VwGH Ra 2021/19/0171

VwGHRa 2021/19/017118.5.2021

Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des B M in S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Jänner 2021, W123 2187347‑2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190171.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 10. September 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 24. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 30. September 2019 als unbegründet ab.

2 Mit rechtskräftigem Bescheid vom 2. Juli 2020 erließ das BFA neuerlich eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und erließ ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot.

3 Am 22. Oktober 2020 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass er sich nach Abweisung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz vom Islam abgewandt habe und zum Christentum konvertiert sei. Er habe sich der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angeschlossen. Aufgrund seiner Konversion drohe ihm in Afghanistan Verfolgung.

4 Mit Bescheid des BFA vom 4. Dezember 2020 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

6 Mit Beschluss vom 10. März 2021, E 581/2021‑5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das BVwG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine entschiedene Sache vorgelegen wäre. Dies treffe aber nicht zu, weil der Revisionswerber eine Änderung des Sachverhaltes seit der Abweisung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz ‑ nämlich seine nach Rechtskraft der Vorentscheidung erfolgte Konversion zum Christentum ‑ geltend gemacht habe. Dadurch drohe dem Revisionswerber in Afghanistan nunmehr Verfolgung. Soweit das BVwG den Angaben des Revisionswerbers zu seiner Konversion die Glaubwürdigkeit abspreche, sei die Begründung dafür auch nicht nachvollziehbar.

11 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung ‑ nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen ‑ berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. etwa VwGH 13.7.2020, Ra 2020/18/0071, mwN).

12 Mit den Ausführungen in der Revision wird übergangen, dass das BVwG im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen ist, dass der Revisionswerber keine Änderung des Sachverhaltes behauptet hätte, der Relevanz zukäme, sondern sich darauf gestützt hat, dass der behaupteten Sachverhaltsänderung kein „glaubhafter Kern“ zukomme.

13 Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen „glaubhaften Kern“ aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 9.12.2020, Ra 2019/19/0424, mwN).

14 Seine Annahme, dem Vorbringen des Revisionswerbers komme kein „glaubhafter Kern“ zu, gründete das BVwG insbesondere darauf, dass der Revisionswerber nur ganz rudimentäres Wissen über den von ihm angeblich angenommenen Glauben habe und seinen Glaubenswechsel nicht plausibel habe darstellen können. Die eklatanten Wissenslücken des Revisionswerbers seien insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Revisionswerber angegeben habe, sich bereits seit über einem Jahr mit seinem neuen Glauben intensiv zu beschäftigen, nicht erklärbar. Es sei davon auszugehen, dass der erneute Antrag auf internationalen Schutz nur dazu diene, die Abschiebung zu verhindern. Die Revision zeigt eine Unvertretbarkeit dieser Erwägungen nicht auf.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 18. Mai 2021

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