Normen
BauRallg
BauTG OÖ 2013 §40
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022050036.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Ansuchen vom 28. März 2019 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der belangten Behörde die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung von zwei näher beschriebenen Wohnhaustürmen auf den Grundstücken Nrn. 119/19 und 119/20, KG P.
2 Am 4. Juni 2019 führte die belangte Behörde eine Bauverhandlung durch, in der der Revisionswerber schriftlich Einwendungen betreffend Abstandsregeln und den Denkmalschutz geltend machte. Darüber hinaus erhob er „grundsätzlichen Einspruch“ betreffend das „landschaftliche Umfeld“, den Ensembleschutz, die „Gleichbehandlung“, sowie ein „Veto als Chef der X Stiftung als ... private deutsche Denkmalschutzorganisation mit Wirkungskreis in Mitteleuropa“. Weiters wurde vorgebracht: „no ‚fake building‘ à la Disney World oder Las Vegas im Umfeld eines Denkmals von nationaler Bedeutung. So etwas ist unakzeptabel (Charta von Venedig)“.
3 Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde G. vom 23. Juli 2019 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Baubewilligung unter der Vorschreibung von Auflagen erteilt.
4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG), soweit sie sich gegen die Erteilung der Baubewilligung betreffend den Wohnhausturm auf dem Grundstück Nr. 119/19, KG. P., richtete, mit Erkenntnis vom 23. Juni 2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab, und soweit sie sich gegen die Erteilung der Baubewilligung betreffend den Wohnhausturm auf dem Grundstück Nr. 119/20, KG P., richtete, mit Beschluss vom selben Tag als unzulässig zurück. Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass sowohl gegen das Erkenntnis als auch gegen den Beschluss eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.
5 Begründend stellte es dazu, soweit hier relevant, fest, der Revisionswerber sei Miteigentümer u.a. eines unmittelbar an das Baugrundstück Nr. 119/19, KG P., angrenzenden Grundstückes (Nr. 119/14, KG P.) und daher im Hinblick auf das Baugrundstück Nr. 119/19, KG P. Nachbar im Sinne des § 31 Abs. 1 Z 1 der Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994). Das Baugrundstück Nr. 119/20 sei jedoch mehr als zehn Meter von sämtlichen im Eigentum des Revisionswerbers stehenden Grundstücken entfernt, weshalb ihm in Bezug auf das auf dem letztgenannten Grundstück projektierte Bauvorhaben keine Parteistellung zukomme und die Beschwerde insoweit mit Beschluss zurückzuweisen sei.
6 Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2019 habe der Revisionswerber Einwendungen gegen das Bauvorhaben erhoben, in welchen er vorgebracht habe, mit dem projektierten Bauvorhaben würde gegen Vorschriften betreffend den Mindestabstand, das Orts- und Landschaftsbild und den Denkmalschutz (Ensembleschutz) verstoßen. Auf dem Baugrundstück Nr. 119/19, KG P., sei ein näher beschriebener Wohnhausturm projektiert. Hinsichtlich des geltend gemachten subjektiv‑öffentlichen Nachbarrechtes auf Einhaltung der Abstandsbestimmungen führte das LVwG aus, das in Rede stehende Bauvorhaben sei mehr als fünf Meter von der Grundgrenze mit dem Grundstück des Revisionswerbers entfernt und halte daher den im anzuwendenden Bebauungsplan festgelegten Mindestabstand von drei Metern ein.
7 Gegen diese Entscheidung erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 30. November 2021, E 2550/2020‑16, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
8 Nunmehr richtet sich gegen diese Entscheidung die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst eine grobe Fehlbeurteilung des LVwG im Hinblick auf einen behaupteten Widerspruch des Bauvorhabens zu den Festlegungen im Bebauungsplan betreffend die Gebäudehöhe rügt. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die gemäß § 40 Oö. Bautechnikgesetz 2013 (Oö. BauTG 2013) einzuhaltenden Mindestabstände und es fehle Rechtsprechung bzw. liege eine grobe Fehlbeurteilung des LVwG im Zusammenhang mit der Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich des auf Grundstück Nr. 119/20, KG P., projektierten Bauvorhabens vor.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Zur teilweisen Abweisung der Beschwerde durch das LVwG (in Bezug auf den Wohnhausturm auf dem Grundstück Nr. 119/19, KG. P.):
12 Das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2014/05/0059, mwN).
13 Nach dem vom LVwG festgestellten (vgl. aE S. 3) und vom Revisionswerber unbestritten gebliebenen Sachverhalt (sowie ausweislich des Inhaltes der vorgelegten Verfahrensakten) erhob der Revisionswerber in der mündlichen Bauverhandlung vor der belangten Behörde hinsichtlich subjektiv‑öffentlicher Nachbarrechte iSd § 31 Abs. 4 Oö. BauO 1994 lediglich zulässige Einwendungen betreffend die Einhaltung von Abstandsbestimmungen. Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen der Revision auf die behauptete Nichteinhaltung der im Bebauungsplan festgelegten Bestimmungen im Zusammenhang mit der Gebäudehöhe bezieht, ist auf dieses Vorbringen daher schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil der Revisionswerber diesbezüglich präkludiert ist.
14 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zudem geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Auslegung des § 40 Oö. BauTG 2013. Es sei fraglich, ob die dort normierten Abstandsbestimmungen als Mindestabstand jedenfalls einzuhalten seien.
15 Die Voraussetzungen für die Erhebung einer außerordentlichen Revision fehlen, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des VwGH ergangen ist (vgl. etwa VwGH 24.5.2016, Ra 2016/05/0035; 10.3.2022, Ra 2022/06/0020, jeweils mwN).
16 Gemäß § 40 Oö BauTG 2013 sind die in den Ziffern 1 bis 7 genannten Regelungen betreffend die Lage und Höhe von Gebäuden und Schutzdächern anzuwenden, soweit der Bebauungsplan nichts anderes festlegt. Wie sich also aus dem Einleitungssatz der genannten Bestimmung klar ergibt, sollen die gesetzlich festgelegten Abstandsbestimmungen nur gelten, soweit der Bebauungsplan nicht etwas anderes bestimmt (vgl. dazu auch nochmals VwGH 27.6.2017, Ra 2014/05/0059).
17 Dass die im Gesetz normierten Abstände zum Grundstück des Nachbarn Mindestabstände darstellen würden, die keinesfalls unterschritten werden dürfen, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Vielmehr ergibt sich nach dem Gesetzeswortlaut eindeutig, dass die Bestimmung des § 40 Oö. BauTG 2013 subsidiär gegenüber dem Bebauungsplan anzuwenden ist und nur zur Anwendung gelangt, wenn es entweder keinen Bebauungsplan gibt oder dieser keine dementsprechenden anderen Regelungen enthält.
18 In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof im bereits genannten Erkenntnis vom 27.6.2017, Ra 2014/05/0059, ausgeführt, dass ein das Unterschreiten der in § 40 Oö. BauTG 2013 geregelten Abstandsbestimmungen rügendes Vorbringen ins Leere geht, wenn ein Bebauungsplan existiert und dieser von den Vorgaben des § 40 Oö. BauTG 2013 abweichende Regelungen enthält, mögen diese auch einen geringeren Abstand zum Grundstück des Nachbarn vorschreiben, als ihn das Gesetz vorgesehen hätte.
19 Nach der unbestrittenen Feststellung im angefochtenen Erkenntnis legt der vorliegend maßgebliche Bebauungsplan „P[...] Südost“, Beschluss des Gemeinderates der Stadtgemeinde G. vom 25. April 2018, zur südlichen Grundgrenze des Bauplatzes (zu dem im Miteigentum des Revisionswerbers stehenden Grundstück Nr. 119/14, KG P., hin) einen Mindestabstand von drei Metern fest, welcher durch den projektierten Abstand des Bauvorhabens auf diesem Grundstück von 5 m von der Grundstücksgrenze eingehalten wird.
20 Eine Gesetzwidrigkeit des in Rede stehenden Bebauungsplanes wurde vom Verfassungsgerichtshof, wie aus dem oben (Rz 7) genannten Ablehnungsbeschluss vom 30. November 2021, E 2550/2020‑16, hervorgeht, nicht erkannt.
Zur teilweisen Zurückweisung der Beschwerde durch das LVwG (in Bezug auf den Wohnhausturm auf dem Grundstück Nr. 119/20, KG P.):
21 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG Voraussetzung dafür, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird, auch, dass ein Konnex der diesbezüglichen Zulässigkeitsbegründung mit einem tauglichen Revisionspunkt vorliegt (vgl. etwa VwGH 26.2.2021, Ra 2021/05/0027, mwN).
22 Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet (vgl. für viele etwa VwGH 24.3.2022, Ra 2021/05/0175, mwN).
23 Wird der Revisionspunkt unmissverständlich bezeichnet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. wiederum VwGH 24.3.2022, Ra 2021/05/0175, mwN).
24 Mit dem hier in Rede stehenden Beschluss wurde die Beschwerde des Revisionswerbers als unzulässig zurückgewiesen. Diesbezüglich konnte der Revisionswerber demnach allenfalls in seinem Recht auf Sachentscheidung, d.h. auf meritorische Erledigung der Beschwerde, verletzt worden sein (vgl. nochmals aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 24.3.2022, Ra 2021/05/0175). Das genannte Recht ist allerdings von den in der vorliegenden Revision unter Punkt „IV. Revisionspunkte:“ (S. 38) ausdrücklich bezeichneten Revisionspunkten nicht erfasst.
25 Die Revision erweist sich damit in diesem Umfang schon mangels Darlegung eines tauglichen Revisionspunktes als unzulässig, weshalb auf das Zulässigkeitsvorbringen, es fehle Rechtsprechung bzw. es liege eine grobe Fehlbeurteilung des LVwG im Zusammenhang mit der Zurückweisung der Beschwerde hinsichtlich des auf Grundstück Nr. 119/20, KG P., projektierten Bauvorhabens vor, nicht weiter einzugehen war.
26 In der Revision werden damit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 14. Juni 2022
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