VwGH Ro 2020/11/0005

VwGHRo 2020/11/000523.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Mag. G B in L, vertreten durch Ing.Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 3. Dezember 2019, Zl. LVwG‑680040/10/ZO/KA, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit des KFG 1967 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich),

Normen

KFG 1967 §98a Abs1
KFG 1967 §98a idF 2017/I/009
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020110005.J00

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Revision gegen die Spruchpunkte II. und IV. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, wird sie zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich seiner Spruchpunkte I. und III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Oberösterreich die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich der Untersagung der Weiterfahrt bis zum Ausbau der in seinem Fahrzeug verbauten Sensoren als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Hinsichtlich der Beschlagnahme von drei Sensoren eines angeblichen Laserblockers gab das Verwaltungsgericht der Maßnahmenbeschwerde hingegen statt und erklärte diese Maßnahme für rechtswidrig (Spruchpunkt II.). Unter einem verpflichtete das Verwaltungsgericht einerseits den Beschwerdeführer, der Landespolizeidirektion Oberösterreich den Verfahrensaufwand in näher bezeichneter Höhe zu ersetzen (Spruchpunkt III.), sowie andererseits den Bund, dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in näher bezeichneter Höhe zu ersetzen (Spruchpunkt IV.), und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei (Spruchpunkt V.).

2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, Polizeibeamte hätten bei einer Verkehrskontrolle am 28. April 2019 festgestellt, dass im Fahrzeug des Revisionswerbers zwei Empfangssensoren und im Bereich der Kennzeichenhalterung ein Sensor, welcher von seiner technischen Bauart her geeignet sei, Signale zum Stören von Lasermessungen auszustrahlen, eingebaut seien. Von den Sensoren hätten Kabel ins Fahrzeuginnere geführt, welche im Bereich der Mittelkonsole mit Steckverbindungen geendet hätten. An diese Steckverbindungen sei jedoch kein Steuer‑ bzw. Kartenlesegerät angeschlossen gewesen. Dieses Gerät sei bereits ein Jahr zuvor bei einer Verkehrskontrolle ausgebaut und beschlagnahmt worden. Die Polizeibeamten hätten dem Revisionswerber die Weiterfahrt bis zum Ausbau der Sensoren untersagt, welche schließlich von einer Werkstatt vor Ort entfernt und von den Polizeibeamten beschlagnahmt worden seien. Danach sei dem Revisionswerber die Weiterfahrt gestattet worden. Für die Funktion der gegenständlichen Geräte als Laserblocker sei ein Sensor erforderlich, der entsprechende Signale aussende, welche die Lasermessung stören könnten. Ein derartiger Störsender sei vorhanden gewesen, ein Steuer‑ bzw. Kartenlesegerät sowie eine zur Bedienung dieses Gerätes notwendige Steuerkarte hingegen nicht. Ohne ein solches Steuergerät könne es nicht zur Verhinderung oder Beeinflussung der Lasermessung kommen.

3 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Untersagung der Weiterfahrt (Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses) vor dem Hintergrund des § 98a Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) aus, es komme nicht darauf an, ob das Gerät zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle tatsächlich funktioniert habe. Entscheidend sei vielmehr, ob das Gerät grundsätzlich über die technische Eignung zum Stören von Lasermessungen verfüge (Hinweis auf VwGH 17.6.2019, Ra 2019/02/0069). Im Revisionsfall sei jedoch kein Steuer‑ bzw. Kartenlesegerät vorhanden gewesen. Die Sensoren alleine könnten keine Signale aussenden, welche eine Lasermessung stören würden.

4 § 98a KFG 1967 unterscheide zwischen „Geräten“ und „Gegenständen“, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden könnten. Während mit „Geräten“ vollständige Einrichtungen mit den genannten Eigenschaften gemeint seien, seien unter „Gegenständen“ auch einzelne Komponenten eines vollständigen „Gerätes“ zu verstehen. Nur bei diesem Verständnis mache es Sinn, dass in § 98a Abs. 1 KFG 1967 zwei Begriffe verwendet würden. Bei den gegenständlichen Sensoren handle es sich um einen solchen „Gegenstand“, weil sie dazu dienten, Laserstrahlen zu empfangen bzw. entsprechende Störsignale auszusenden. Sie seien notwendige Komponenten eines Laserblockers und hätten die (abstrakte) Eignung besessen, Lasermessungen zu stören.

5 Für die Beschlagnahme der Sensoren (Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses) habe jedoch die Rechtsgrundlage gefehlt, was zur Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme führe. Gemäß § 98a Abs. 1 KFG 1967 sei in Kraftfahrzeugen das Anbringen und Mitführen von Geräten, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden können, untersagt. Bei Zuwiderhandlung sehe Abs. 3 leg. cit. (im ersten Satz) Zwangsmaßnahmen zur Verhinderung der Weiterfahrt, bis diese Geräte oder Gegenstände ausgebaut sind, und (im zweiten Satz dieser Bestimmung) den Verfall dieser Geräte oder Gegenstände vor. Die genannte Bestimmung enthalte aber keine Ermächtigung zur Beschlagnahme, sodass eine solche nur unter den Voraussetzungen des § 39 VStG rechtmäßig sein könne. Der in § 98a Abs. 3 KFG 1967 vorgesehene Verfall stelle jedoch keine Strafe, sondern eine administrative Sicherungsmaßnahme dar, sodass es für die gegenständliche Beschlagnahme keine Rechtsgrundlage gebe.

6 Zur Zulässigkeit der Revision führte das Verwaltungsgericht aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob § 98a KFG 1967 lediglich das Mitführen „vollständiger Geräte“, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden könnten, verbiete oder ob dieses Verbot auch „einzelne Komponenten dieser Geräte“ erfasse. Rechtsprechung fehle auch zur Frage, ob es sich bei dem in § 98a Abs. 3 KFG 1967 vorgesehenen Verfall um „eine administrative Sicherungsmaßnahme oder eine (Neben‑)Strafe“ handle, weil von dieser Frage die Anwendbarkeit des § 39 VStG abhänge.

7 1.2. Gegen dieses Erkenntnis (seinem ganzen Umfang nach) richtet sich die vorliegende Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, im Revisionsfall sei (im Unterschied zum zitierten hg. Erkenntnis Ra 2019/02/0069) kein Steuer‑ bzw. Kartenlesegerät mehr vorhanden gewesen, ohne welches die Sensoren aber keine Störsignale aussenden hätten können.

8 2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 2.1. Das Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267, in der zum Zeitpunkt der gegenständlichen Maßnahmen geltenden Fassung BGBl. I Nr. 9/2017 (KFG 1967), lautete auszugsweise:

„Radar‑ oder Laserblocker

§ 98a. (1) Geräte oder Gegenstände, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden können, dürfen weder an Kraftfahrzeugen angebracht noch in solchen mitgeführt werden.

(2) Verstöße gegen Abs. 1 sind sowohl dem Lenker als auch dem Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs anzulasten, es sei denn der Lenker hat diese Geräte ohne Wissen des Zulassungsbesitzers im Fahrzeug mitgeführt oder in diesem angebracht.

(3) Werden die in Abs. 1 beschriebenen Geräte oder Gegenstände an oder in Fahrzeugen entdeckt, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht berechtigt, Zwangsmaßnahmen zur Verhinderung der Weiterfahrt zu setzen, bis diese Geräte oder Gegenstände ausgebaut sind. Diese Geräte oder Gegenstände sind für verfallen zu erklären.

...

§ 134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen ... zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

...“

10 In den Gesetzesmaterialien wird zu § 98a KFG 1967 ausgeführt (RV 1359 BlgNR XXV. GP , 7):

„Zu Z 54 (§ 98a):

Es gibt immer wieder Unsicherheiten, ob die Verwendung von Radarblockern bzw. Laserblockern, mit denen insbesondere Geschwindigkeitsmessungen beeinflusst oder gestört werden können, in Fahrzeugen zulässig ist.

Daher soll nunmehr eine klare und eindeutige Regelung im KFG geschaffen werden.

Geräte oder Vorrichtungen, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung (idR Geschwindigkeitsmessgeräte) beeinflusst oder gestört werden können, sollen weder an Kraftfahrzeugen angebracht, noch in solchen mitgeführt werden dürfen.“

11 2.2. § 39 VStG in der (zum Zeitpunkt der gegenständlichen Maßnahmen geltenden) Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, lautete auszugsweise:

„Beschlagnahme von Verfallsgegenständen

§ 39. (1) Liegt der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vor, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist, so kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme dieser Gegenstände anordnen.

(2) Bei Gefahr im Verzug können auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig sicherstellen. Sie haben darüber dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen und der Behörde die Anzeige zu erstatten.

...“

12 3. Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses wurde der Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers stattgegeben und die Beschlagnahme der Sensoren für rechtswidrig erklärt. Der Revisionswerber konnte durch diesen Spruchpunkt daher nicht in seinen Rechten verletzt werden, weswegen die Revision hinsichtlich dieses Spruchpunktes und der Kostenentscheidung in Spruchpunkt IV., welche zur Entscheidung in der Hauptsache akzessorisch ist (VwGH 12.9.2018, Ra 2017/17/0183, mwN), gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war.

13 Im Übrigen ist die Revision aus den in ihr genannten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.

4.1. Die Abweisung der Maßnahmenbeschwerde gegen die Untersagung der Weiterfahrt beruht auf der Rechtsauffassung, bei den gegenständlichen Sensoren handle es sich zwar nicht um „Geräte“, aber um „Gegenstände“ iSd. § 98a Abs.1 KFG 1967, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden könnten. Damit hat das Verwaltungsgericht aber die Rechtslage verkannt:

14 4.2. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, beschreibt der Begriff „Gegenstände“ nicht einzelne Komponenten eines „Gerätes“ iSd. § 98a Abs. 1 KFG 1967. Vielmehr umschreibt das Begriffspaar „Geräte“ und „Gegenstände“ das gesamte Spektrum möglicher Sachen, mit denen technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung beeinflusst oder gestört werden können (vgl. RV 1359 BlgNR XXV. GP , 7: „Geräte oder Vorrichtungen“).

15 4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 98a Abs. 1 KFG 1967 maßgeblich, dass Geräte oder Gegenstände, welche geeignet sind, technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu beeinflussen oder zu stören, an Kraftfahrzeugen angebracht oder in solchen mitgeführt werden (argum.: „beeinflusst oder gestört werden können“). Ob das Gerät oder der Gegenstand tatsächlich in Betrieb genommen wurde bzw. ob es tatsächlich zu einer Beeinflussung oder Störung von technischen Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung gekommen ist, ist für die Erfüllung des Tatbestands hingegen nicht ausschlaggebend. Vielmehr reicht nach dem klaren Gesetzeswortlaut bereits die bloße Eignung des im Kraftfahrzeug angebrachten oder mitgeführten Geräts oder Gegenstands zur Störung oder Beeinflussung von technischen Verkehrsüberwachungseinrichtungen (VwGH 17.6.2019, Ra 2019/02/0069).

16 Nach dieser Rechtsprechung kommt es darauf an, dass das konkrete am Fahrzeug angebrachte oder dort mitgeführte Gerät die Beeinflussung oder Störung aktuell verursachen kann, also tatsächlich in Betrieb genommen werden kann. Dieses Gerät muss demnach im Tatzeitpunkt sämtliche Voraussetzungen erfüllen, um in diesem Zeitpunkt Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu beeinflussen oder zu stören. Unwesentlich ist, ob das Gerät tatsächlich in Betrieb genommen worden ist. Für die Störung oder Beeinflussung einer Lasermessung (noch) nicht hinreichend geeignet ist demnach ein Gerät, das erst durch weitere nicht am Tatort und zur Tatzeit verfügbare technische Maßnahmen dazu in die Lage versetzt werden muss, solche Störungen oder Beeinflussungen herbeizuführen, also nicht ohne weiteres in Betrieb genommen werden kann (VwGH 13.10.2020, Ra 2020/02/0063).

17 4.4. Im Revisionsfall ist das Verwaltungsgericht selbst davon ausgegangen, dass es mangels eines Steuer- bzw. Kartenlesegerätes durch die Sensoren allein nicht zu einer Beeinflussung oder Störung einer Lasermessung kommen konnte. Somit waren die gegenständlichen Sensoren von vornherein nicht iSd. § 98a Abs. 1 KFG geeignet, technische Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung zu beeinflussen oder zu stören, weswegen die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch nicht gemäß Abs. 3 leg. cit. ermächtigt waren, dem Revisionswerber die Weiterfahrt bis zum Ausbau der Sensoren zu untersagen.

18 4.5. Das angefochtene Erkenntnis war daher in seinem Spruchpunkt I. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Aus demselben Grund war es in seinem Spruchpunkt III., der die akzessorische Kostenentscheidung betrifft, aufzuheben (vgl. VwGH 19.5.2015, Ro 2014/21/0062).

Wien, am 23. Februar 2021

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