European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022190317.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 29. September 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, ihm drohe bei einer Rückkehr die Todesstrafe, weil er sich dem Militärdienst entzogen habe.
2 Mit Bescheid vom 31. Mai 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit Ermittlungs- und Feststellungsmängel geltend und bringt vor, das BVwG habe sich nur unzureichend mit der Herkunftsregion des Revisionswerbers auseinandergesetzt. Da der Revisionswerber stärkere Bindungen zu Damaskus als zu dem vom BVwG angenommenen Herkunftsort Al Busayrah habe und Damaskus auch nicht freiwillig verlassen habe, hätte das BVwG bei Vornahme entsprechender Ermittlungen in Übereinstimmung mit näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Damaskus als Herkunftsregion feststellen müssen. Entsprechend den im Erkenntnis getroffenen Feststellungen, wonach der Revisionswerber im wehrdienstfähigem Alter sei, seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet habe und davon auch nicht befreit sei, hätte das BVwG feststellen müssen, dass dem Revisionswerber in Damaskus asylrelevante Verfolgung drohe.
8 Die Bestimmung der Heimatregion des Asylwerbers ist Grundlage für die Prüfung, ob dem Asylwerber dort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht und ob ihm ‑ sollte dies der Fall sein ‑ im Herkunftsstaat außerhalb der Heimatregion eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht (vgl. VwGH 25.8.2022, Ra 2021/19/0442, mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits dargelegt, dass zur Bestimmung der Heimatregion der Frage maßgebliche Bedeutung zukommt, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (vgl. erneut VwGH 25.8.2022, Ra 2021/19/0442; VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0192).
10 Zur Beantwortung der Frage, wo sich die Heimatregion des Asylwerbers befindet, bedarf es somit einer Auseinandersetzung damit, welche Bindungen der Asylwerber zu den in Betracht kommenden Städten ‑ etwa in Hinblick auf familiäre und sonstige soziale Kontakte und örtliche Kenntnisse ‑ aufweist (vgl. erneut VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0192).
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 14.11.2022, Ra 2022/19/0206, mwN).
12 Das BVwG stellte fest, dass der Revisionswerber zwar in Damaskus geboren, jedoch im Jahr 2012 in das Dorf Al Busayrah in der syrischen Provinz Deir Ez‑Zour gezogen sei. Dort habe er, bis auf das Jahr 2015, in welchem er sechs Monate in Damaskus studiert habe, bis zu seiner Ausreise 2021 gelebt und seinen Lebensunterhalt als Taxifahrer verdient. Im Jahr 2017 habe er in Al Busayrah seine nunmehrige Ehefrau geheiratet, mit welcher er drei Kinder habe, die allesamt ‑ ebenso wie der Vater, zwei Brüder und sechs Schwestern des Revisionswerbers ‑ nach wie vor in Al Busayrah leben würden. Heimatregion des Revisionswerbers sei Deir Ez‑Zour, Herkunftsort Al Busayrah. Das BVwG begründete diese Feststellungen mit den glaubhaften Angaben des Revisionswerbers im Verfahren vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zu seinem Geburtsort, seinem späteren Wohnort, sowie seiner Studien- und Erwerbstätigkeit. Dieser Begründung tritt die Revision nicht entgegen. Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen auch nicht auf, dass das BVwG im Hinblick auf die Angaben des Revisionswerbers zu seinem Herkunftsort zu weiteren Ermittlungen gehalten gewesen wäre.
13 Vor diesem Hintergrund ist es fallbezogen nicht zu beanstanden, dass das BVwG Al Busayrah als Heimatort des Revisionswerbers annahm und der Prüfung des Antrages des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu Grunde legte.
14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 9. März 2023
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