Normen
AVG §13
AVG §13 Abs1
AVG §13 Abs3
AVG §14
AVG §59 Abs1
BauO OÖ 1994 §25 Abs3
BauO OÖ 1994 §28 Abs1
BauO OÖ 1994 §49
BauRallg
VwGVG 2014 §17
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050030.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Spruchpunkt II. des Erkenntnisses vom 8. April 2020 erteilte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) den Revisionswerbern unter Abweisung ihrer Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde T. vom 30. August 2019 den auf § 49 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) gestützten Auftrag, hinsichtlich des auf einer näher bezeichneten Liegenschaft gelegenen, in ihrem Eigentum befindlichen Wohngebäudes und seiner von der Baubewilligung abweichenden Änderungen innerhalb von fünf Monaten ab Zustellung des Erkenntnisses die baurechtlich notwendigen Bauanzeigen oder Baubewilligungsanträge einzubringen oder das Wohngebäude innerhalb einer Frist von neun Monaten ab Zustellung zu beseitigen sowie den westlich der Garage befindlichen „Wintergarten“ und die Gartenhütte an der südwestlichen Grundgrenze innerhalb einer Frist von neun Monaten ab Zustellung des Erkenntnisses zu entfernen und hiedurch den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. November 2020, E 1889/2020‑14, deren Behandlung abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
3 Daraufhin erhoben die Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision (gesondert) vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Zulässigkeitsbegründung wendet sich zunächst gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, es sei das gesamte Wohngebäude abzutragen. Dies mit der Begründung, die getroffenen Feststellungen ließen nicht den Schluss zu, dass die wohnhausbezogenen konsenslosen baulichen Anlagenteile (der Dachgeschoßausbau im Norden, zwei Schleppgaupen über diesem Dachgeschoßausbau, zwei weitere Gaupen im Süden sowie der zweigeschoßige Wintergarten im Süden) von dem vom Konsens umfassten Wohnhaus nicht (technisch) trennbar wären. Das Verwaltungsgericht lege auch nicht dar, aus welchen Gründen diese baulichen Anlagenteile vom Hauptgebäude nicht getrennt werden könnten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass diese Anlagenteile vom Wohngebäude nicht getrennt werden könnten bzw. sich diesbezüglich der Beseitigungsauftrag nicht bloß auf diese konsenslosen Bauteile beziehen könnte.
8 Dazu ist auszuführen, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechts nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen oder die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. VwGH 21.7.2022, Ra 2021/05/0172; 2.7.2021, Ra 2021/05/0102, jeweils mwN).
9 Weder legt die Revision mit dieser Begründung eine Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts, noch eine grob fehlerhafte Beurteilung des Verwaltungsgerichts dar. Die Revision zeigt nicht ansatzweise auf, welche Feststellungen das Verwaltungsgericht noch zu treffen gehabt hätte und inwieweit diese das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses beeinflusst hätten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Revisionswerber durch die behauptetermaßen fehlende Begründung des Verwaltungsgerichts an der Verfolgung ihrer Rechte gehindert gewesen wären, zumal sich das Verwaltungsgericht im Abschnitt „Teilabbruch oder Gesamtabbruch“ eingehend mit der hg. Judikatur zu Bauaufträgen bei einheitlichen Bauwerken und zur Trennbarkeit konsensloser Teile des Bauvorhabens auseinandergesetzt und die fallbezogen angenommene Unteilbarkeit unter Hinweis auf die mündliche Erörterung dieses Themenkreises in der unter Beiziehung eines bautechnischen Amtssachverständigen durchgeführten mündlichen Verhandlung und auf die zustimmende Kenntnisnahme dieser Rechtsansicht durch die anwaltlich vertretenen Revisionswerber begründet hat. Mit dem unsubstantiierten Vorbringen, es sei nicht ersichtlich, dass die genannten Anlagenteile nicht getrennt werden könnten, vermögen die Revisionswerber eine grob fehlerhafte Beurteilung des Verwaltungsgerichts nicht aufzuzeigen. Im Übrigen unterliegt dieses Vorbringen zur Teilbarkeit dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG zu berücksichtigenden Neuerungsverbot, weil die Revisionswerber ein entsprechendes Vorbringen weder im verwaltungsbehördlichen noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattet haben (vgl. etwa VwGH 16.9.2022, Ra 2022/05/0136, mwN).
10 Hinsichtlich des Glasverbaus im Westen der Garage („Wintergarten“) bringt die Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von einer baurechtlichen Anzeigepflicht gemäß § 25 Abs. 1 Z 5 Oö. BauO 1994 ausgegangen. Eine mündliche Bauanzeige sei ‑ wie von den Revisionswerbern im Beschwerdeverfahren bereits vorgebracht ‑ vorgelegen und die Bauausführung sei von der Behörde nicht untersagt worden. Sei kein Verbesserungsauftrag an die Revisionswerber erteilt worden, müsse von einer bis dahin rechtswirksamen Bauanzeige ausgegangen werden. Es bestehe keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, ob eine rechtswirksame Bauanzeige auch dann vorliege, wenn diese mündlich erfolgt sei, die Baubehörde jedoch weder einen Verbesserungsauftrag zur Verschriftlichung der Bauanzeige erteilt noch die Bauausführung untersagt habe. Die Baubehörde sei weiters gemäß § 14 AVG verpflichtet gewesen, die mündliche Bauanzeige in einer Niederschrift festzuhalten oder zumindest diese mündliche Bauanzeige im Rahmen eines schriftlichen Aktenvermerks festzuhalten.
11 Gemäß § 25 Abs. 3 iVm § 28 Abs. 1 Oö. BauO 1994 ist eine Bauanzeige schriftlich bei der Baubehörde einzubringen.
12 Bei schriftlich einzubringenden Anbringen sind die Behörden nicht verpflichtet, dementgegen mündlich erhobene Eingaben niederschriftlich aufzunehmen; über ein trotz Schriftlichkeitserfordernis bloß mündlich erhobenes Anbringen ist nicht zu entscheiden (vgl. VwGH VS 6.5.2004, 2001/20/0195, VwSlg 16356 A/2004; 27.3.2018, Ro 2015/06/0022).
13 Ein Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG setzt eine an sich wirksam erhobene Eingabe voraus; im Fall einer unwirksamen Eingabe sind die Behörden und Gerichte nicht gehalten, einen auf diese Norm gestützten Verbesserungsauftrag zu erteilen (vgl. VwGH 2.7.2018, Ra 2018/12/0019, unter Hinweis auf VwGH 11.10.2011, 2008/05/0156).
14 Die von den Revisionswerbern zur Rechtswirksamkeit einer bloß mündlichen Bauanzeige angesprochene Rechtsfrage ist auf Grund der dargestellten Judikatur dahingehend geklärt, dass, wenn ‑ wie hier ‑ eine Niederschrift nicht aufgenommen wurde ‑ wozu die Behörde im Fall des Gebotes der Schriftlichkeit einer Eingabe nicht verpflichtet ist ‑ eine rechtswirksame Bauanzeige durch eine mündlich erfolgte Eingabe nicht vorliegt, sodass diesbezüglich auch keine Pflicht zur Erteilung eines Mängelbehebungsauftrags im Hinblick auf die gebotene Schriftlichkeit der Eingabe besteht. Eine zu lösende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird somit im Zusammenhang mit der Rechtswirksamkeit einer mündlichen Bauanzeige nicht aufgeworfen.
15 Ebenfalls im Zusammenhang mit dem „Wintergarten“ im Westen der Garage bringt die Zulässigkeitsbegründung vor, der betroffene Glasanbau sei nur zum Teil im Grünland errichtet, ansonsten im Bereich der „Sternchenflächenwidmung“. Das Verwaltungsgericht hätte daher diesbezüglich lediglich einen Bauauftrag hinsichtlich jenes Teils des Glasanbaus erteilen dürfen, welcher sich im Grünland befinde, zumal das Verwaltungsgericht selbst davon ausgegangen sei, dass hinsichtlich des Bereichs der „Sternchenbauwidmung“ eine nachträgliche Bauanzeige möglich wäre.
16 Diesbezüglich reicht es darauf hinzuweisen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bei einem einheitlichen Bau ‑ um einen solchen handelt es sich nach der Beurteilung des Verwaltungsgerichts ‑ die Frage der Trennbarkeit in einen bewilligungsfähigen und einen nicht bewilligungsfähigen Teil nicht aufzuwerfen ist (vgl. VwGH 18.6.1991, 90/05/0246, betreffend einen Zubau, der teilweise eine vordere Baufluchtlinie überragte; vgl. auch die in Neuhofer, Oberösterreichisches Baurecht7 [2014], § 49 Oö. BauO 1994 Rn 10, zitierte Judikatur). Inwiefern die damit in Einklang stehende Beurteilung des Verwaltungsgerichts grob fehlerhaft wäre, zeigt die Zulässigkeitsbegründung nicht auf, zumal aus dem Hinweis auf eine mögliche nachträgliche Bauanzeige bei anderer ‑ widmungskonformer ‑ Projektgestaltung für die Frage der ‑ von den Revisionswerbern nicht weiter begründeten ‑ Teilbarkeit des „Wintergartens“ nichts zu gewinnen ist.
17 Schließlich wendet sich die Zulässigkeitsbegründung gegen den Bauauftrag in Bezug auf die Gartenhütte an der südwestlichen Grundgrenze mit der Begründung, das Verwaltungsgericht wäre in grober Fehlbeurteilung davon ausgegangen, es liege kein vermuteter Konsens vor, obwohl aufgrund der hier gegebenen Nichtbeanstandung durch die Baubehörde von einem solchen auszugehen gewesen wäre.
18 Neben der Begründung, wonach ein zwischen 1950 und 1970 errichtetes Gartenhaus keinen „alten Bestand“ im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum vermuteten Konsens darstellt, hat das Verwaltungsgericht auch auf Basis der hg. Judikatur festgehalten, dass eine Baubewilligung auch nicht durch ein konkludentes Verhalten der Bauaufsichtsorgane begründet werden kann. Die Tatsache, dass die Baubehörde nach Errichtung des Gebäudes keinen baupolizeilichen Auftrag wegen Konsenslosigkeit erlassen hat, vermag die Annahme eines vermuteten Konsenses des Gebäudes nicht zu begründen (vgl. VwGH 17.12.2018, Ra 2018/05/0264 und 0265; 23.5.2018, Ra 2018/05/0162). Vor diesem Hintergrund ist eine von den Revisionswerbern behauptete grobe Fehlbeurteilung nicht erkennbar, weshalb auch mit diesem Vorbringen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht begründet werden kann.
19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. November 2022
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