VwGH Ra 2021/20/0484

VwGHRa 2021/20/048430.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des D A in W, vertreten durch Mag. Mirza Benca, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Grama Schwaighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottengasse 4/20‑25, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. November 2021, L507 2187327‑1/27E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §6 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021200484.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein staatenloser Palästinenser aus dem palästinensischen Gaza‑Gebiet, stellte am 4. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er zunächst damit begründete, dass seine Familie durch die ständigen Bombardierungen Israels ihr Haus verloren habe und sein Bruder dabei schwer verletzt worden sei. Der Revisionswerber sei zudem von maskierten Männern, die den Rebellen angehört hätten, bedroht sowie gesucht worden.

2 Mit Bescheid vom 25. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung „nach Israel (Gaza)“ zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen werde. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG aus, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, eine Verfolgung durch die Hamas oder sonstige bewaffnete Gruppierung glaubhaft zu machen. In Gaza könne der Revisionswerber den Schutz und Beistand des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina‑Flüchtlinge im Nahen‑Osten (UNRWA), bei dem er als Flüchtling registriert sei, in Anspruch nehmen. Es hätten sich keine Hinweise ergeben, dass UNRWA seine Aufgaben nicht mehr ausreichend wahrnehmen könne oder seine Aktivitäten eingestellt habe. Die Sicherheits‑ und Versorgungslage im Gazastreifen sei zwar „schwierig“, UNRWA sei aber nach wie vor in Gaza tätig und gewähre palästinensischen Flüchtlingen wie dem Revisionswerber, dem eine Wiedereinreise möglich sei, Schutz. Es könne daher nicht angenommen werden, dass der Revisionswerber, der sich dem Schutz und Beistand von UNRWA freiwillig entzogen habe, im Falle seiner Rückkehr keinen Schutz von UNRWA erhalten könne.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber im Wesentlichen vor, das BVwG habe verkannt, dass die Sicherheits- und Versorgungslage in Gaza unsicher sei und dies den Schutz der UNRWA habe wegfallen lassen, weshalb dem Revisionswerber der Status als Asylberechtigter zuzusprechen gewesen wäre. Ausgehend davon sei das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach ein Wegfall des Schutzes von UNRWA nicht vom Vorliegen individueller Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A GFK abhänge, sondern vielmehr auch gegeben sei, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befinde und es von UNRWA unmöglich sei, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihm übertragenen Aufgabe im Einklang stehe.

9 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 1.3.2022, Ra 2021/14/0050, mwN).

10 Dem Revisionswerber ist zunächst entgegenzuhalten, dass das BVwG davon ausgegangen ist, dass keine stichhaltigen Hinweise hervorgekommen seien, dass UNRWA wegen eines aktuellen innerstaatlichen bewaffneten Konflikts seine Aufgaben in Gaza nicht mehr ausreichend wahrnehmen könne oder aus sonstigen Gründen nicht mehr vor Ort agiere. Der Revisionswerber habe sich dem Schutz freiwillig entzogen. Aus welchem konkreten Grund diese Annahme ‑ aufgrund des festgestellten Sachverhalts ‑ rechtswidrig sein sollte, wird in der Revision nicht aufgezeigt.

11 Soweit der Revisionswerber eine Abweichung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ins Treffen führt (VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0274), ist ihm zu entgegnen, dass im Hinblick darauf, das ihm nicht der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und daher dem angeführten Erkenntnis eine andere Fallkonstellation zu Grunde lag, dieses Vorbringen schon aus diesem Grund nicht geeignet ist, aufzuzeigen, dass das BVwG von der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre (vgl. VwGH 26.5.2020, Ra 2019/20/0468).

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 19.1.2022, Ra 2021/20/0155, mwN).

13 Dem Revisionswerber, der lediglich Teile des angefochtenen Erkenntnisses zitiert und den Inhalt der Anfragebeantwortung „Palestine ‑ Gaza Strip: Security situation, civilian casualities, damage to civilian infrastructure and displacement in the Gaza Strip, between 1 May 2020‑31 May 2021“ der Asylagentur der Europäischen Union vom 8. Juni 2021 wiedergibt, gelingt es damit nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wäre.

14 Wenn der Revisionswerber vorbringt, die Sicherheits‑ und Versorgungslage in Gaza sei „äußerst prekär“, entfernt er sich obendrein vom festgestellten Sachverhalt (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, VwGH 11.2.2021, Ra 2021/20/0017, mwN).

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 30. Mai 2022

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte