Normen
B-VG Art133 Abs4
PrivSchG 1962 §2 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021100020.J00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. September 2021 verlieh das Bundesverwaltungsgericht ‑ im Beschwerdeverfahren ‑ der von der mitbeteiligten Partei betriebenen Privatschule das Öffentlichkeitsrecht für die 9. Schulstufe für das Schuljahr 2020/21, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zuließ.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, mit Bescheid der zuständigen Schulbehörde sei die Führung der gegenständlichen Einrichtung als Privatschule ab dem Schuljahr 2016/17 nicht untersagt worden; das Recht zur Schulführung sei der mitbeteiligten Partei bis dato nicht entzogen worden. Die gegenständliche Einrichtung habe in den einzelnen Schuljahren die folgenden Gesamtzahlen an Schülerinnen und Schülern aufgewiesen: im Schuljahr 2016/17 zwei, im Schuljahr 2017/18 zwei, im Schuljahr 2018/19 drei, im Schuljahr 2019/20 vier, im Schuljahr 2020/21 zunächst drei, ab dem 23. Oktober 2020 nur noch zwei.
3 In rechtlicher Hinsicht vertrat das Verwaltungsgericht ‑ anders als die belangte Behörde (nunmehr Revisionswerber), die in ihrem Bescheid vom 5. Mai 2021 das Vorliegen einer Schule im Schuljahr 2020/21 mangels „Mehrzahl von Schülern“ iSd der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Privatschulgesetz (PrivSchG) verneint und den Verleihungsantrag der mitbeteiligten Partei zurückgewiesen hatte ‑ die Auffassung, bei der von der mitbeteiligten Partei im Schuljahr 2020/21 erhaltenen Einrichtung habe es sich aus folgenden Erwägungen tatsächlich um eine Schule gehandelt:
4 Die gegenständliche Privatschule, deren Errichtung von der zuständigen Schulbehörde nicht untersagt worden sei, sei unstrittig im Schuljahr 2016/17 errichtet worden. Eine einmal errichtete Privatschule höre aber erst dann zu existieren auf, wenn das Recht zur Führung der Privatschule entweder gemäß § 8 Abs. 1 PrivSchG ex lege erlösche oder dieses Recht gemäß § 8 Abs. 2 und 3 PrivSchG von der zuständigen Behörde entzogen werde.
5 Letzteres werde weder von der belangten Behörde behauptet noch gebe es dafür Hinweise in den dem Verwaltungsgericht vorliegenden Unterlagen. Von den Erlöschungsgründen des § 8 Abs. 1 PrivSchG käme lediglich jener nach lit. c in Betracht: Nach dieser Bestimmung erlischt das Recht zur Führung einer Schule „nach Ablauf eines Jahres, in dem die Schule nicht geführt wurde“.
6 Selbst wenn man als dafür relevanten Zeitpunkt den 23. Oktober 2020 (Zeitpunkt der Verringerung der Schüler von drei auf zwei) zugrunde legte, träte ‑ anders als die belangte Behörde annehme ‑ die ex lege-Rechtsfolge des Erlöschens des Rechts zur Schulführung erst nach Ablauf eines Jahres, gegenständlich somit frühestens ab 23. Oktober 2021, ein. Zwischen dem „Recht auf Schulführung“ und dem „Bestehen einer Schule“ könne nicht unterschieden werden, würde doch ein „Recht auf Führung einer ‑ derzeit - nicht existenten Schule“ ins Leere gehen und geradezu absurd anmuten.
7 Die gegenständliche Privatschule habe somit nicht am 23. Oktober 2020 ‑ durch Abmeldung eines Schülers ‑ aufgehört, „Schule“ iSd PrivSchG zu sein; wie sich insbesondere aus einem Inspektionsbericht vom 9. Dezember 2020 ergebe, erfülle die Privatschule (auch) alle sonstigen für die Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes erforderlichen Kriterien iSd § 14 Abs. 2 PrivSchG, weshalb dieses für das Schuljahr 2020/21 zu verleihen sei.
8 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die Entscheidung von der Lösung „insbesondere“ folgender Rechtsfragen iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG abhänge:
„3.3.2.1. Was bedeutet ‚Mehrzahl‘ iSd § 2 PrivSchG?
3.3.2.2. Hört eine Privatschule, an der sich während eines laufenden Schuljahres die Anzahl der dort unterrichteten Schülerinnen und Schüler ‑ z.B. durch Schulabmeldungen ‑ derart reduziert, dass keine ‚Mehrzahl‘ von Kindern mehr unterrichtet wird, ab dem Tag der Unterschreitung der erforderlichen Anzahl von Schülerinnen und Schülern auf, ‚Schule‘ iSd § 2 PrivSchG zu sein?
3.3.2.3. Zu welchem Zeitpunkt bzw. über welche Zeiträume müssen die Voraussetzungen für die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts gemäß § 14 Abs. 2 PrivSchG vorliegen?“
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der belangten Behörde.
10 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragt.
11 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
14 3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. etwa VwGH 24.3.2022, Ro 2021/10/0019, mwN).
15 Der Revisionswerber schließt sich in seinem gesonderten Zulässigkeitsvorbringen einerseits den vom Verwaltungsgericht formulierten Rechtsfragen an, andererseits führt er als grundsätzliche Rechtsfrage das Folgende aus:
„Wenn die Definition gemäß § 2 Abs. 1 PrivSchG nicht mehr erfüllt ist, handelt es sich dabei um einen Fall gemäß § 8 Abs. 1 lit. c leg. cit.?“
16 4. Für den vorliegenden Revisionsfall sind folgende Bestimmungen des PrivSchG in den Blick zu nehmen:
„§ 2. Begriffsbestimmungen.
(1) Schulen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wenn im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird.
[...]
§ 8. Erlöschen und Entzug des Rechtes zur Schulführung.
(1) Das Recht zur Führung einer Schule erlischt
a)mit der Auflassung der Schule durch den Schulerhalter,
b)mit dem Wegfall einer der im § 4 Abs. 1 oder 2 genannten Bedingungen,
c)nach Ablauf eines Jahres, in dem die Schule nicht geführt wurde,
d)mit der Überlassung des Schulvermögens an eine andere Person in der Absicht, die Schulerhalterschaft aufzugeben, oder
e)mit dem Tode des Schulerhalters (bei juristischen Personen mit deren Auflösung); die Verlassenschaft beziehungsweise die Erben des Schulerhalters können die Schule jedoch bis zum Ende des laufenden Schuljahres weiterführen, wobei sie die Rechte und Pflichten des Schulerhalters übernehmen; sie haben die Weiterführung der Schule der zuständigen Schulbehörde anzuzeigen.
(2) Werden nach der Eröffnung der Schule die im § 5 Abs. 1, 2 oder 4 (unter allfälliger Bedachtnahme auf § 5 Abs. 5) oder im § 6 genannten Bedingungen nicht mehr erfüllt, so hat die zuständige Schulbehörde dem Schulerhalter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel zu setzen. Werden die Mängel innerhalb dieser Frist nicht behoben, so hat die Schulbehörde die weitere Führung der Schule zu untersagen.
(3) Wenn für die Gesundheit oder Sittlichkeit der Schüler Gefahr im Verzug ist, hat die zuständige Schulbehörde die weitere Führung der Schule ohne Setzung einer Frist zu untersagen.
[...]
§ 14. Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes.
[...]
(2) Privatschulen, die keiner öffentlichen Schulart entsprechen, ist das Öffentlichkeitsrecht zu verleihen, wenn
a)die Voraussetzungen nach Abs. 1 lit. a vorliegen,
b)die Organisation, der Lehrplan und die Ausstattung der Schule sowie die Lehrbefähigung des Leiters und der Lehrer mit einem vom zuständigen Bundesminister erlassenen oder genehmigten Organisationsstatut übereinstimmen,
c)die Privatschule sich hinsichtlich ihrer Unterrichtserfolge bewährt hat und
d)die Privatschule über für die Erfüllung der Aufgaben der österreichischen Schule geeignete Unterrichtsmittel verfügt.“
17 5. Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 PrivSchG stellt auf Einrichtungen ab, in denen eine „Mehrzahl von Schülern“ gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wobei in der angeführten Norm weder eine Mindestanzahl an Schülern genannt wird, noch den Gesetzesmaterialien dazu auch nur irgendwelche Hinweise zu entnehmen sind, dass zwei Schüler keine „Mehrzahl“ wären.
18 Angesichts dessen stellt die als erste wiedergebene, auf die Bedeutung des Begriffs der „Mehrzahl“ iSd § 2 (Abs. 1) PrivSchG abzielende Rechtsfrage ausgehend von dem klaren und eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmung eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht dar (vgl. etwa VwGH 27.8.2019, Ra 2018/08/0188, mwN).
19 6. Was die zweite vom Verwaltungsgericht (unter Punkt 3.3.2.2.) aufgeworfene Rechtsfrage und die damit im Zusammenhang stehende vom Revisionswerber formulierte Rechtsfrage anlangt, so wird damit letztlich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Anwendung des § 8 Abs. 1 lit. c PrivSchG auf den vorliegenden Fall thematisiert.
20 Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt allerdings nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. etwa VwGH 10.2.2021, Ra 2020/10/0032, oder 3.1.2022, Ro 2020/10/0032, jeweils mwN).
21 Nach dem gerade Gesagten hörte die gegenständliche Privatschule am 23. Oktober 2020 nicht zufolge der Verringerung der Schülerzahl von drei auf zwei auf, eine „Schule“ iSd § 2 Abs. 1 PrivSchG zu sein. Damit hängt allerdings das rechtliche Schicksal der vorliegenden Revision von den wiedergegebenen, auf die Anwendung des § 8 Abs. 1 lit. c PrivSchG abzielenden Rechtsfragen nicht ab.
22 7. Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht auf nicht zu beanstandende Weise für das gesamte Schuljahr 2020/21, für welches allein mit dem angefochtenen Erkenntnis das Öffentlichkeitsrecht verliehen wurde, die Schuleigenschaft der gegenständlichen Einrichtung ‑ sowie die weiteren Voraussetzungen für die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts ‑ bejaht.
23 Vor diesem Hintergrund mangelt es allerdings der letzten vom Verwaltungsgericht (unter Punkt 3.3.2.3.) aufgeworfenen Rechtsfrage, zu welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts gemäß § 14 Abs. 2 PrivSchG vorliegen müssten, an einer ausreichenden fallbezogenen Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzeigen zu können (vgl. VwGH 28.2.2022, Ro 2021/10/0018, mwN).
24 8. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 21. Juni 2022
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