Normen
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210403.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der am 29. Juli 1996 geborene Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, hält sich seit 2002 in Österreich auf. Ihm waren wiederholt Aufenthaltstitel, zuletzt der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt ‑ EU“, erteilt worden.
2 Mit rechtskräftigem Urteil vom 19. November 2012 verhängte das Landesgericht Korneuburg über ihn wegen Jugendstraftaten (Nötigung und versuchte Nötigung) eine (bedingt nachgesehene) einmonatige Freiheitsstrafe.
3 Mit rechtskräftigem Urteil vom 15. April 2015 verhängte das Landesgericht Korneuburg über den Revisionswerber wegen des am 1. Dezember 2014 als Mittäter begangenen Verbrechens des Raubes (betreffend ein Mobiltelefon im Wert von rund € 400,‑ ‑ unter Äußerung, wenn dessen Besitzer versuche, mit dem Handy wegzulaufen, schieße er ihm in den Rücken), weiters wegen zwei am 24. September und 1. Dezember 2014 begangenen Nötigungen, eines Diebstahls (von Zigaretten am 1. Dezember 2014), eines am 24. September 2014 begangenen Betruges (betreffend ein weiteres Mobiltelefon im Wert von rund € 440,‑ ‑) sowie verschiedener Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift (Überlassung von Marihuana von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 1. Februar 2015 an verschiedene Abnehmer sowie Erwerb und Besitz dieses Suchtgifts zum Eigengebrauch) eine (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe von zwei Jahren.
4 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Februar 2016, abgeändert durch Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 27. Juli 2016, wurde über den Revisionswerber wegen der Verbrechen des schweren Raubes (eines Mobiltelefons am 23. Oktober 2015 unter Verwendung eines Messers), der schweren Nötigung (durch Bedrohung des Opfers der eben erwähnten Straftat mit dem Umbringen für den Fall einer Anzeige) sowie wegen Veruntreuung (eines weiteren Mobiltelefons am 28. Oktober 2015) wiederum eine zweijährige, nunmehr unbedingte Freiheitsstrafe verhängt, aus der er Anfang 2017 bedingt entlassen wurde.
5 Mit weiterem rechtskräftigem Urteil vom 2. Oktober 2017 verhängte das Landesgericht für Strafsachen Wien über den Revisionswerber wegen öffentlich und gegen Entgelt erfolgter Weitergabe von Marihuana (an einen verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes Wien) am 18. August 2017 sowie Erwerbs und Besitzes dieses Suchtgifts zum Eigenkonsum eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
6 Schließlich verhängte das Landesgericht Wiener Neustadt über den Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil vom 8. August 2018 wegen eines am 14. Juni 2018 begangenen Diebstahls von zumindest 40 kg Kupferkabel der Österreichischen Bundesbahnen eine Freiheitsstrafe von vier Monaten. Die erwähnte bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug (siehe Rn. 4) wurde widerrufen.
7 Der Revisionswerber befand sich zuletzt vom 1. Februar 2019 bis zum 12. August 2020 durchgehend in Strafhaft.
8 Mit Bescheid vom 8. April 2020 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 5 FPG eine Rückkehrentscheidung. Es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung (nach Serbien) zulässig sei, und setzte gemäß § 55 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise. Weiters erließ es gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot.
9 Mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung vom 14. August 2020 ergangenen Erkenntnis vom 19. August 2020 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) einer dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde teilweise Folge und setzte die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herab. Im Übrigen wies es seine Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
10 Begründend verwies das BVwG im Wesentlichen auf die zahlreichen und zum Teil massiven Straftaten des Revisionswerbers, die eine gegenwärtige hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 52 Abs. 5 FPG begründen.
Für die Annahme eines Wegfalls oder einer maßgeblichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit sei der Zeitraum des seit der Haftentlassung gesetzten Wohlverhaltens, der umso länger anzusetzen sei, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit bislang manifestiert habe, jedenfalls zu kurz. Allerdings sei die Dauer des aufgrund der Straftaten gerechtfertigten sowie unbedingt notwendigen Einreiseverbotes unter Berücksichtigung der langen Aufenthaltsdauer in Österreich und der ‑ wenn auch nicht allzu intensiven ‑ familiären und privaten Bindungen auf ein angemessenes Ausmaß von drei Jahren zu reduzieren gewesen.
Der im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern nach Österreich eingereiste Revisionswerber sei ledig, kinderlos und habe keine Sorgepflichten. Er spreche Serbisch, Deutsch und Englisch. In Österreich habe er nach seinem Pflichtschulbesuch verschiedene Lehrausbildungen begonnen, jedoch keine davon abgeschlossen. Er sei gesund und arbeitsfähig sowie wiederholt, wenn auch unterbrochen durch den Bezug von Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung, Erwerbstätigkeiten nachgegangen; zuletzt sei er wieder ohne Beschäftigung gewesen. Seit der Haftentlassung lebe er gemeinsam mit seiner Mutter. Sein Vater, der einen Herzinfarkt erlitten habe und pflegebedürftig sei, wohne gemeinsam mit seiner nunmehrigen Ehegattin und ihrem achtmonatigen Sohn im Bundesgebiet.
Unter Berücksichtigung der gravierenden, von wiederholten und zum Teil raschen Rückfällen gekennzeichneten Straffälligkeit sowie der geringen im Bundesgebiet erreichten Integration stehe das Ergebnis der Interessenabwägung einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen. Es seien auch keine Gründe erkennbar, die eine Rückkehr nach Serbien unzulässig erscheinen ließen. Da er dort die ersten sechs Lebensjahre verbracht habe und der Sprache ausreichend mächtig sei, sei mit der Möglichkeit einer Reintegration zu rechnen. Kontakte zu in Österreich lebenden Angehörigen könnten durch deren Besuche in Serbien, telefonisch oder im Wege moderner Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden.
11 Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
14 Insoweit wendet sich der Revisionswerber gegen die ‑ jedoch unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung nach mündlicher Verhandlung, also unter Berücksichtigung des unmittelbar gewonnenen persönlichen Eindrucks, vorgenommene ‑ Gefährdungsprognose und die Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG. Diese Beurteilungen sind jedoch, wenn sie (wie hier) angesichts der gravierenden sowie von einschlägigen Rückfällen gekennzeichneten Straftaten des Revisionswerbers in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurden, nicht revisibel (vgl. aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0122, Rn. 12, mwN).
15 Dazu ist auszuführen, dass der Revisionswerber ‑ entgegen dem Revisionsvorbringen ‑ nicht nur als Jugendlicher bzw. junger Erwachsener straffällig wurde und dass der kurze Zeitraum seit der Haftentlassung noch keine Beurteilung dahingehend zulässt, er werde sich künftig wohlverhalten.
16 Dem in Bezug auf die Interessenabwägung ins Treffen geführten Argument des Revisionswerbers, seine zu berücksichtigenden privaten Interessen wären insgesamt „kaum steigerbar“, kann angesichts der unbestrittenen Feststellungen, wonach er unverheiratet und kinderlos sowie zuletzt weder berufstätig noch selbsterhaltungsfähig war, nicht beigepflichtet werden.
17 In diesem Sinn ist auch der dem (in der Revision zitierten) Urteil des EGMR 26.9.1997, Mehemi gegen Frankreich, 25017/94, zu Grunde liegende Sachverhalt (betreffend einen seit der Geburt in Frankreich andauenden Aufenthalt eines Fremden, der ‑ neben zwei französischen Geschwistern ‑ verheiratet war und drei Kinder französischer Staatsangehörigkeit hatte) mit der vorliegend zu beurteilenden Konstellation nicht vergleichbar.
18 Den in der Revision hervorgehobenen familiären Bindungen sowie der langen Aufenthaltsdauer in Österreich hat das BVwG schließlich ohnehin mit einer deutlichen Reduktion der Dauer des Einreiseverbotes ausreichend Rechnung getragen.
19 Der Revision gelingt es daher insgesamt nicht, eine entscheidungsrelevante grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufzuzeigen, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen war.
Wien, am 22. März 2021
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