Normen
BRÄG 2020
RAO 1868 §16 Abs4
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030140.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin wurde mit Bescheid der Abteilung 2 des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: Ausschuss) vom 4. Oktober 2018 gemäß § 45 Abs. 1 RAO zur Verteidigerin in einem näher bezeichneten Strafverfahren bestellt.
2 Über ihren Antrag vom 14. Jänner 2019 wurde ihr für erbrachte Leistungen in diesem Strafverfahren im Jahr 2018 vom Ausschuss rechtskräftig eine Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO zuerkannt.
3 Mit Email vom 9. Jänner 2020 übermittelte die Revisionswerberin dem Ausschuss ein Kostenverzeichnis vom 30. Dezember 2019, in dem Kosten für Leistungen im genannten Strafverfahren (von Jänner bis April 2019) von insgesamt € 22.747,80 verzeichnet waren.
4 Mit Schreiben vom 21. Jänner 2021 beantragte die Revisionswerberin beim Ausschuss unter Bezugnahme auf das gegenständliche Strafverfahren eine Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO für den Leistungszeitraum vom 1. Jänner 2019 bis 31. Dezember 2019 von ‑ aufgeschlüsselten ‑ € 34.804,14.
5 Mit Bescheid vom 9. Februar 2021 wies der Ausschuss diesen Vergütungsantrag der Revisionswerber zurück und begründete seine Entscheidung ‑ zusammengefasst ‑ damit, dass ein Antrag auf Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres einzubringen sei. Die Revisionswerberin mache eine Vergütung für Leistungen im Jahr 2019 geltend, und zwar erstmals mit Schreiben vom 21. Jänner 2021 (in ihrem Email vom 9. Jänner 2020 und im Kostenverzeichnis vom 30. Dezember 2019 sei kein Antrag auf Vergütung gestellt worden). Ihr Antrag sei somit verspätet.
6 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung gab das Plenum des Ausschusses mit Bescheid vom 9. März 2021 keine Folge.
7 Die gegen den letztgenannten Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Begründend schloss es sich im Wesentlichen der oben wiedergegebenen rechtlichen Argumentation des Ausschusses an.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, § 16 Abs. 4 RAO sei mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2020 geändert worden. Das VwG vermeine, dass diese neue Rechtslage auf den gegenständlichen Fall anzuwenden sei, obwohl die Novelle erst mit 1. April 2020 in Kraft getreten sei. Diese Rechtsansicht sei unrichtig. Für den gegenständlichen Fall sei vielmehr die ‑ auf die frühere Rechtslage bezogene ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 11.7.2019, Ra 2019/03/0013) anzuwenden, wonach die Sondervergütung zu erbringen sei, wenn die Leistungen des Rechtsanwalts im jeweiligen Kalenderjahr die gesetzlichen Schwellenwerte überstiegen. Somit sei zum Zeitpunkt der Antragstellung jedenfalls von der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (zu Ra 2019/03/0013) auszugehen gewesen. Es widerspreche dem Vertrauensgrundsatz sowie dem Gleichheitssatz, wenn es einerseits möglich sei, noch vor In-Kraft‑Treten der RAO‑Novelle der höchstgerichtlichen Rechtsprechung widersprechende Anträge im Sinne des § 16 RAO zu stellen, dies andererseits jedoch nach In-Kraft-Treten und somit erstmaliger eindeutiger gesetzlicher Regelung nicht mehr möglich sei, weil die Frist dafür abgelaufen sei.
9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
11 Gemäß § 16 Abs. 4 RAO hat der nach den §§ 45 oder 45a RAO bestellte Rechtsanwalt in Verfahren, in denen er innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, unter den Voraussetzungen des Abs. 3 (wenn er also zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätte) für alle jährlich darüberhinausgehenden Leistungen einen Vergütungsanspruch an die Rechtanwaltskammer. Der Vergütungsantrag ist gemäß § 16 Abs. 4 dritter Satz RAO bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen.
12 Bis zum Berufsrechts-Änderungsgesetz 2020, BGBl. I Nr. 19/2020 (BRÄG 2020), auf das sich die Revisionswerberin in ihrem Vorbringen bezieht, war im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet, ab welchem Zeitpunkt die in § 16 Abs. 4 RAO genannte Jahresfrist, innerhalb derer mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden zu erbringen sind, zu laufen beginnt. Der Verwaltungsgerichtshof vertrat dazu die Auffassung, dass ein Anspruch auf Sondervergütung nach § 16 Abs. 4 RAO nur dann bestehe, wenn durch die Leistungen des Rechtsanwalts innerhalb eines Kalenderjahres die maßgebliche Grenze überschritten werde; durch die Fallfrist des § 16 Abs. 4 dritter Satz RAO werde der Rechtsanwalt dazu verpflichtet, innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres seinen Vergütungsanspruch einzubringen (VwGH 11.7.2019, Ra 2019/03/0013).
13 Mit dem BRÄG 2020 (In-Kraft getreten am 1. April 2020) wurde in § 16 Abs. 4 RAO die Wendung aufgenommen, dass die Jahresfrist, innerhalb derer die maßgebliche Grenze überschritten werden muss, „ab dem ersten von ihm [gemeint: dem gemäß § 45 oder 45a bestellten Rechtsanwalt] geleisteten Verhandlungstag“ zu laufen beginnt. Eine Änderung der Fallfrist gemäß § 16 Abs. 4 dritter Satz RAO für die Geltendmachung des Anspruches („bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres“) erfolgte nicht.
14 Der Revisionswerberin ist zuzugeben, dass die neue Rechtslage (ungeachtet der Frage, ob sie im gegenständlichen Fall zum Tragen kommt) dann Probleme für den betroffenen Rechtsanwalt in Bezug auf die fristgerechte Geltendmachung seines Anspruchs aufwerfen kann, wenn die von ihm erbrachten Leistungen ab dem ersten von ihm geleisteten Verhandlungstag bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres die maßgebliche Grenze nicht überschreiten, im weiteren aber ‑ bis zum Ablauf des vom ersten Verhandlungstag an gerechneten Jahres ‑ den Schwellenwert überschreiten könnten. In diesem Fall wird er nämlich zu jenem Zeitpunkt, zu dem er Leistungen für jenes Kalenderjahr, in dem der erste Verhandlungstag lag, gegenüber der Rechtsanwaltskammer geltend machen müsste (spätestens zum 31. März des folgenden Kalenderjahres), oftmals nicht abschätzen können, ob ihm insgesamt überhaupt ein Vergütungsanspruch nach § 16 Abs. 4 RAO zukommen wird. Was in einem solchen Fall zu gelten hätte, bedarf noch einer gesonderten Klärung.
15 Dieser klärungsbedürftige Fall ist hier aber nicht zu beurteilen: Die Revisionswerberin machte nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen erst am 21. Jänner 2021 eine Vergütung gemäß § 16 Abs. 4 RAO für Leistungen im Jahr 2019 geltend. Derartige Ansprüche wären aber nach § 16 Abs. 4 dritter Satz RAO und der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu auch die bereits zitierte Entscheidung VwGH 11.7.2019, Ra 2019/03/0013) bis spätestens 31. März 2020 bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu beantragen gewesen.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 1. September 2021
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