Normen
FamLAG 1967 §2 Abs5 litb
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020160124.L00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 9. November 2017 forderte das Finanzamt von der Revisionswerberin die im Zeitraum September 2014 bis Oktober 2016 für ihren Sohn gewährte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbeträgen gemäß § 26 Abs. 1 FLAG iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück.
2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab. Begründend wurde ausgeführt, der Sohn der Revisionswerberin habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine höhere religiöse Schule in Belgien besucht und habe dort in einem schuleigenen Heim mit Vollversorgung gewohnt. Aufgrund dieser mehrjährigen Ausbildung habe er in diesem Zeitraum nicht dem Haushalt der Revisionswerberin angehört und es sei auch keine fiktive Haushaltszugehörigkeit nach den Bestimmungen des § 2 Abs. 5 lit. a oder lit. b FLAG gegeben gewesen. Eine überwiegende Unterhaltstragung habe die Revisionswerberin nicht nachgewiesen, womit die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht erfüllt seien.
3 Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
5 Das Bundesfinanzgericht führte nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensgeschehens ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ aus, der im Jänner 1998 geborene Sohn der Revisionswerberin habe seit dem Schuljahr 2014/2015 an einem näher genannten höheren theologischen Institut für jüdische Wissenschaften (Jeschiwah) in Belgien studiert. Er habe vor Ort in einem Internat des Instituts gewohnt, in der studienfreien Zeit sei er in den elterlichen Haushalt in Wien zurückgekehrt. Weitere Aufenthalte in Wien seien weder konkret behauptet noch belegt worden.
6 Das Schulgeld habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die überwiegenden Unterhaltskosten für den Sohn der Revisionswerberin ausgemacht. Es könne nicht festgestellt werden, dass dieses Schulgeld von den Eltern ‑ der Revisionswerberin oder ihrem Ehemann ‑ bezahlt worden sei, zumal eine Entrichtung des Schulgeldes durch den Vater für den Anspruch der Revisionsweberin auf Familienbeihilfe nicht relevant sei. Angesichts der Einkommenssituation der Eltern ‑ die Revisionswerberin habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum lediglich in einigen Monaten Notstandshilfe bezogen und habe ansonsten keine Einkünfte erzielt, der Vater habe ein (näher angeführtes) Einkommen in geringer Höhe erzielt ‑ sei unklar, woher die Mittel zur Bestreitung des Schulgeldes gekommen seien.
7 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesfinanzgericht, die Zugehörigkeit des Sohnes der Revisionswerberin zum elterlichen Haushalt sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht gegeben gewesen. Der Aufenthalt zu Bildungszwecken in Belgien habe sich über einen Zeitraum von rund drei Jahren erstreckt und sei von Anfang an auf diese Dauer ausgelegt gewesen. Ein nur vorübergehender Aufenthalt im Sinne des § 2 Abs. 5 lit. a FLAG sei daher nicht gegeben. Da sich der Sohn der Revisionswerberin auch nicht zur Ausübung eines Berufes in Belgien aufgehalten habe, sondern für Zwecke der Berufsausbildung, sei die Haushaltszugehörigkeit auch nicht aufgrund der Bestimmung des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG gegeben gewesen. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf in Berufsausbildung befindliche Personen sei ausgeschlossen.
8 Mangels Haushaltszugehörigkeit bestehe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein Anspruch der Revisionswerberin auf Familienbeihilfe nur, wenn sie gemäß § 2 Abs. 2 FLAG die Unterhaltskosten für den Sohn überwiegend getragen habe. Dieser Umstand sei jedoch nicht nachgewiesen und nicht einmal glaubhaft gemacht worden. Der Familienbeihilfeanspruch der Revisionswerberin sei daher zu verneinen, womit die Rückforderung zu Recht erfolgt sei.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof ‑ nach Einleitung eines Vorverfahrens, in dem vom Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde ‑ erwogen hat:
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach für die Bestimmung des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG die Berufsausbildung einer Berufsausübung gleichzusetzen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 24. Juni 2010, 2009/16/0131, zu einer vergleichbaren Konstellation ausgesprochen, dass sich die damals belangte Behörde nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob die Haushaltszugehörigkeit des ‑ eine Berufsausbildung absolvierenden ‑ Sohnes der damaligen Beschwerdeführerin aufgrund der Bestimmung des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG als nicht aufgehoben gelte. Die Zulässigkeit der Revision wird weiters darin erblickt, dass sich das Bundesfinanzgericht nicht mit den erbrachten Nachweisen zur überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten des Sohnes durch die Revisionswerberin auseinander gesetzt und diese Nachweise nicht in seine Beweiswürdigung miteinbezogen habe.
11 Die Revision erweist sich als zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
12 Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt ua nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält (§ 2 Abs. 5 lit. a FLAG), oder wenn das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt (§ 2 Abs. 5 lit. b FLAG).
13 Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass sich der Sohn der Revisionswerberin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zum Großteil im Internat in Belgien aufgehalten habe und ist zur ‑ von der Revisionswerberin nicht bekämpften ‑ Beurteilung gelangt, dass dieser Aufenthalt nicht als nur vorübergehend iSd § 2 Abs. 5 lit. a FLAG anzusehen sei. Seine Zugehörigkeit zum elterlichen Haushalt sei auch nicht aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG gegeben, weil er sich ‑ was in der Revision ebenfalls nicht bestritten wird ‑ für Zwecke der Berufsausbildung in Belgien aufgehalten habe.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Berufsausbildung von einer Berufsausübung zu unterscheiden (vgl. zur Abgrenzung der Berufsausbildung von der Berufsausübung VwGH 18.10.2022, Ro 2021/16/0004, mwN). Entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsansicht kann auch im Hinblick auf die Bestimmung des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG eine Berufsausbildung nicht mit einer Berufsausübung gleichgesetzt werden. Dass der Gesetzgeber entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung die Haushaltszugehörigkeit von Kindern, die am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausbildung eine Zweitunterkunft bewohnen, fingieren wollte, ist nicht ersichtlich (siehe dazu ErlRV 114 BlgNR 14. GP 4; vgl. auch StenProt 9.6.1976, 26. Sitzung des Nationalrats 14. GP 2277, wonach Zweitunterkünfte in der Nähe einer „Betriebsstätte“ sowie ua Kinder im ländlichen Raum, die weit weg vom Wohnort „einen Beruf ausüben“, von dieser Bestimmung erfasst sein sollen).
15 Abweichendes kann auch dem in der Revision genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 2010, 2009/16/0131, nicht entnommen werden:
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat in jenem Erkenntnis ausgesprochen, dass selbst wenn der minderjährige Sohn der damaligen Beschwerdeführerin ‑ aufgrund seines Auslandsaufenthalts ‑ nicht mehr mit ihr iSd § 2 Abs. 5 erster Satz FLAG eine Wohnung bei einheitlicher Wirtschaftsführung geteilt habe, die Frage zu prüfen sei, ob er im relevanten Zeitraum für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt habe, somit die Fiktion des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG gegriffen und die Zugehörigkeit zum Haushalt der Beschwerdeführerin nicht als aufgehoben gegolten habe. Da vom unabhängigen Finanzsenat keine ‑ für die Beurteilung der Anwendbarkeit der Haushaltszugehörigkeitsfiktion des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG notwendigen ‑ Feststellungen zur Frage getroffen worden waren, ob sich der Sohn im Ausland für Zwecke einer Berufsausübung aufgehalten hat oder ‑ wie von der damaligen Beschwerdeführerin behauptet ‑ einer Berufsausbildung nachgegangen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
17 Da im vorliegenden Revisionsfall der Sohn der Revisionswerberin unstrittig eine Berufsausbildung absolviert hat, wurde die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 5 lit. b FLAG vom Bundesfinanzgericht zu Recht verneint. Der Anspruch der Revisionswerberin auf Familienbeihilfe konnte sich daher ‑ wie vom Bundesfinanzgericht ausgeführt ‑ nur aus § 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG, somit nur bei überwiegender Tragung der Unterhaltskosten, ergeben.
18 Soweit sich die Revisionswerberin gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes betreffend die Frage der überwiegenden Unterhaltskostentragung wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis umfassend mit dem Vorbringen und den vorgelegten Nachweisen betreffend die Unterhaltskostentragung (Bestätigungen des vom Sohn besuchten Instituts in Belgien über die Entrichtung der Schulkosten, Flugtickets, Arztrechnungen usw.) auseinandergesetzt hat und in freier Beweiswürdigung ‑ mit einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung ‑ zum Ergebnis gelangt ist, eine überwiegende Tragung der Unterhaltskosten durch die Revisionswerberin sei nicht nachgewiesen und nicht einmal glaubhaft gemacht worden.
19 Der Revisionswerberin gelingt es mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht, die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Beweiswürdigung als unschlüssig erscheinen zu lassen, weil weder ein Verstoß gegen die Denkgesetze noch einen Widerspruch zur Lebenserfahrung aufgezeigt wird. Die Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes stößt auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken.
20 Die Rückforderung der bereits ausgezahlten Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrages erweist sich somit als rechtmäßig.
21 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 31. Jänner 2023
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