) aus, gegen den Revisionswerber ‑ der nach Eingehen einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ab 2018 über einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ verfügt habe ‑ seien bereits mit rechtskräftigem Erkenntnis des BVwG vom 14. September 2020 in der Sache eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen worden.

3 Am 14. Oktober 2020 sei er in Schubhaft genommen worden, und er habe einen Tag später den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

4 Mit Urteil des Bezirksgerichts Perg vom 2. Juli 2021 sei der Revisionswerber wegen des Vergehens des Eingehens einer Aufenthaltsehe zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die Ehe mit der österreichischen Staatsangehörigen sei ‑ nach einer von der Staatsanwaltschaft Linz eingebrachten Ehenichtigkeitsklage ‑ zwischenzeitig rechtskräftig geschieden.

5 Das dem gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz zu Grunde liegende Fluchtvorbringen des Revisionswerbers (Verfolgung wegen Aktivitäten für die „Gülen“‑Bewegung“) sei nicht glaubhaft.

6 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 21. September 2023, E 1903/2023‑7, die Behandlung der vom Revisionswerber gegen das angefochtene Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP  16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 30.3.2022, Ra 2021/01/0281, mwN).

12 Die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, hat nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass die Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 23.2.2022, Ra 2022/01/0025, mwN).

13 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0330‑0331, mwN).

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. etwa VwGH 18.6.2020, Ra 2020/01/0162, mwN).

15 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2023

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