VwGH Ra 2022/06/0097

VwGHRa 2022/06/00973.10.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. des Ing. M S und 2. der A P, beide in H, beide vertreten durch Dr. Robert Mayer, Rechtsanwalt in 6840 Götzis, Vorarlberger Wirtschaftspark 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 2. Mai 2022, LVwG‑318‑61/2021‑R18, betreffend Versagung der Baubewilligung und Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Hittisau; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §52
BauG Vlbg 2001 §17 Abs1
BauG Vlbg 2001 §17 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060097.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen Spruchpunkt II. und III. des Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde H. vom 10. Juni 2021, mit welchem den revisionswerbenden Parteien die nachträgliche Baubewilligung für die Ausführung näher bezeichneter Außenfassaden eines Einfamilienhauses als Putzfassade versagt und ein sich darauf beziehender baupolizeilicher Auftrag zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes erteilt worden war, keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit einer den baupolizeilichen Auftrag betreffenden Maßgabe bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

5 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit für den Revisionsfall relevant ‑ unter Bezugnahme auf die hg. Judikatur aus, maßgebliche Voraussetzung für eine Beurteilung gemäß § 17 Abs. 1 und 2 Baugesetz ‑ BauG sei der konsensgemäße Bestand jener Umgebung, in der die bauliche Anlage in Erscheinung trete bzw. der konsensgemäße Bestand jenes Ortsteiles, dem die bauliche Anlage zuzuordnen sei, unter Umständen auch der konsensgemäße Bestand eines anderen Ortsteiles, von dem aus oder zu dem es erhaltenswerte Sichtbeziehungen gebe; im Befund eines derartigen Gutachtens sei die Umgebung bzw. der Ortsteil, der im Sinn dieser Bestimmung maßgeblich sei, genau zu umschreiben (Hinweis auf VwGH 22.10.2008, 2007/06/0065). Das Gutachten der im Zuge des Beschwerdeverfahrens beigezogenen Amtssachverständigen für Raumplanung, Landschaftsbild und Baugestaltung enthalte eine genaue, mit Lichtbildern untermauerte Umschreibung des Bauvorhabens sowie der näheren und weiteren Umgebung bzw. jenes Ortsteiles, der im Sinn des § 17 Abs. 1 und 2 BauG für die Beurteilung maßgeblich sei. Die Amtssachverständige habe die maßgebliche Umgebung im Gutachten aus fachlicher Sicht plausibel dargelegt, zudem sei das Gutachten schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. Die revisionswerbenden Parteien hätten auch kein Vorbringen erstattet, das geeignet sei, Zweifel an den logischen Schlüssen der Amtssachverständigen aufkommen zu lassen. Aus den Ausführungen in der Befundung (inklusive Fotodokumentation) und aus dem Gutachten der Amtssachverständigen ergebe sich hinsichtlich der Abgrenzung des maßgeblichen Ortsteiles bzw. der maßgeblichen Umgebung schlüssig und nachvollziehbar, dass sowohl Objekte des Ortsteiles T. als auch Objekte des Ortsteiles H. für die typische Charakteristik herangezogen worden seien. Schließlich gelangte das Verwaltungsgericht gestützt auf die (näher dargestellten) Ausführungen im Gutachten der Amtssachverständigen für Raumplanung, Landschaftsbild und Baugestaltung zu dem Schluss, dass das Orts‑ und Landschaftsbild durch die beantragte Fassadengestaltung beeinträchtigt werde.

6 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision bringen die revisionswerbenden Parteien vor, es fehle an einheitlicher bzw. ausreichend detaillierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche maßgebliche Umgebung bzw. welcher maßgebliche Ortsteil als Beurteilungsmaßstab für die Einfügung in das Orts‑ und Landschaftsbild heranzuziehen sei. Die Auffassung, dass dann, wenn von einander abgrenzbare, je eine verschiedene Charakteristik aufweisende Ortsteilbilder festgestellt werden könnten, das Bauvorhaben nur an dem jeweiligen Ortsteilbild gemessen werden könne, möge für städtische Bebauungen zutreffend sein, dieser Beurteilungsmaßstab erscheine jedoch für ländliche Gegenden aufgrund der Vielfalt kleinräumiger Nutzungen und zersplitterten Siedlungsstrukturen zu eng.

7 Zudem sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es ausgeführt habe, dass dem Gutachten der Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Frage des Ortsbildbegriffs eine Rechtsfrage (Hinweis auf VwGH 9.4.1992, 91/06/0153), weshalb es den revisionswerbenden Parteien nicht zum Nachteil gereichen könne, wenn sie dem Gutachten mit rechtlichen Argumenten und nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten seien.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukäme:

8 Dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, welche maßgebliche Umgebung bzw. welcher maßgebliche Ortsteil als Beurteilungsmaßstab für die Einfügung in das Orts‑ und Landschaftsbild heranzuziehen sei, trifft nicht zu. So ergibt sich bereits aus dem von den revisionswerbenden Parteien zitierten Erkenntnis VwGH 9.4.1992, 91/06/0153, dass das Ortsbild jedenfalls anhand des (konsentierten) vorhandenen Bestandes zu beurteilen ist, insoweit ihm ein Mindestmaß an gemeinsamer Charakteristik (wenn auch nicht vollständiger Einheitlichkeit) eigen ist, welche den (notwendigen) Maßstab dafür bildet, ob ein Bauvorhaben dieses Ortsbild erheblich beeinträchtigt. Wenn voneinander abgrenzbare, je eine verschiedene Charakteristik aufweisende Ortsteilbilder festgestellt werden können, muss das Bauvorhaben an dem jeweiligen Ortsteilbild gemessen werden, dem es zuzuordnen ist. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Erkenntnis VwGH 22.10.2008, 2007/06/0065, ausgesprochen, dass maßgebliche Voraussetzung für eine Beurteilung gemäß § 17 Abs. 1 und 2 BauG einerseits der konsensgemäße Bestand jener Umgebung ist, in der eine bauliche Anlage in Erscheinung tritt, bzw. der konsensgemäße Bestand jenes Ortsteiles, dem die bauliche Anlage zuzuordnen ist, unter Umständen auch der konsensgemäße Bestand eines anderen Ortsteiles, von dem aus oder zu dem es erhaltenswerte Sichtbeziehungen gibt; es ist daher zunächst im Befund eines derartigen Gutachtens die Umgebung bzw. der Ortsteil, der im Sinn dieser Bestimmung maßgeblich ist, genau zu umschreiben.

9 Es existiert somit bereits hg. Judikatur zu dem für die Beurteilung gemäß § 17 Abs. 1 und 2 BauG maßgeblichen Ortsbild. Dass für Bauvorhaben im ländlichen Bereich ein anderer Beurteilungsmaßstab heranzuziehen sei, ergibt sich daraus nicht. Inwiefern die dazu ergangene hg. Judikatur uneinheitlich sein soll, zeigen die revisionswerbenden Parteien in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht auf.

10 Weiters trifft es zwar zu, wie die revisionswerbenden Parteien vorbringen, dass die zu klärende Frage des Ortsbildbegriffes eine Rechtsfrage ist, die von der Behörde (bzw. vom Verwaltungsgericht) selbst zu beantworten ist (vgl. VwGH 9.4.1992, 91/06/0153). Die genaue Umschreibung der Umgebung bzw. des Ortsteiles, der im Sinn des § 17 Abs. 1 und 2 BauG maßgeblich ist, hat jedoch im Befund eines dazu einzuholenden Sachverständigengutachtens zu erfolgen. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur ist das Verwaltungsgericht daher zu Recht davon ausgegangen, dass der im Gutachten der Amtssachverständigen für Raumplanung, Landschaftsbild und Baugestaltung enthaltenen Umschreibung der im Revisionsfall maßgeblichen Umgebung bzw. des maßgeblichen Ortsteiles auf gleicher fachlicher Ebene hätte entgegengetreten werden müssen.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. Oktober 2022

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