VwGH Ra 2021/12/0075

VwGHRa 2021/12/00755.9.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer‑Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des M S in W, vertreten durch Mag. Alexander Ebner, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 16/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2021, W246 2244348‑1/2E, betreffend Zuerkennung einer Entschädigung gemäß § 18a B‑GlBG und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Entschädigungsantrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-GlBG 1993 §20 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021120075.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht als Exekutivbeamter in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Mit Bescheid der Bundesministerin für Justiz wurden der Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist für die Geltendmachung seines Anspruches nach § 18a Bundes‑Gleichbehandlungsgesetz (B‑GlBG) abgewiesen (Spruchpunkt 1.) sowie sein Antrag auf Ersatz seines näher konkretisierten Vermögensschadens gemäß § 18a B‑GlBG zurückgewiesen (Spruchpunkt 2.). Begründend wurde die Verspätung des Antrags auf Schadenersatz näher dargelegt und unter anderem vom Vorliegen eines einen minderen Grad des Versehens übersteigenden Verschuldens betreffend die Versäumung der Frist ausgegangen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und bestätigte Spruchpunkt 1. mit der Maßgabe, dass der Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für die Geltendmachung des Anspruches nach § 18a B‑GlBG als unzulässig zurückgewiesen und weiters die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. als unbegründet abgewiesen wurde. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig.

4 Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG sei nur gegen die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist zulässig. Es müsse sich also um eine Frist handeln, durch die die Möglichkeit, in einem anhängigen Verwaltungsverfahren eine Handlung mit prozessualen Rechtswirkungen (Verfahrenshandlung) zu setzen, zeitlich beschränkt werde, das heiße, dass nach deren Ablauf die Verfahrenshandlung, wie zum Beispiel die Einbringung einer Beschwerde, nicht mehr zulässig sei. Dazu gehörten in ersten Linie die in den Verfahrensgesetzen, insbesondere im AVG und VwGVG festgelegten Fristen, aber auch die in den Materiengesetzen vorgesehenen Fristen verfahrensrechtlicher Natur. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes seien verfahrensrechtliche Fristen nur solche, die entweder durch ein Verfahren ausgelöst würden oder die in einem Verfahren liefen.

5 Gegen die Versäumung einer materiellrechtlichen Frist, also einer Frist, vor deren Ablauf ein materiellrechtlicher Anspruch ‑ bei sonstigem Verlust des diesem zu Grunde liegenden Rechts selbst (nicht nur der behördlichen Durchsetzungsmöglichkeit) ‑ geltend gemacht werden müsse bzw. nach deren Ablauf ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch erlösche, sei eine Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG nicht zulässig. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Anordnung in § 72 Abs. 1 leg. cit., wonach durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung das Verfahren in die Lage zurücktrete, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung der Frist befunden habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse die Wertung einer Frist als materiellrechtliche vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden; im Zweifel sei von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen. Für die Annahme einer materiellrechtlichen Frist sei nicht erforderlich, dass in der Rechtsgrundlage ausdrücklich angeführt werde, dass der Anspruch bei verspäteter Geltendmachung untergehe (Hinweis auf VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0085; 26.4.2011, 2011/03/0017; 27.9.2007, 2003/11/0063).

6 Zur Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führte das Bundesverwaltungsgericht aus, § 20 Abs. 3 B‑GlBG sehe u.a. vor, dass Ansprüche von Beamten gegenüber dem Bund im Sinne des § 18a B‑GlBG binnen sechs Monaten mit Antrag bei der Dienstbehörde geltend zu machen seien, die die Bewerbung abgelehnt habe. Die Frist für die Geltendmachung des Anspruches nach § 18a B‑GlBG beginne mit Ablauf des Tages zu laufen, an dem der Beamte Kenntnis von der Ablehnung der Bewerbung erlangt habe. § 20 Abs. 6 B‑GlBG halte fest, dass die Einbringung des Antrages auf Prüfung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bei der Bundes‑Gleichbehandlungskommission u.a. die Hemmung der Frist nach § 20 Abs. 3 B‑GlBG bis zur Entscheidung der Bundes‑Gleichbehandlungskommission bewirke. Die Zustellung des Gutachtens der Bundes‑Gleichbehandlungskommission oder einer schriftlichen Verständigung, wonach die Voraussetzungen für die Prüfung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht oder nicht mehr vorlägen, beende die Hemmung dieser Frist.

7 Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes handle es sich bei der sechsmonatigen Frist des § 20 Abs. 3 B‑GlBG um eine materiellrechtliche Frist, hinsichtlich deren Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG im Sinne näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und Literatur nicht zulässig sei. In der Bestimmung des § 20 Abs. 3 B‑GlBG werde hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass bei nicht fristgerechter (also nicht innerhalb von sechs Monaten erfolgter) Geltendmachung der Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens gemäß § 18a leg. cit. selbst untergehe (gemäß § 20 Abs. 3 leg. cit. „sind“ die „Ansprüche“ nach § 18a leg. cit. innerhalb der angeführten Frist „geltend zu machen“). Der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Judikatur ähnlich gelagerte Fristen (zur Geltendmachung von Entschädigungs‑ und Rückzahlungsansprüchen) als materiellrechtliche Fristen qualifiziert, die zum Untergang des Anspruchs nach Ablauf der jeweiligen Frist führen (Hinweis auf VwGH 31.3.2005, 2005/03/0033, betreffend einen Antrag auf Entschädigung für verfallene Waffen gemäß § 12 Abs. 4 Waffengesetz; 9.12.2013, 2011/10/0179, betreffend einen Antrag auf Rückzahlung eines bereits entrichteten Studienbeitrages). Schließlich sei im Hinblick auf die oben wiedergegebene Judikatur und Literatur festzuhalten, dass es sich bei der Frist des § 20 Abs. 3 B‑GlBG auch nicht um eine Frist in einem anhängigen Verwaltungsverfahren handle, die in einem solchen prozessuale Rechtswirkungen auslöse, was nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ebenso für das Vorliegen einer materiellrechtlichen Frist spreche.

8 Im Weiteren wurde die Abweisung der Beschwerde betreffend die verspätete Einbringung des Antrages auf Schadenersatz gemäß § 18a B‑GlBG begründet.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung vorgebracht wird, die vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Verfassungs‑ wie auch des Verwaltungsgerichtshofes betreffe nicht die verfahrensrelevante Bestimmung des § 20 Abs. 3 B‑GlBG. Tatsächlich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob es sich bei der Frist des § 20 Abs. 3 B‑GlBG um eine materiellrechtliche oder aber um eine verfahrensrechtliche Frist handle. Diese Frage sei wegen der sich daraus ergebenden erheblichen Konsequenzen (z.B. keine Wiedereinsetzung bei materiellrechtlicher Frist) im Sinne der Forderung nach Klarstellung und Rechtsvereinheitlichung schon per se von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Revision beantragt, das angefochtene Erkenntnis dahin abzuändern, dass der Wiedereinsetzung stattgegeben werde, in eventu, dieses Erkenntnis aufzuheben.

10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.

Die Revision muss, damit sie zulässig ist, gemäß Art. 144 Abs. 4 B‑VG von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, „abhängen“. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 20.8.2018, Ra 2017/17/0823, mwN). Vorliegendenfalls wäre daher im Hinblick auf den Primärantrag der Revision darzulegen gewesen, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben gewesen wäre.

14 Das Bundesverwaltungsgericht hat im Übrigen unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründet, weshalb es davon ausgeht, dass es sich bei der Frist gemäß § 20 Abs. 3 B‑GlBG um eine materiellrechtliche Frist handle. Dieser Begründung, die unbestritten dazu führt, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Schadenersatz gemäß § 18a B‑GlBG zurückzuweisen ist, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nichts entgegengesetzt.

15 Stützt sich ein Verwaltungsgericht auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung der Frage, ob eine materiellrechtliche oder eine verfahrensrechtliche Frist vorliegt, führt allein der Umstand, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur konkret im Revisionsfall zu beurteilenden Frist (hier die Frist gemäß § 20 Abs. 3 B‑GlBG) nicht besteht, nicht dazu, dass vom Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG auszugehen wäre.

16 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wurde somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

17 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 5. September 2023

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