VwGH Ra 2021/05/0208

VwGHRa 2021/05/02082.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des Mag. R S in W, vertreten durch Mag. Gerhard Walzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 10. September 2021, VGW‑011/055/9315/2021‑12, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

BauO Wr §135
B-VG Art133 Abs4
VStG §19
VwGG §28 Abs3
VwGG §34
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050208.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 20. Mai 2021 wurde über den Revisionswerber gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) iVm § 129 Abs. 10 BO eine Strafe in Höhe von € 4.250,‑ (Ersatzfreiheitsstrafe: ein Tag und fünf Stunden) verhängt und dieser zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von € 425,‑ verpflichtet. Als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft mit beschränkter Haftung habe er es unterlassen, in der Zeit von 2. Juni 2020 bis 18. Jänner 2021 bewilligungs‑ bzw. anzeigepflichtige Abweichungen von den Bau- und Bebauungsvorschriften auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien zu beheben.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis. Den Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens setzte es mit € 850,‑ fest. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe ein bewilligungspflichtiges Portal ohne Baubewilligung und zwei anzeigepflichtige Galerien (Deckenkonstruktion samt Treppe) ohne Anzeige errichtet und trotz zunächst Aufforderung und schließlich behördlichen Auftrags vom 27. Mai 2020 nicht beseitigt. Er sei selbst davon ausgegangen, dass die baulichen Veränderungen bewilligungs- bzw. anzeigepflichtig gewesen seien, zumal er wiederholt versucht habe, einen entsprechenden Konsens zu erwirken. Bei einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 BO handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt. Der Täter könne nur dann straflos bleiben, wenn er glaubhaft mache, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei, oder wenn er aufzuzeigen vermöge, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende unternommen habe, um die Vorschriftswidrigkeit innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen (Verweis u.a. auf VwGH 30.1.2020, Ra 2019/06/0013). Zum Ausschöpfen der Möglichkeiten zur Beseitigung der Konsenswidrigkeit zähle gegebenenfalls auch die Anrufung des Gerichts; mündliche oder schriftliche Aufforderungen an Bestandnehmer oder wiederholte Urgenzen würden das Verschulden nicht ausschließen. Das Ausschöpfen aller tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten, um die Konsenswidrigkeit abzustellen, habe der Revisionswerber nicht darlegen können. Er habe den vorschriftswidrigen Zustand ohne die notwendige Bewilligung bzw. Anzeige bewusst selbst herbeigeführt; es wäre nicht sachgerecht, aufgrund seines bloßen Bemühens um eine nachträgliche Legalisierung das Verschulden auszuschließen. Er habe die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung daher sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.

4 In Anbetracht der objektiv gebotenen und dem Revisionswerber zumutbaren Sorgfalt sei das Ausmaß des Verschuldens nicht als geringfügig einzuschätzen. Die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschriften hätte keine besondere Aufmerksamkeit erfordert. Der Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit komme dem Revisionswerber nicht zugute. Sonstige Erschwerungs- oder Milderungsgründe seien nicht hervorgekommen. Er weise durchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf und sei für zwei Kinder sorgepflichtig. Mit der Novelle LGBl. Nr. 2018/69, in Kraft seit 22. Dezember 2018, sei die höchstzulässige Geldstrafe nach § 135 Abs. 1 BO von zuvor € 21.000,‑ auf € 50.000,‑ erhöht worden. Die verhängte Geldstrafe im Ausmaß von rund 9 % des Strafrahmens sei tat- und schuldangemessen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Soweit die Revision einen Verstoß gegen die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geltend macht, dass bei einem bauordnungswidrigen Zustand der „Täter“ straflos bleibe, wenn er alles in seinen Kräften Stehende unternommen habe, um diesen Zustand zu beseitigen und dem baupolizeilichen Auftrag zu entsprechen, vermag sie keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darzulegen. Das Verwaltungsgericht hat die getroffenen und unbekämpften Feststellungen zu den Bemühungen des Revisionswerbers in den Jahren 2018 bis Frühling 2021 dahingehend rechtlich gewürdigt, dass der Revisionswerber eben gerade nicht alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen habe, um die Konsenswidrigkeit innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen (vgl. VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0030, mit Verweis auf VwGH 21.11.2017, Ra 2017/05/0259, mwN). In dieser Beurteilung kann schon angesichts der langen Zeitspanne der Bemühungen keine Abweichung von der hg. Judikatur erkannt werden.

10 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit weiter aus, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zum vom Landesgesetzgeber gewünschten Zusammenhang zwischen Bauaufwand und Strafhöhe nach § 135 BO. Nach den Erläuterungen zur Baurechtsnovelle 2018 werde die Geldstrafe nunmehr soweit angehoben, dass sie „auch im Vergleich zum üblichen Bauaufwand spürbar“ werde. Daher seien die jeweiligen üblichen Baukosten ein Kriterium der Bemessung der Strafhöhe. Da das Verwaltungsgericht den Zusammenhang zwischen Bauaufwand und verhängter Strafe nicht beachtet habe, sei eine im Hinblick auf den Bauaufwand unangemessen hohe Strafe verhängt worden. Eine Zulässigkeitsbegründung, die wie hier bloß allgemeine Behauptungen oder Ausführungen enthält, die der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen, entspricht dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG nicht (vgl. für viele etwa VwGH 19.4.2021, Ra 2021/05/0060 oder 28.9.2021, Ra 2020/05/0206, jeweils mwN). Eine konkrete Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG, die der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die vorliegende Revision zu lösen hätte, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht formuliert (vgl. dazu etwa VwGH 28.4.2015, Ra 2015/05/0022; 30.3.2020, Ro 2020/05/0009, oder 24.3.2021, Ra 2021/05/0209, jeweils mwN).

Im Übrigen ist das Zulässigkeitsvorbringen in diesem Punkt bereits im Ansatz verfehlt: Weder § 135 BO noch den vom Revisionswerber zitierten Materialien ist zu entnehmen, dass der Bauaufwand über die allgemeine Erhöhung des Strafrahmens hinaus für die Strafzumessung im Einzelfall eine Rolle spielen sollte.

11 Schließlich macht die Revision eine unvertretbare Strafbemessung geltend. Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint. Da es sich bei der Strafbemessung somit um eine einzelfallbezogene Abwägung handelt, stellt sie im Allgemeinen, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 13.10.2021, Ra 2021/05/0141, mwN).

12 Das Verwaltungsgericht hat unter Bedachtnahme auf den langen Tatzeitraum den objektiven Unrechtsgehalt nicht als gering erachtet und sowohl die Vermögensverhältnisse des Revisionswerbers als auch Erschwerungs‑ und Milderungsgründe berücksichtigt. Auch unter Berücksichtigung der in der Revision angeführten weiteren Umstände vermochte der Revisionswerber mit seinem Zulässigkeitsvorbringen eine krasse Fehlbeurteilung durch das Verwaltungsgericht nicht aufzuzeigen (vgl. wiederum VwGH 13.10.2021, Ra 2021/05/0141).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 2. Juni 2022

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte