Normen
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z6
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021210090.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der 1968 geborene Revisionswerber, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste im März 2001 illegal in das Bundesgebiet ein und hielt sich bis zum Jahr 2009 als Asylwerber in Österreich auf. Im Laufe seines Aufenthaltes wurde der Revisionswerber mehrmals wegen verschiedener Straftaten strafgerichtlich verurteilt. Aufgrund dieser Verurteilungen wurde gegen den Revisionswerber ein Aufenthaltsverbot erlassen, dessen Dauer aus den vorgelegten Akten nicht feststellbar ist.
2 Nachdem sein Asylantrag am 25. Mai 2009 mit im Beschwerdeweg ergangenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes abgewiesen worden war, kehrte der Revisionswerber zu einem nicht konkret feststellbaren Zeitpunkt ‑ nach der Aktenlage im Herbst 2013 ‑ nach Georgien zurück.
3 Im September 2019 reiste der Revisionswerber neuerlich in Österreich ein und wurde im Rahmen einer fremdenpolizeilichen Kontrolle wegen Überschreitung der erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthaltsdauer ohne über einen Aufenthaltstitel zu verfügen, am 22. Juli 2020 fest- und bis zum nächsten Tag in Verwaltungsverwahrungshaft genommen.
4 Mit Bescheid vom 23. Juli 2020 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ‑ nach Einvernahme des Revisionswerbers ‑ aus, dass ihm von Amts wegen kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt werde. Unter einem erließ es gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA‑VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei, und erließ gegen ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wegen seiner Mittellosigkeit ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA‑VG erkannte es einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab und gewährte demzufolge gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise.
5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. Jänner 2021 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG zur Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG aus, die familiäre Bindung des Revisionswerbers zu seinen beiden in Österreich lebenden ‑ nach seinem Vorbringen: 2007 und 2010 geborenen ‑ Kindern sowie die Dauer seines ersten Aufenthalts von 2001 bis 2009 seien aufgrund der langjährigen Abwesenheit relativiert. Der Kontakt zu den Kindern, die er finanziell unterstütze, beschränke sich seit Oktober 2019 auf kurze Treffen auf deren Weg zur Schule. Der unrechtmäßig aufhältige Revisionswerber spreche zwar Deutsch, sei aber weder gemeldet noch gehe er einer legalen Beschäftigung nach; vielmehr habe er eine unerlaubte Erwerbstätigkeit ausgeübt. Er verfüge nicht über ausreichende Mittel zur Deckung seines Lebensunterhaltes, weshalb die Gefahr bestehe, dass er zur illegalen Mittelbeschaffung greife oder eine Gebietskörperschaft belaste. Das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Verwirklichung dieser Gefahr überwiege das private Interesse des Revisionswerbers am Verbleib in Österreich. Er weise stärkere Bindungen zu seinem Herkunftsstaat auf, in dem er den Großteil seines Lebens verbracht habe und seine beiden Schwestern lebten. Der Revisionswerber leide zwar an Hepatitis B und C, die medizinische Versorgung sei in Georgien aber soweit gegeben, dass die Krankheiten des Revisionswerbers behandelbar seien.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B‑VG als unzulässig erweist.
8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
10 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision der Sache nach geltend, das BVwG sei sowohl hinsichtlich der Interessenabwägung und der für das Einreiseverbot getroffenen Gefährdungsprognose als auch bezüglich der Verhandlungspflicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Im Übrigen sei eine Abschiebung des Revisionswerbers nach Georgien im Hinblick auf seine gesundheitliche Situation „unverantwortlich“.
11 Dass sich der Revisionswerber in Österreich unrechtmäßig aufhält und damit der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 FPG, auf den die Rückkehrentscheidung gestützt wurde, verwirklicht ist, wird in der Revision nicht in Frage gestellt.
12 Das mit der Rückkehrentscheidung verbundene Einreiseverbot gründeten das BFA und das BVwG auf den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG. Danach ist die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung indiziert, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, weil aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft resultiert. Dabei obliegt es dem Fremden initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass sein Unterhalt, auf den ein Rechtsanspruch bestehen muss, für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint (siehe etwa VwGH 27.8.2020, Ra 2020/21/0284, Rn. 12, mit dem Hinweis auf VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349, Rn. 32, mwN; vgl. auch VwGH 8.4.2021, Ra 2021/21/0059, Rn. 13, mwN).
13 Der Revisionswerber hat diesen Nachweis im Verfahren nicht erbracht und bestreitet auch in der Revision jene Feststellungen, aus denen sich seine Mittellosigkeit ergibt, nicht konkret. Daher durfte die aus seiner Mittellosigkeit resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen ‑ zumindest in Bezug auf die Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung ‑ auch für die Zukunft unterstellt werden. Im Übrigen wird in der Revision in keiner Weise dargetan, welche Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen ausreichender Unterhaltsmittel ergeben könnte, das BVwG nach einer ergänzenden Befragung des Revisionswerbers hätte treffen müssen.
14 Hinsichtlich der Interessenabwägung verweist der Revisionswerber lediglich auf die bereits vom BVwG berücksichtigten Gesichtspunkte, legt aber nicht dar, inwieweit auf dieser Grundlage ein anderes Ergebnis geboten gewesen wäre. Vielmehr ist die Auffassung des BVwG, das die familiären Bindungen des Revisionswerbers zu seinen beiden in Österreich lebenden Kindern durch seinen mehrjährigen Aufenthalt in Georgien als maßgebend relativiert und nicht das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen überwiegend erachtete, nicht nur vertretbar, sondern es durfte sogar von einem „eindeutigen Fall“ ausgehen, der es (ausnahmsweise) erlaubte, von einer Verhandlung samt Verschaffung eines persönlichen Eindrucks abzusehen (vgl. z.B. VwGH 8.4.2021, Ra 2021/21/0059, Rn. 14, mwN).
15 In der Revision wird schließlich noch die Erkrankung des Revisionswerbers an Hepatitis B und C und die in Georgien vorherrschende „schlechte Gesundheitslage“ geltend macht. Die Revision tritt in diesem Zusammenhang jedoch den Feststellungen des BVwG, das unter Heranziehung aktueller Länderberichte sowohl das Vorhandensein einer allgemeinen medizinischen Versorgung als auch spezielle Behandlungsmöglichkeiten einer Hepatitis‑Erkrankung in Georgien bejahte, nicht konkret entgegen. Mit dem Vorbringen zum Gesundheitszustand des Revisionswerbers kann daher weder die Richtigkeit der Interessenabwägung noch die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung wirksam bekämpft werden.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 12. Mai 2022
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
