VwGH Ro 2019/05/0025

VwGHRo 2019/05/002512.5.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des Gemeinderates der Gemeinde M, vertreten durch Mag. Tina Jägersberger, Rechtsanwältin in 4614 Marchtrenk, Welser Straße 3/21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 11. Juli 2019, LVwG‑151731/16/EW/KGr ‑ 151811/2, betreffend feuerpolizeiliche Mängelbeseitigungsaufträge (mitbeteiligte Parteien: 1. C J in T, 2. L B in M, 3. G C in M, 4. M C in M, 5. J K in W, 6. M D in M, 7. L Do in M, 8. S D in M, 9. V D in M, 10. R E in M, 11. S E in M, 12. G E in M, 13. S E in M, 14. E E in M, 15. I F in M, 16. T F in M, 17. R F in M, 18. A W in M, 19. G G in M, 20. T H in M, 21. P H in M, 22. T S in T, 23. M N in T, 24. M H in M, 25. S H in M, 26. I H in M, 27. K H in O, 28. T I in M, 29. Verlassenschaft nach P I, 30. A K in M, 31. C K in M, 32. P K in M, 33. S K in M, 34. K B in W, 35. F S in M, 36. R L in M, 37. G L in M, 38. W L in M, 39. I L in M, 40. E L in M, 41. C M in M, 42. E M in M, 43. S M in M, 44. A M in M, 45. B M in M, 46. G M in M, 47. L O in M, 48. A O in M, 49. P P in M, 50. I P in M, 51. D P in M, 52. W P in M, 53. M R in M, 54. J R in M, 55. J R in M, 56. M R in M, 57. A R in M, 58. K R in M, 59. C E in M, 60. H R in M, 61. R R in M, 62. A S in M, 63. D S in M, 64. M S in M, 65. H S in M, 66. A S in B, 67. P S in M, 68. D S in M, 69. N S in M, 70. B S in M, 71. I S in E, 72. R S in M, 73. W S in M, 74. Z T in M, 75. A T in M, 76. A T in M, 77. I T in M, 78. X W in M, 79. Ing. H B in M, 80. A H in M, 81. E KG in M, alle vertreten durch Hawel ‑ Eypeltauer ‑ Gigleitner ‑ Huber & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Lederergasse 18; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Vlbg 2001
BauO OÖ 1994
BauO OÖ 1994 §46
FGPG OÖ 1994
FGPG OÖ 1994 §13 Abs1
FPolO Vlbg 1949

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019050025.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien gegen den im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid der revisionswerbenden Partei vom 23. März 2018, mit welchem ihnen als Miteigentümer eines näher bezeichneten Wohnobjektes gemäß § 13 Abs. 1 Oö. Feuer- und Gefahrenpolizeigesetz (Oö. FGPG) die Behebung näher genannter Mängel aufgetragen worden war, stattgegeben und der genannte Bescheid dahin abgeändert, dass deren Berufung stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid im Anfechtungsumfang (hinsichtlich der Spruchpunkte 2. bis 4., 6. und 8.) aufgehoben werde. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit im Revisionsfall entscheidungsrelevant ‑ aus, bei den in den Spruchpunkten 2. bis 4. und 8. des angefochtenen Bescheides angeordneten Mängelbehebungsaufträgen handle es sich um bauliche Maßnahmen, die auf eine Änderung des baulichen Zustandes des Gebäudes abzielen würden. Baurechtliche Brandschutzvorschriften seien gegenüber den allgemeinen Brandschutzvorschriften nach dem Oö. FGPG vorrangig anzuwenden. Dies schließe Mängelbehebungsaufträge nach den feuerpolizeilichen Vorschriften nicht aus, soweit das jeweilige Feuerpolizeigesetz eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür biete. Soweit bei einer feuerpolizeilichen Überprüfung Mängel festgestellt würden, die den Wirkungsbereich einer anderen Behörde, wie etwa der Baubehörde, beträfen, sei dieser gemäß § 13 Abs. 3 Oö. FGPG eine Abschrift der Niederschrift über die feuerpolizeiliche Überprüfung zu übermitteln. Daraus ergebe sich, dass das Oö. FGPG keine gesetzliche Grundlage für die gegenständlichen Anordnungen betreffend bauliche Maßnahmen biete. Im Übrigen normiere § 13 Abs. 1 Oö. FGPG ‑ im Gegensatz zu § 46 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) ‑ auch keine Durchbrechung der Rechtskraft von Baubewilligungsbescheiden aus Gründen des Brandschutzes. Bei einer feuerpolizeilichen Überprüfung festgestellte Mängel an baulichen Anlagen seien demnach von der Baubehörde aufzugreifen, die die erforderlichen baubehördlichen Ermittlungen einzuleiten habe. Eine Zuständigkeit der Feuerpolizeibehörde nach dem Oö. FGPG bestehe in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht. Die bescheidmäßigen Anordnungen laut den Spruchpunkten 2. bis 4. und 8. seien mangels gesetzlicher Grundlage im Oö. FGPG unzulässig und somit rechtswidrig.

6 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es bisher keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gebe, ob die Feuerpolizeibehörde auf Grundlage des Oö. FGPG ‑ auch über die baubehördliche Genehmigung hinausgehende ‑ bauliche Maßnahmen, die Änderungen des baulichen Zustands beträfen (wie etwa die Errichtung von Brandschutzportalen, die Ausstattung mit Brandschutztüren, etc.), vorschreiben dürfe.

7 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision schließt sich die revisionswerbende Partei der Begründung des Verwaltungsgerichtes an und erstattet kein darüberhinausgehendes Zulässigkeitsvorbringen.

Damit wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

8 Eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nicht vor, wenn diese durch zur früheren Rechtslage ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde. Dasselbe gilt, wenn die Frage durch Rechtsprechunghttps://www.ris.bka.gv.at/MarkierteDokumente.wxe?Abfrage=Vwgh&Entscheidungsart=Beschluss&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=&VonDatum=&BisDatum=25.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=Rechtsprechung anderen Normen unterscheide*&WxeFunctionToken=342592c9-8a46-4921-ba50-bb918e95d9ba#hit24 zu https://www.ris.bka.gv.at/MarkierteDokumente.wxe?Abfrage=Vwgh&Entscheidungsart=Beschluss&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=&VonDatum=&BisDatum=25.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=Rechtsprechung anderen Normen unterscheide*&WxeFunctionToken=342592c9-8a46-4921-ba50-bb918e95d9ba#hit23anderen Normenhttps://www.ris.bka.gv.at/MarkierteDokumente.wxe?Abfrage=Vwgh&Entscheidungsart=Beschluss&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=&VonDatum=&BisDatum=25.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=Rechtsprechung anderen Normen unterscheide*&WxeFunctionToken=342592c9-8a46-4921-ba50-bb918e95d9ba#hit25, die sich in den entscheidenden Teilen nicht von den im konkreten Fall anzuwendenden https://www.ris.bka.gv.at/MarkierteDokumente.wxe?Abfrage=Vwgh&Entscheidungsart=Beschluss&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=&VonDatum=&BisDatum=25.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=Rechtsprechung anderen Normen unterscheide*&WxeFunctionToken=342592c9-8a46-4921-ba50-bb918e95d9ba#hit24Normen unterscheidenhttps://www.ris.bka.gv.at/MarkierteDokumente.wxe?Abfrage=Vwgh&Entscheidungsart=Beschluss&Sammlungsnummer=&Index=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=&VonDatum=&BisDatum=25.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=50&Suchworte=Rechtsprechung anderen Normen unterscheide*&WxeFunctionToken=342592c9-8a46-4921-ba50-bb918e95d9ba#hit26, beantwortet wurde (vgl. etwa VwGH 4.11.2016, Ra 2016/05/0105, mwN).

9 Dies ist hier der Fall: Mit dem Verhältnis zwischen den Vorschriften der Bauordnung und der Feuerpolizeiordnung hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beschäftigt. In dem zur Bauordnung für Wien ergangenen hg. Erkenntnis vom 10. November 1902, VwSlg. 1317 A, hat der Gerichtshof den Grundsatz ausgesprochen, dass in der Handhabung der Feuerpolizeiordnung Anordnungen nicht getroffen werden können, welche die durch den Baukonsens erworbenen Rechte beinträchtigen (vgl. dazu auch VwGH 30.9.1963, 920/63). In der von diesem Grundgedanken getragenen Rechtsprechung hielt der Verwaltungsgerichtshof zudem fest, dass unter den „feuergefährlichen Übelständen“ nicht der allgemeine Bauzustand eines Gebäudes inbegriffen sei, der ja behördlich konsentiert und an und für sich eine Feuergefahr herbeizuführen nicht geeignet ist und ein Auftrag zur Änderung des baulichen Zustandes eines Gebäudes, der der Baubewilligung entspricht, ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung aufgrund der allgemeinen Feuerpolizeivorschriften nicht erteilt werden kann (vgl. etwa betreffend Wien VwGH 13.4.1904, VwSlg. 2541 A, und 23.10.1904, VwSlg. 2059 A, sowie betreffend Niederösterreich VwGH 9.9.1963, 643/63). Die gleichen Grundsätze gelten auch für das Verhältnis zwischen dem Vorarlberger Baugesetz und der Vorarlberger Feuerpolizeiordnung (vgl. zum Ganzen VwGH 28.4.2022, Ro 2020/06/0003).

10 Diese Rechtsprechung ist auf das Verhältnis zwischen der Oö. BauO 1994 und dem Oö. FGPG übertragbar. Auch die von der revisionswerbenden Partei herangezogene Bestimmung des § 13 Abs. 1 Oö. FGPG stellt sich gegenüber den Vorschriften der Oö. BauO 1994 als generelle Norm dar, die daher im Falle des Bestehens speziellerer Sondervorschriften der Oö. BauO 1994 zurückzutreten hat (vgl. wiederum VwGH 28.4.2022, Ro 2020/06/0003). Eine solche Sondervorschrift stellt § 46 Oö. BauO 1994 dar, welche Bestimmung Eingriffe in einen bestehenden Konsens ermöglicht. Solche nachträglichen Aufträge können unter anderem dann erteilt werden, wenn eine Gefährdung für das Leben und die körperliche Sicherheit von Menschen der Behörde bekannt wird, und sollen auch der Beseitigung von brandbedingten Gefährdungen dienen. Diese Bestimmung zielt darauf ab, der Baubehörde trotz konsensgemäßer Errichtung einer baulichen Anlage eine Eingriffsmöglichkeit bei Vorliegen eines bestimmten Gefährdungspotentials, etwa im Fall von sich aus den Ergebnissen einer feuerpolizeilichen Überprüfung gemäß §§ 10 ff Oö. FGPG ergebenden brandschutztechnischen Mängeln, zu gewährleisten. Daraus ergibt sich, dass § 13 Abs. 1 Oö. FGPG keine taugliche Grundlage für die Anordnung von Maßnahmen zur Änderung des baulichen Zustandes eines konsentierten Gebäudes bildet.

11 Die seitens des Verwaltungsgerichtes und der revisionswerbenden Partei aufgeworfene Rechtsfrage ist daher durch auf die Rechtslage in Oberösterreich übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt. Dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen sei, behauptet die Revision nicht und ist auch nicht ersichtlich.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. Mai 2022

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