Normen
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6
NAG 2005 §54 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §39 Abs2 Z6
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022220037.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 8. Februar 2021 wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines nordmazedonischen Staatsangehörigen, vom 20. Jänner 2020 auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte zurückgewiesen und festgestellt, dass der Revisionswerber nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts falle. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Revisionswerber habe sich bei seinem Antrag auf die am 6. August 2018 mit der bulgarischen Staatsangehörigen D.Y. geschlossene Ehe berufen. Die Ehe sei nur deshalb eingegangen worden, damit der Revisionswerber in den Genuss einer Aufenthaltskarte komme, weshalb er nicht in den Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) falle.
2 Das Verwaltungsgericht Wien wies die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit dem angefochtenen Erkenntnis ‑ mit einer vorliegend nicht relevanten Maßgabe ‑ als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für unzulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe am 6. August 2018 die (20 Jahre jüngere) bulgarische Staatsangehörige D.Y. geheiratet. Ein eheliches Zusammenleben mit gemeinsamer Haushaltsführung sowie Freizeit‑ und Urlaubsgestaltung sei jedoch nicht gepflogen worden. Der Revisionswerber und D.Y. hätten getrennt in verschiedenen Bundesländern gelebt. Die Ehe sei ausschließlich zu dem Zweck eingegangen worden, dem Revisionswerber die Dokumentation eines Aufenthaltsrechts in Form der beantragten Aufenthaltskarte für Österreich zu vermitteln, um ihm den Zuzug zu seinen hier lebenden Verwandten zu ermöglichen.
4 In seiner Beweiswürdigung stützte sich das Verwaltungsgericht insbesondere auf den durch Befragung des Revisionswerbers und der D.Y. in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck sowie die Aussagen weiterer Zeugen. Das Verwaltungsgericht verwies darauf, dass die Angaben aller befragten Personen sehr vage und ungenau gewesen seien, häufiger Rückfragen bedurft hätten und die Widersprüche aus dem gesamten Verfahren nicht hätten widerlegen oder entkräften können. So seien Details wie Namen aus dem Verwandtenkreis nicht bekannt gewesen, Treffen, Aktivitäten und Umstände des gemeinsam Erlebten unterschiedlich beschrieben und realistische Pläne über eine gemeinsame Zukunft des Zusammenlebens nicht überzeugend dargelegt worden. Auch eine Einbindung der D.Y. in den unmittelbaren Familienkreis des Revisionswerbers sei nicht erkennbar gewesen. Zudem hätten der Revisionswerber und D.Y. keine mit der Realität übereinstimmenden Angaben gemacht (etwa hinsichtlich eines geplanten, gemeinsam geführten Haushaltes). D.Y habe angegeben, dass der Revisionswerber noch nie in ihrer Wohnung im Burgenland übernachtet habe und dass sie selbst, als ihre Tochter (aus erster Ehe) in Wien zu Besuch gewesen sei, diese Woche nicht bei bzw. mit dem Revisionswerber verbracht habe. Eher ausweichend bzw. ungenau seien auch die Angaben im Zusammenhang mit dem Geburtstag der Schwiegermutter des Revisionswerbers bzw. die Angaben zum Besuch der Tochter und der Enkelin des Revisionswerbers aus Deutschland gewesen.
Auch die beantragten Zeugen hätten den Eindruck eines nicht bestehenden Ehelebens nicht glaubwürdig entkräften können. Die Zeugenaussagen des Bruders des Revisionswerbers sowie der Ehefrau des Bruders hätten sehr deutlich nahegelegt, dass sich alle Beteiligten nicht hinreichend abgesprochen hätten und die beschriebenen gemeinsamen Aktivitäten allenfalls als Gefälligkeit zur Aufrechterhaltung des Scheins einer Ehe zwischen dem Revisionswerber und D.Y. unternommen worden seien.
5 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber könne sich nicht auf eine Ehe berufen, die er lediglich zum Zweck der Erlangung der Dokumentation eines Aufenthaltsrechts eingegangen sei. Werde kein gemeinsames Familienleben bezweckt oder geführt, sodass nur ein formales Band der Ehe vorliege, könne der Revisionswerber daraus keine aufenthaltsrechtlichen Wirkungen zu seinen Gunsten ableiten. Es liege somit eine Aufenthaltsehe vor. Die belangte Behörde habe daher den Antrag des Revisionswerbers zu Recht ‑ gemeinsam mit der Feststellung des fehlenden Anwendungsbereichs des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gemäß § 54 Abs. 7 NAG ‑ zurückgewiesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Soweit in der Revision unter dem Punkt „Zur Zulässigkeit nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG“ die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Nichtzulassung der Revision wiedergegeben wird, genügt der Hinweis, dass damit schon von vornherein keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt wird (vgl. VwGH 27.9.2022, Ra 2022/22/0138, Rn. 6).
9 Aber auch mit dem weiteren Revisionsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe nur sehr allgemeine Feststellungen zur Unglaubwürdigkeit der Zeugen bzw. zu den Aussagen des Bruders des Revisionswerbers sowie der Ehefrau des Bruders getroffen, und es habe die Aussage von D.Y., die die Gründe des nicht gemeinsamen Wohnens, das geplante Zusammenziehen nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Pflegeassistentin sowie die wöchentlichen Besuche des Revisionswerbers im Burgenland detailliert dargelegt habe und umfassend über die Lungenprobleme und die berufliche Ausbildung des Revisionswerbers informiert gewesen sei, seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt bzw. nicht entsprechend gewürdigt, wird keine Zulässigkeit der Revision aufgezeigt.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG im Zusammenhang mit der Überprüfung der Beweiswürdigung nämlich nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. erneut VwGH Ra 2022/22/0138, Rn. 8, mwN). Eine derartige vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, die ‑ wenn auch in knapper Darstellung ‑ unter Heranziehung einer Mehrzahl von Aspekten und unter Bedachtnahme auf den in der mündlichen Verhandlung vom Revisionswerber und seiner Ehefrau gewonnenen persönlichen Eindruck erfolgt ist, wird mit dem dargestellten Revisionsvorbringen nicht aufgezeigt.
11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
12 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht ‑ ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinn des Art. 47 GRC ‑ eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat und somit weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC der Abstandnahme von einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegenstehen (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/22/0100, Rn. 21, mwN).
Wien, am 14. März 2023
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