European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022180069.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist ein im Iran geborener afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er lebte im Iran bis zu seiner Ausreise nach Europa mit einem (mittlerweile verstorbenen) Onkel und einer Cousine. Am 5. Februar 2018 beantragte er internationalen Schutz in Österreich, welchen er im Wesentlichen damit begründete, dass sein Vater gezwungen werde, für die Taliban zu arbeiten. Es herrsche Krieg in Afghanistan und Kinder in seinem Alter würden verschleppt und vergewaltigt werden.
2 Mit Bescheid vom 12. Februar 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Es erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Begründend führte es ‑ soweit für das gegenständliche Verfahren relevant ‑ aus, dass die Angaben des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen, insbesondere im Zusammenhang mit der vorgebrachten Tätigkeit seines Vaters für die Taliban und einer ihm deshalb drohenden Verfolgung, nicht glaubhaft seien und er zu keinem Zeitpunkt eine ihm tatsächlich widerfahrene oder bei Rückkehr drohende Verfolgungssituation geschildert habe.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit ‑ zusammengefasst ‑ geltend macht, das BVwG habe bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers nicht ausreichend gewürdigt, dass er minderjährig sei. Widersprüche zwischen den Einvernahmen beim BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG seien aufgrund der Minderjährigkeit anders zu beurteilen. Zudem habe das BVwG Aussagen des Revisionswerbers missverstanden und falsch wiedergegeben. Die Beweiswürdigung entspreche daher nicht den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätzen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 27.4.2022, Ra 2022/18/0030, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 3.2.2022, Ra 2021/18/0419, mwN).
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss auf die Minderjährigkeit des Asylwerbers im Rahmen der beweiswürdigenden Überlegungen entsprechend Bedacht genommen werden (vgl. VwGH 18.11.2021, Ra 2021/18/0298, mwN).
Im gegenständlichen Fall verschaffte sich das BVwG im Zuge einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und setzte sich mit seinem Fluchtvorbringen auseinander. In seinen beweiswürdigenden Überlegungen stützte es sich - unter ausdrücklicher Berücksichtigung seiner Minderjährigkeit - auf Widersprüche zwischen den Aussagen des Revisionswerbers in der Einvernahme durch das BFA und der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Insbesondere würdigte es die divergierenden und vagen Angaben zum Verbleib seines Vaters und dass der Revisionswerber keine ihm selbst widerfahrene oder im Falle der Rückkehr drohende Verfolgungssituation schildern habe können. Dass diese beweiswürdigenden Erwägungen im Hinblick auf die Minderjährigkeit des Revisionswerbers in einer unvertretbaren Art und Weise vorgenommen worden wären, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere legt sie nicht dar, wie sich die Ungereimtheiten im Aussageverhalten des Revisionswerbers (etwa sein behauptetes Unwissen über die Umstände der Gefangennahme seines Vaters durch die Taliban in der mündlichen Verhandlung, obwohl er diese in der Einvernahme vor dem BFA noch genannt hatte) mit dessen Minderjährigkeit erklären ließen.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. Juli 2022
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