VwGH Ra 2021/20/0376

VwGHRa 2021/20/037629.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des M G in W, vertreten durch Mag. Peter Michael Wolf, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Bahnhofplatz 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2021, L506 2174995‑3/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
FlKonv Art1 AbschnA Z2
62011CJ0071 Y und ZVORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021200376.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der aus dem Iran stammende Revisionswerber stellte am 14. Oktober 2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er damit begründete, dass er zum Christentum konvertiert sei, weshalb ihm im Iran Verfolgung drohe.

2 Dieser Antrag wurde im Instanzenzug vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit Erkenntnis vom 29. März 2018 abgewiesen und es wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen (sowie weitere nach dem Gesetz vorgesehene Aussprüche getätigt).

3 Am 24. August 2018 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005. Diesen begründete er im Wesentlichen erneut mit seiner Konversion zum Christentum.

4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Folgeantrag mit Bescheid vom 26. September 2018 wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht festgelegt.

5 Dieser Bescheid wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2018 über Beschwerde des Revisionswerbers behoben und das Verfahren zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

6 Mit Bescheid vom 10. Mai 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

7 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit dem Erkenntnis vom 19. August 2021 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

8 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf das Vorbringen zur Konversion zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe aus näher genannten Gründen nicht glaubhaft darlegen können, dass er aufgrund eines inneren Entschlusses zum Christentum konvertiert sei. Es handle sich um eine Scheinkonversion und es bestehe keine aktuelle Gefahr einer Verfolgung des Revisionswerbers aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe.

9 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 17. März 2022, E 581/2022‑5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung der Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts und bringt unter Anführung einzelner Passagen aus dem Erkenntnis vor, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der umfassenden Auseinandersetzung mit den Beweisergebnissen zum Ergebnis gelangt wäre, dass der Revisionswerber auf Basis der zu treffenden Feststellung der echten inneren Konversion zum Christentum im Iran einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sei.

14 Nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation sowie des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. jüngst etwa VwGH 5.4.2022, Ra 2021/14/0409, mwN).

15 Weiters entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 15.3.2022, Ra 2022/20/0035, mwN).

16 Im vorliegenden Fall führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte und ihn zu Inhalten des christlichen Glaubens und der Bibel sowie zum Praktizieren seines Glaubens und zu diesbezüglichen persönlichen Eindrücken befragte. Weiters wurde auch ein Priester als Zeuge vernommen. Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich mit den für die Beurteilung einer Konversion maßgeblichen Aspekten auseinander und gelangte auf Grundlage der Beweisergebnisse mit ausführlicher Begründung zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass nicht von einer tatsächlichen, ernsthaften Konversion des Revisionswerbers ausgegangen werden könne. Der Revision, die nur einzelne Aspekte der umfangreichen beweiswürdigenden Erwägungen anspricht, gelingt es nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung insgesamt fallbezogen unvertretbar wäre.

17 Die Revision macht in der Folge geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei auch deshalb von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung der Asylrelevanz abgewichen, weil den im Erkenntnis getroffenen ‑ näher zitierten ‑ Länderfeststellungen entnommen werden könne, dass dem Revisionswerber als konvertiertem Christen keine freie Religionsausübung im Iran möglich sei.

18 Dazu ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, in der unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 5. September 2012, C‑71/11 und C‑99/11 , Y und Z, bereits ausgesprochen wurde, dass eine begründete Furcht des Asylwerbers vor asylrelevanter Verfolgung wegen einer Konversion vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf seine persönlichen Umstände vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Wesentlich ist somit, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden.

19 Der EuGH hat in der zitierten Entscheidung auch ausdrücklich hervorgehoben, dass die Behörden bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling dem Antragsteller nicht zumuten können, auf diese religiöse Betätigung zu verzichten, um eine Verfolgung zu vermeiden (EuGH 5.9.2012, C‑71/11 und C‑99/11 , Rz 78 f). Das setzt freilich voraus, dass die Konversion nicht bloß ‑ aus opportunistischen Gründen ‑ zum Schein erfolgt ist. Läge nämlich eine sogenannte Scheinkonversion vor, wäre im Allgemeinen nicht zu erwarten, dass der Revisionswerber bei Rückkehr in den Herkunftsstaat ihn gefährdende religiöse Betätigungen vornehmen würde und es könnte auch nicht davon ausgegangen werden, dass ihn der Verzicht auf das Bekenntnis zu der neuen Glaubensgemeinschaft und zu (weiteren) religiösen Betätigungen unzumutbar belasten würden (vgl. zum Ganzen VwGH 10.8.2021, Ra 2020/18/0179, mwN).

20 Im vorliegenden Fall gelangte das Bundesverwaltungsgericht ‑ aufgrund einer nach dem oben Gesagten vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung ‑ zu dem Ergebnis, dass der Revisionswerber nicht aus innerem Entschluss zum Christentum konvertiert und der christliche Glaube kein wesentlicher Bestandteil seiner Identität sei. Er würde auch im Fall einer Rückkehr diesen Glauben nicht praktizieren. Ausgehend von dazu getroffenen Feststellungen geht somit das Revisionsvorbringen ins Leere.

21 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2022

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte