VwGH Ra 2022/13/0070

VwGHRa 2022/13/00704.8.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des M K in W, vertreten durch die Jirovec & Partner Rechtsanwalts‑GesmbH in 1010 Wien, Bauernmarkt 24, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 8. April 2022, Zl. RV/7102125/2012, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2003 und 2004, den Beschluss gefasst:

Normen

BAO §173 Abs1
BAO §183 Abs3
BAO §269 Abs1
EURallg
UStG 1994 §16 Abs1 Z1
UStG 1994 §16 Abs3 Z1
VwRallg
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art11 TeilC Abs1
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art90
62016CJ0246 Di Maura VORAB
62016CJ0404 Lombard Ingatlan Lizing VORAB
62018CJ0242 UniCredit Leasing VORAB
62019CJ0335 E VORAB
62020CJ0398 ELVOSPOL VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022130070.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber wurde mit Bescheid vom 15. Juli 2010 als im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer zur Haftung für Abgaben der T GmbH (u.a. Umsatzsteuer 2003 und 2004) herangezogen.

2 Der Revisionswerber erhob gegen den Haftungsbescheid und gleichzeitig gemäß § 248 BAO gegen die Abgabenbescheide Berufung.

3 Mit Berufungsvorentscheidung vom 17. Mai 2011 wies das Finanzamt die Berufung betreffend Geltendmachung der Haftung als unbegründet ab. Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

4 Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 23. April 2015 wurde der (nunmehrigen) Beschwerde betreffend Geltendmachung der Haftung insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf einen geringeren Betrag eingeschränkt wurde (dies betraf die ‑ im vorliegenden Revisionsverfahren nicht gegenständliche ‑ Haftung für Umsatzsteuer für die Jahre 2000 und 2001).

5 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2016, Ra 2015/16/0083, wurde die dagegen erhobene Revision (samt einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zurückgewiesen.

6 Mit Berufungsvorentscheidung vom 12. März 2012 wies das Finanzamt die Berufung des Revisionswerbers betreffend die Abgabenbescheide als unbegründet ab. Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Berufung an den unabhängigen Finanzsenat.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht (u.a.) die (nunmehrige) Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2004 als unbegründet ab; betreffend Umsatzsteuer 2003 gab es der Beschwerde teilweise Folge und änderte den Bescheid ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

8 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht betreffend Umsatzsteuer 2003 aus, das Finanzamt habe bei der Erlassung des Umsatzsteuerjahresbescheides vom 10. Mai 2005 die Besteuerungsgrundlage im Schätzungswege gemäß § 184 BAO ermittelt, weil eine Umsatzsteuererklärung nicht eingereicht worden sei. Mit der Beschwerde der T GmbH sei eine Umsatzsteuererklärung vorgelegt worden; es sei beantragt worden, die Veranlagung gemäß dieser Erklärung vorzunehmen. Die Umsatzsteuererklärung sei vom damaligen steuerlichen Vertreter der T GmbH eingereicht und vom Revisionswerber persönlich unterfertigt worden. In der Beschwerde sei ausgeführt worden, die T GmbH habe das Lokal im Jahr 2003 nicht mehr selbst betrieben, sondern nur mehr für Einzelveranstaltungen vermietet. Mit der Berufungsvorentscheidung vom 16. Juni 2005 sei der Beschwerde Folge gegeben worden; der nunmehrigen Festsetzung sei die Erklärung der T GmbH zu Grunde gelegt worden.

9 Soweit der schriftlich gemäß § 173 Abs. 1 BAO als Zeuge befragte B lapidar festgehalten habe, dass im Jahr 2003 keine Umsätze mehr erzielt worden seien, sei darauf zu verweisen, dass dieser eigenen Angaben zufolge nur in den Jahren 2000 und 2001 Angestellter und faktischer Geschäftsführer der T GmbH gewesen sei. Dem stehe entgegen, dass der Revisionswerber selbst die Umsatzsteuererklärung 2003 unterfertigt habe. Wenn der Revisionswerber weiters geltend mache, dass Bruttoerlöse im Gesamtbetrag von (genau) 11.000 € für einen Gastronomiebetrieb nicht als lebensnah angesehen werden könnten, sei darauf zu verweisen, dass für dieses Jahr infolge Stilllegung des Gastronomiebetriebes Umsätze nicht aus diesem Betrieb selbst, sondern nach den Ausführungen in der Beschwerde aus der fallweisen Vermietung für Einzelveranstaltungen erwirtschaftet worden seien. Bei einer derartigen Vermietung sei es aber durchaus denkbar, Umsätze mit einem runden Bruttobetrag zu erwirtschaften. Es seien daher die erklärten Umsätze und Vorsteuern der Besteuerung für das Jahr 2003 zu Grunde zu legen; der Beschwerde sei sohin im Sinne der Berufungsvorentscheidung (betreffend die T GmbH) vom 16. Juni 2005 Folge zu geben gewesen.

10 Betreffend Umsatzsteuer 2004 sei die Umsatzsteuer zunächst für die Zeiträume 1‑3/2004 und 4/2004 festgesetzt worden. Die T GmbH habe durch ihren damaligen steuerlichen Vertreter gegen diese Bescheide Beschwerde erhoben; sie habe wiederum eine Veranlagung gemäß der damit vorgelegten Steuererklärung 2004, die vom Revisionswerber selbst unterfertigt worden sei, begehrt. Mit Bescheid vom 16. Juni 2005 habe daraufhin das Finanzamt den Umsatzsteuerjahresbescheid 2004 erlassen und sich dabei auf die eingereichte Erklärung zur Umsatzsteuer gestützt.

11 Strittig sei insoweit, ob für das Jahr 2004 Erlöse in Höhe von 150.000 € für die Veräußerung der gesamten Betriebs- und Geschäftsausstattung als Umsätze zu berücksichtigen seien; oder ob diese bereits zum 31. Dezember 2004 als uneinbringlich anzusehen gewesen seien, da diese bereits mehrmals anwaltlich eingemahnt worden seien.

12 Zu berücksichtigen sei zunächst, dass die Berufung, die sich (u.a.) gegen den Festsetzungsbescheid 4/2004 gerichtet habe, nunmehr als gegen den Jahresbescheid gerichtet gelte.

13 Der Zeitpunkt der Berichtigung des Entgelts infolge Uneinbringlichkeit ergebe sich aus § 16 Abs. 1 letzter Satz UStG 1994; die Berichtigung sei demnach für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgelts eingetreten sei. Uneinbringlich sei eine Forderung dann, wenn mit ihrem Eingang bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nach den Erfahrungen des Wirtschaftslebens in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne. Der Zeuge B habe in seiner schriftlichen Zeugenbefragung darauf verwiesen, dass der offene Rechnungsbetrag im Jahr 2004 mehrmals von einem Rechtsanwalt eingemahnt worden sei; auch Ende 2004 habe es noch persönliche Mahnungen an den Erwerber gegeben. Wenn in der mit 10. Juni 2005 unterfertigten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2004 das Entgelt aus der Veräußerung der Betriebs- und Geschäftsausstattung noch enthalten gewesen sei, seien sowohl der Revisionswerber als auch dessen steuerlicher Vertreter im Juni 2005 noch nicht von einer Uneinbringlichkeit dieses Entgelts ausgegangen. Es werde daher für das Jahr 2004 noch nicht von einer Uneinbringlichkeit des in Rechnung gestellten Entgelts aus dem Verkauf ausgegangen. Dieses Entgelt sei daher in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen.

14 Wenn in der mündlichen Verhandlung der Antrag auf Vernehmung des Zeugen B aufrechterhalten worden sei, sei darauf zu verweisen, dass dieser vom Bundesfinanzgericht bereits schriftlich als Zeuge einvernommen worden sei. Es gehe dabei weniger um das Faktum eines persönlichen Eindrucks für die Glaubwürdigkeit der Aussagen des B als vielmehr um die Vorlage von Nachweisen, dass bereits zum 31. Dezember 2004 eine tatsächliche Uneinbringlichkeit vorgelegen habe. Diese Nachweise seien von B auch bei seiner schriftlichen Zeugenbefragung nicht erbracht worden. Es bestehe auch kein Anspruch auf eine Wiederholung der Befragung eines Zeugen, der bereits schriftlich vernommen worden sei.

15 Gegen dieses Erkenntnis, soweit es Umsatzsteuer 2003 und 2004 betrifft, wendet sich die vorliegende Revision.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, die „belangte Behörde“ (gemeint: das Bundesfinanzgericht) habe zu Unrecht die beantragte Beweisaufnahme des faktischen Geschäftsführers B in der mündlichen Verhandlung nicht durchgeführt. Auch wenn sich das Bundesfinanzgericht hinsichtlich der schriftlich eingeholten Aussage des Zeugen B grundsätzlich auf § 173 Abs. 1 BAO berufen könne, sei die in dieser Bestimmung der BAO vorgesehene Befragung eines Zeugen im schriftlichen Weg nicht uneingeschränkt zulässig, sondern sei die Form der Befragung im Rahmen des Ermessens zu entscheiden, wobei die Grenzen für diesen Anwendungsfall zu beachten seien. Eine nähere Begründung, warum das persönliche Erscheinen des Zeugen nicht für erforderlich erachtet worden sei, sei nicht gegeben worden. Im konkreten Fall gehe es gerade bei der Frage, ob ausreichende und gehörige Eintreibungsmaßnahmen gesetzt worden seien, um eine umfassende Erhebung des diesbezüglichen Sachverhalts, wofür ausdrücklich die persönliche Einvernahme des Zeugen B insbesondere zu dieser Frage beantragt worden sei. Dem Bundesfinanzgericht sei auch ein Irrtum dahin unterlaufen (dieser Irrtum wäre im Zuge einer persönlichen Befragung aufgeklärt worden oder gar nicht entstanden), dass es davon ausgegangen sei, dass B nur in den Jahren 2000 und 2001 faktischer Geschäftsführer gewesen sei. Die Wichtigkeit der gegenständlichen Sache hätte die persönliche Einvernahme des Zeugen B erfordert; in diesem Zusammenhang hätten die dem Bundesfinanzgericht nicht ausreichend oder nicht zufriedenstellend beantworteten Fragen weiter vertieft werden können, sodass auch hier der mündlichen Befragung des Zeugen der Vorzug gegenüber dem schriftlichen Bericht zu geben gewesen wäre.

20 Weiters wird geltend gemacht, die Ansicht des Bundesfinanzgerichts, die Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung sei im Hinblick darauf noch nicht festgestanden, als Mitte des Jahres 2005 diese Forderung noch in der Steuererklärung enthalten gewesen sei, sei nicht zutreffend. Der damalige steuerliche Vertreter sei von einer Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung 2004, die auch diesen Umsatz umfasse, ausgegangen; sonst hätte allenfalls der Vorwurf erfolgen können, dass eine Rechnung mit Umsatzsteuer ausgestellt worden sei, welche den Käufer zum Vorsteuerabzug grundsätzlich berechtige.

21 Eine entsprechende Korrektur ergebe sich aus § 16 UStG 1994. Dieser Korrektur liege der Gedanke zugrunde, dass es bei der Umsatzsteuer letztlich auf das tatsächlich Vereinnahmte ankomme. Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts weiche von diesen Grundsätzen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage ab. Diese Rechtsfolge könne auch nicht durch „Verschiebung“ der Berichtigungspflicht in ein anderes Jahr vermieden werden. Im nunmehrigen Verfahrensstadium (über 15 Jahre später) sei der Sinn einer derartigen „Abgrenzung“ nicht ersichtlich. Uneinbringlichkeit einer Forderung liege bereits dann vor, wenn die Forderung für geraume Zeit nicht durchsetzbar sei. Das Bundesfinanzgericht beachte auch nicht die Bestimmung des § 279 Abs. 1 BAO, wonach die Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu berücksichtigen sei. Selbst wenn man davon ausgehen könnte, dass aus damaliger Sicht Uneinbringlichkeit am 31. Dezember 2004 noch nicht eingetreten gewesen sei, könne dieser Umstand im Zeitpunkt der nunmehrigen Entscheidung nicht mehr strittig sein. Wäre die Uneinbringlichkeit erst später (allenfalls im Jahr 2005) eingetreten, so würde eine Berichtigung in jenem Jahr faktisch zum selben Ergebnis führen, sofern eine solche Berichtigung (formal) noch möglich wäre, was aber nicht zum Nachteil des Haftungspflichtigen gehen könne. Eine Haftung für eine Umsatzsteuer, welche nie vom Leistungsempfänger bezahlt worden sei, widerspreche auch den „internationalen Vorgaben“, an welche das nationale Recht anknüpfe. Es müsse genügen, wenn glaubhaft gemacht werde, dass mit der Zahlung innerhalb absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne.

22 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

23 Nach § 183 Abs. 3 BAO ist von der Aufnahme beantragter Beweise u.a. dann abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind. Beweisanträgen, die nicht ausreichend erkennen lassen, welche konkreten Tatsachenbehauptungen im Einzelnen durch das Beweismittel erwiesen werden sollen, brauchen die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht nicht zu entsprechen (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2018/13/0006, mwN). Wenn ‑ wie im Vorlageantrag ‑ der Zeuge B zum „Beweis für das gesamte Vorbringen“ beantragt wird, so liegt kein konkretes Beweisthema vor. Zu konkreten Beweisthemen (Einstellung des Geschäftsbetriebes; Vertretungsberechtigung des damals einschreitenden Steuerberaters) erfolgte aber eine ‑ wenn auch nur schriftliche ‑ Befragung des Zeugen. In der mündlichen Verhandlung wurde ‑ neben dem neuerlichen (untauglichen) Verweis auf das (gesamte) Vorbringen ‑ der Zeuge nur mehr zum Nachweis des Nichterhalts des gesamten Kaufpreises beantragt. Da diese unter Beweis zu stellende Tatsache ohnehin vom Bundesfinanzgericht als wahr angenommen wurde, liegt schon deswegen kein relevanter Verfahrensmangel vor.

24 Im Übrigen haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte gemäß § 269 Abs. 1 BAO die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Demnach kann das Bundesfinanzgericht nach § 173 Abs. 1 BAO die Aussage des Zeugen auch schriftlich einholen, wenn das Bundesfinanzgericht das persönliche Erscheinen des Zeugen nicht für erforderlich hält.

25 Es steht damit im Ermessen des Bundesfinanzgerichts, ob eine Aussage des Zeugen schriftlich eingeholt wird. Kommt es im Hinblick auf die Klärung einer strittigen Sachfrage auf den persönlichen Eindruck vom Zeugen an, wird eine persönliche Befragung des Zeugen erforderlich sein; soll hingegen der Zeuge seine Angaben insbesondere aus ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen schöpfen, wird eine schriftliche Befragung in Frage kommen (vgl. z.B. VwGH 28.10.2008, 2006/15/0113). Das Bundesfinanzgericht hat in diesem Sinne die Ausübung seines Ermessens damit begründet, dass es im vorliegenden Fall nicht um einen persönlichen Eindruck gegangen sei, sondern um die Vorlage von Nachweisen. Eine die Zulässigkeit der Revision begründende mangelhafte Ausübung des Ermessens (und deren Begründung) kann nicht aufgezeigt werden.

26 Soweit die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts bekämpft wird, unterliegt diese aber nur insoweit der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist. Ob die Beweiswürdigung materiell richtig ist, entzieht sich hingegen der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. z.B. VwGH 5.3.2020, Ra 2019/15/0159, mwN). Mangelhafte Sachverhaltsermittlungen liegen ‑ wie bereits dargelegt ‑ nicht vor. Eine Unschlüssigkeit der ausführlichen Erwägungen des Bundesfinanzgerichts zur Beweiswürdigung kann die Revision nicht aufzeigen.

27 Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat nach § 16 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Die Berichtigung ist für jenen Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgelts eingetreten ist. Nach § 16 Abs. 3 Z 1 UStG 1994 gilt dies sinngemäß, wenn das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, so ist der Steuerbetrag erneut zu berichtigen.

28 Ob und wann Uneinbringlichkeit anzunehmen ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. VwGH 3.9.2008, 2003/13/0109, mwN).

29 Unionsrechtlich beruht diese Regelung auf Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG , nunmehr Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.

30 Nach der Rechtsprechung des EuGH zu dieser Bestimmung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Steuerbemessungsgrundlage immer dann zu vermindern, wenn der Steuerpflichtige nach Bewirkung eines Umsatzes die gesamte Gegenleistung oder einen Teil davon nicht erhält. Diese Bestimmung ist Ausdruck eines fundamentalen Grundsatzes der Mehrwertsteuerrichtlinie, nach dem Bemessungsgrundlage die tatsächlich erhaltene Gegenleistung ist; die Steuerverwaltung darf als Mehrwertsteuer keinen höheren als den dem Steuerpflichtigen gezahlten Betrag erheben (vgl. z.B. EuGH 12.10.2017, Lombard Ingatlan Lizing, C‑404/16 , Rn. 26). Zu beachten ist dabei auch der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, aus dem sich insbesondere ergibt, dass der Unternehmer in seiner Eigenschaft als Steuereinnehmer für Rechnung des Staates vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden muss (vgl. z.B. EuGH 23.11.2017, Di Maura, C‑246/16 , Rn. 23).

31 Im Falle einer „Nichtzahlung“ schuldet der Käufer ‑ anders als bei Fällen einer „Annullierung“, „Auflösung“ oder „Rückgängigmachung“ ‑ weiterhin den vereinbarten Preis, dem Verkäufer steht grundsätzlich immer noch seine Forderung zu, die er vor Gericht geltend machen kann. Damit liegt bei (bloßer) Nichtzahlung eine Unsicherheit darüber vor, ob sie endgültig ist (vgl. z.B. EuGH 3.7.2019, „UniCredit Leasing“, C‑242/18 , Rn. 55 f). Dieser Unsicherheit kann dadurch Rechnung getragen werden, dass dem Steuerpflichtigen das Recht auf Minderung der Besteuerungsgrundlage so lange vorenthalten wird, wie die Forderung nicht endgültig uneinbringlich ist. Dieser Unsicherheit kann aber auch dadurch Rechnung getragen werden, dass die Minderung zuerkannt wird, wenn der Steuerpflichtige eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Ausfall der Schuld darlegt, aber die Besteuerungsgrundlage heraufgesetzt werden kann, wenn die Zahlung dennoch erfolgen sollte. Eine solche Ausgestaltung ist weniger belastend für den Steuerpflichtigen, der die Vorfinanzierung der Mehrwertsteuer sicherstellt, indem er sie für Rechnung des Staates einzieht (vgl. neuerlich EuGH „UniCredit Leasing“, Rn. 62; 15.10.2020, E [Mehrwertsteuer ‑ Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage], C‑335/19 , Rn. 48; 11.11.2021, Elvospol, C‑398/20 , Rn. 30).

32 Wenn es auch ‑ wie in der Revision dargelegt ‑ zweifellos zutrifft, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts im Jahr 2022 die Kaufpreisforderung der T GmbH als uneinbringlich anzusehen ist, so kommt es aber darauf an, ob diese Uneinbringlichkeit bereits im Streitjahr 2004 eingetreten ist. Dem weiteren Vorbringen des Revisionswerbers, eine Berichtigung, die erst später (allenfalls im Jahr 2005) erfolgen würde, würde faktisch zum selben Ergebnis führen, sofern eine solche Berichtigung formal noch möglich sei, was aber nicht zum Nachteil des Haftungspflichtigen gehen dürfe, ist entgegen zu halten, dass im Revisionsfall die Umsatzsteuer für bestimmte Jahre strittig ist; es ist demnach nur zu prüfen, ob die Uneinbringlichkeit bereits im Jahr 2004 eingetreten ist; eine allfällige Berichtigung in späteren Jahren ist insoweit nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesfinanzgericht ist ‑ mit näherer Begründung ‑ davon ausgegangen, dass die Uneinbringlichkeit nicht bereits im Jahr 2004 eingetreten ist, dass also ‑ wie den rechtlichen Erwägungen des Bundesfinanzgerichts zu entnehmen ist ‑ mit Jahresende 2004 noch nicht davon auszugehen war, dass mit dem Eingang der Forderung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nach den Erfahrungen des Wirtschaftslebens in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden könne. Auch in der Revision wird nicht dargelegt, dass mit Ablauf des Jahres 2004 bereits eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Ausfall der Schuld vorgelegen wäre.

33 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. August 2022

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