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European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022190281.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der 1985 geborene Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, stellte am 2. November 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit seiner Furcht vor der Einziehung als Reservist zum Militär begründete.
2 Mit Bescheid vom 23. Juli 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten gerichtete Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. März 2022 mündlich verkündeten und mit 23. Mai 2022 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Begründend stellte das BVwG unter anderem fest, der Revisionswerber habe von 2007 bis 2009 seinen Wehrdienst in der syrischen Armee abgeleistet und sei als Schütze an einem Panzerabwehrgeschütz ausgebildet worden, wobei er zuletzt den Rang eines „Unteroffiziers“ gehabt habe. Im Falle seiner Rückkehr sei eine Zwangseinberufung des Revisionswerbers, dem auch kein Einberufungsbefehl zugestellt worden sei, wegen seines eher niedrigen Ranges und seiner Position nicht wahrscheinlich, zumal zwei Brüder des Revisionswerbers jahrelang in der Heimatregion gelebt hätten und niemals aus der Reserve einberufen worden wären. Der erst in der Beschwerdeverhandlung vorgelegte und aus 2017 stammende „Einberufungsbefehl“ sei nicht geeignet, eine bereits erfolgte Einberufung zu beweisen, weil der Revisionswerber die späte Vorlage dieses Beweismittels nicht plausibel erklären habe können und die Ausstellung von Gefälligkeitsurkunden in Syrien notorisch sei.
5 Daher sei es dem Revisionswerber nicht gelungen, eine aktuelle Verfolgung von maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
6 Mit Beschluss vom 25. August 2022, E 1851/2022‑5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 14. September 2022, E 1851/2022‑7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
7 Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Zur Zulässigkeit macht die Revision die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung geltend und bringt Begründungs‑ bzw. Verfahrensmängel vor. Das BVwG habe nicht berücksichtigt, dass sich der Revisionswerber im wehrfähigen Alter befinde und zudem über eine Ausbildung bei der Panzerabwehr verfüge. Ferner hätte die Echtheit des Einberufungsbefehls einer Überprüfung unterzogen werden müssen. Unter Bedachtnahme auf sämtliche Umstände hätte das BVwG feststellen müssen, dass dem Revisionswerber die Einberufung in die syrische Armee als Reservist drohe, woran auch nichts ändere, dass er aus einem unter kurdischer Kontrolle stehenden Gebiet stamme, weil er bei einer Rückkehr über den Flughafen Damaskus in seinen Heimatort gelangen und dabei Checkpoints des syrischen Regimes passieren müsste.
12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. zuletzt etwa VwGH 12.9.2023, Ra 2023/19/0325, mwN).
13 Werden von der Revision Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2021/01/0373 bis 0376, mwN).
14 Diesem Erfordernis wird die vorliegende Revision aus folgenden Erwägungen nicht gerecht:
15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen ‑ wie etwa der Anwendung von Folter ‑ jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein.
16 Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. zu alldem zuletzt VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002, mwN).
17 Im vorliegenden Fall zeigt die Revision nicht auf und ist auch nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber in Bezug auf die ihm drohende Einziehung zum Militär im Verfahren vor dem BFA oder im Beschwerdeverfahren ein entsprechend begründetes Vorbringen erstattet hätte, das einen kausalen Zusammenhang mit einem Konventionsgrund im Sinn der oben wiedergegebenen Rechtsprechung erkennen lässt.
18 Vor diesem Hintergrund vermag die Revision mit ihrem Vorbringen nicht die Relevanz der von ihr gerügten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Somit gelingt es der Revision auch nicht, die Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen.
19 Fehlt dem Vorbringen zur drohenden Einziehung zum Wehrdienst der kausale Zusammenhang mit einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn, so ist damit auch dem ‑ auf der Prämisse des Vorliegens eines Verfolgungsgrundes des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK aufbauenden ‑ Revisionsvorbringen zur Erreichbarkeit der Herkunftsregion des Revisionswerbers der Boden entzogen (vgl. dazu nochmals VwGH Ro 2023/19/0002).
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ‑ nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde ‑ gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
21 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 12. Dezember 2023
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