European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020180476.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 26. Mai 2019 als unbegleiteter Minderjähriger einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass das Haus seiner Familie ‑ vermutlich aufgrund der Tätigkeit seines Onkels für das afghanische Finanzministerium ‑ überfallen und sein Vater bedroht worden sei.
2 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Gegen die Nichtgewährung von Asyl erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig. Begründend führte das BVwG aus, dass der Revisionswerber aufgrund von widersprüchlichen und unplausiblen Angaben sowie unglaubhaften Steigerungen des Fluchtvorbringens keine persönliche Verfolgungshandlung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Grund glaubhaft gemacht habe.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlungspflicht abgewichen, habe seinem Erkenntnis keine aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt, die Minderjährigkeit des Revisionswerbers nicht ausreichend berücksichtigt, das Vorbringen des Revisionswerbers übergangen und sei zudem im Hinblick auf die Beweiswürdigung seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen, worauf näher in den Revisionsgründen zurückgekommen werde.
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Dem von der Revision erhobenen Vorwurf, das BVwG habe die Minderjährigkeit des Revisionswerbers nicht ausreichend berücksichtigt, um beurteilen zu können, ob tatsächlich ausgeschlossen werden könne, dass der Revisionswerber keiner kinderspezifischen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei, ist zu entgegnen, dass es der Revision mit ihren diesbezüglich lediglich pauschalen Ausführungen nicht gelingt, aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen und in Zusammenhang mit diesem konkreten Vorbringen unvertretbar wäre. Zudem legt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung auch nicht dar, welche vom BVwG als nicht nachvollziehbar oder widersprüchlich bewerteten Angaben aus welchen auf die Minderjährigkeit des Revisionswerbers zurückzuführenden Gründen in einem anderen Licht zu sehen wären (vgl. VwGH 4.2.2021, Ra 2021/18/0010, mwN).
10 Wenn die Revision zudem rügt, das BVwG sei auf die behauptete Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit des Revisionswerbers zur sozialen Gruppe der „verlassenen Kinder“ und der „westlich orientierten Personen“ überhaupt nicht eingegangen, ist dem zu entgegnen, dass sich das BVwG sehr wohl ‑ wenn auch knapp ‑ mit diesem Vorbringen auseinandersetzte und vertretbar zu dem Ergebnis kam, dass sich eine solche Verfolgung aus den Länderinformationen nicht ergebe. Der Zulässigkeitsbegründung ist zudem auch nicht zu entnehmen, weshalb bzw. inwiefern eine solche Verfolgung vorliege.
11 Soweit die Revision vorbringt, das BVwG hätte hinsichtlich des Vorbringens des Revisionswerbers zur Tätigkeit seines Onkels sowie im Hinblick auf den bestehenden Kontakt zu Familienmitgliedern weitere Erhebungen im Herkunftsstaat durchführen müssen, ist Folgendes festzuhalten:
12 Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2020/19/0431, mwN). Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, weshalb das BVwG im vorliegenden Fall ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und einer nicht unvertretbaren Beweiswürdigung, die eine Verfolgungsgefahr des Revisionswerbers zu diesem Vorbringen als nicht glaubhaft erachtete ‑ von Amts wegen ergänzende Erhebungen hätte durchführen sollen.
13 Soweit die Revision rügt, das BVwG habe seinem Erkenntnis keine aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt, werden Verfahrensmängel (hier: Feststellungsmängel) geltend gemacht. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben (vgl. VwGH 22.2.2021, Ra 2020/18/0537, mwN). Die Revision legt über ihre pauschale Behauptung hinaus nicht dar, welche Feststellungen auf Basis welcher Erhebungen bzw. Berichte zu treffen gewesen wären und weshalb diese zu einer anderen Entscheidung hätten führen können.
14 Insoweit die Revision in der Zulässigkeitsbegründung schließlich hinsichtlich eines - nicht näher dargelegten - Begründungsmangels auf die weiteren Ausführungen in den Revisionsgründen verweist, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Verweis nicht genügt, um dem Erfordernis, gesondert die Gründe zu nennen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, zu entsprechen (vgl. etwa VwGH 19.2.2021, Ra 2020/18/0472, mwN).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 16. Juni 2021
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