Normen
AlVG 1977 §10 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020080026.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht ‑ in Bestätigung einer Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 5. Juli 2019 ‑ aus, dass die Revisionswerberin gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum von 1. April 2019 bis 9. Mai 2019 den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren habe. Die Revisionswerberin habe es unterlassen, zu einem Vorstellungsgespräch für eine angebotene Stelle im Rahmen einer Jobbörse am 26. Februar 2019 zu erscheinen. Damit habe sie das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses (vorsätzlich) vereitelt. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
5 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, nach der ‑ vom Bundesverwaltungsgericht selbst zitierten ‑ Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reiche bloße Fahrlässigkeit nicht aus, um einen Anspruchsverlust nach § 10 AlVG zu begründen. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen liege der Revisionswerberin aber keine vorsätzliche Vereitelung des Zustandekommens der Beschäftigung zur Last.
6 Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen ‑ abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen ‑ somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichtemacht (vgl. VwGH 16.3.2016, Ra 2015/08/0100, mwN).
7 Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. VwGH 27.8.2019, Ra 2019/08/0065, mwN).
8 Der Revision ist zuzugestehen, dass das angefochtene Erkenntnis Schwächen in der Gliederung aufweist, zumal entscheidungswesentliche Feststellungen erst disloziert im Zuge der rechtlichen Beurteilung getroffen werden. Dennoch ist ausreichend erkennbar, von welchen Tatsachenfeststellungen das Bundesverwaltungsgericht auf Grund welcher Erwägungen ausgegangen ist und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilt hat, sodass weder die Rechtsverfolgung durch die Parteien noch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 15.2.2017, Ra 2017/08/0002, mwN).
9 Nach den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Revisionswerberin den Termin für das Vorstellungsgespräch am 26. Februar 2019 nicht in Evidenz genommen und ist in Folge dessen nicht zum Termin erschienen. In Hinblick darauf, dass die Revisionswerberin ‑ ausgehend von den getroffenen Feststellungen ‑ somit zumindest in Kauf genommen hat, dass der Vermittlungsvorschlag verloren geht bzw. vergessen wird und dadurch das Vorstellungsgespräch versäumt wird, ist die rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, die Revisionswerberin habe das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses bedingt vorsätzlich verursacht, nicht zu beanstanden (vgl. zu einem ähnlichen Fall zuletzt VwGH 14.5.2020, Ra 2020/08/0008, mit weiteren Hinweisen).
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juni 2021
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