European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022070019.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Wasserbenutzungsberechtigte am Wasserkraftwerk St. Pantaleon an der Enns an der Grenze zwischen den Bundesländern Oberösterreich und Niederösterreich.
2 Mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) als delegierte Behörde vom 4. Februar 2022 wurde der Revisionswerberin und der Republik Österreich, Bundeswasserbauverwaltung, gemäß § 21a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) zur ungeteilten Hand aufgetragen, bis 1. März 2024 ein den Vorgaben des § 103 WRG 1959 entsprechendes Projekt zur Errichtung von zwei Umgehungsarmen mit bestimmten Mindestlängen an zwei näher genannten Stellen in der Restwasserstrecke (Enns) des genannten Wasserkraftwerks vorzulegen.
3 Der gegen diesen Bescheid von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) stattgegeben. Der Bescheid wurde aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
4 Das Verwaltungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Rechtsfrage, ob ein Auftrag nach § 21a WRG 1959 dann über ein bestehendes Sanierungsprogramm hinausgehe (und damit gemäß § 21a Abs. 4 WRG 1959 unzulässig sei), wenn sich das Sanierungsprogramm auf einen Teilbereich (Fischpassierbarkeit) eines in § 33d Abs. 2 WRG 1959 genannten Ziels (Verbesserung der hydromorphologischen Bedingungen) beschränke und der Anpassungsauftrag einen anderen Teilbereich (Laichhabitate für Fischfauna) desselben Ziels zum Gegenstand habe, (zu ergänzen offenbar: Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle).
Darüber hinaus existiere nach Kenntnisstand des Verwaltungsgerichts keine Judikatur dazu, ob ein § 21a WRG 1959‑Sanierungsauftrag im Sinne einer solidarischen Verpflichtung auch an mehrere Anlagenbetreiber bzw. Konsensinhaber gemeinsam gerichtet werden könne.
5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.
6 Die belangte Behörde beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision und die Zuerkennung von Aufwandersatz.
7 Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung, in der die Ansicht vertreten wird, dass die Revision zurück- bzw. abzuweisen sei.
8 Parallel zur vorliegenden Revision erhob die Revisionswerberin auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 29. November 2022, E 2844‑2845/2022‑5, ablehnte.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision formuliert die Revisionswerberin unter anderem die Rechtsfrage, ob es zulässig sei, das Umweltziel (im Sinne des § 30a WRG 1959) „gutes ökologisches Potential“ für erheblich veränderte Oberflächenwasserkörper mittels eines Anpassungsauftrages gemäß § 21a WRG 1959 zu verfolgen, wenn es inhaltlich und auch aus formeller Sicht, nämlich durch ministerielle Verordnung, wie das der Gesetzgeber in § 30a WRG 1959 ausdrücklich angeordnet habe, nicht determiniert sei.
Ferner sei die Frage zu beantworten, ob § 21a Abs. 4 WRG 1959 aufgrund der „Sanierungsverordnung OÖ“ (Verordnung des Landeshauptmannes von Oberösterreich, mit der ein Sanierungsprogramm für Fließgewässer erlassen wird, LGBl. Nr. 95/2011) einem Anpassungsauftrag (im Sinne des § 21a Abs. 1 WRG 1959) wie dem von der belangten Behörde erlassenen von vornherein entgegenstehe.
Darüber hinaus enthält die Zulässigkeitsbegründung weitere, auf die genannten Rechtsfragen aufbauende Fragestellungen.
Zu den erwähnten Rechtsfragen fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung.
13 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. VwGH 29.7.2022, Ro 2020/07/0003, mwN).
14 Abgesehen von dem Umstand, dass mit dem gegenständlichen behördlichen Auftrag nach § 21a WRG 1959 die Errichtung von zwei Umgehungsarmen (und nicht eine Geschiebeeinbringung) vorgeschrieben wurde, gleicht der vorliegende Fall hinsichtlich der ersten vom Verwaltungsgericht zur Begründung der Zulassung der ordentlichen Revision genannten Rechtsfrage und der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision formulierten Rechtsfragen jenem Fall, der dem ‑ ebenso die Revisionswerberin betreffenden ‑ hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2022/07/0018, zugrunde lag. Zu den vorliegend aufgeworfenen Rechtsfragen wird gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts steht damit im Einklang. Insoweit liegt somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.
15 Zur zweiten vom Verwaltungsgericht zur Begründung der Zulassung der ordentlichen Revision genannten Rechtsfrage, ob ein Sanierungsauftrag gemäß § 21a WRG 1959 im Sinne einer solidarischen Verpflichtung auch an mehrere Anlagenbetreiber bzw. Konsensinhaber gemeinsam gerichtet werden könne, enthält die Revision kein Vorbringen. Auf eine Rechtsfrage, die das Verwaltungsgericht bei der Zulassung der ordentlichen Revision als grundsätzlich angesehen hat, ist vom Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht einzugehen, wenn diese Rechtsfrage in der Revision nicht angesprochen wird (vgl. etwa VwGH 28.4.2016, Ro 2014/07/0093; 24.5.2018, Ro 2017/07/0022 bis 0024, mwN).
16 Es werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ‑ in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat ‑ gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
17 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. April 2023
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