Normen
AVG §13 Abs8
B-VG Art133 Abs6 Z1
COVID-19-VwBG 2020 §1
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z1
COVID-19-VwBG 2020 §6 Abs2
VwGG §26 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020060137.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 In der angefochtenen Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) wurde mit Spruchpunkt I. (Beschluss) der Beschwerde des Erstrevisionswerbers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 15. Oktober 2019 insoweit Folge gegeben, als die Abweisung des Antrages des Erstrevisionswerbers vom 29. November 2019 auf Feststellung, dass es sich beim landwirtschaftlichen Betrieb auf Grundstück Nr. X, KG S., um keine IPPC‑Anlage im Sinne des Anhanges 1 Z 6.6 des Steiermärkischen IPPC‑Anlagen Gesetzes handle, behoben wurde. Der Antrag des Erstrevisionswerbers vom 29. November 2019, es möge festgestellt werden, dass es sich beim landwirtschaftlichen Betrieb auf Grundstück Nr. X, KG S., ‑ Ställe 15, 16, 21a, 21b, 22 und 22a ‑ um keine IPPC‑Anlage im Sinne des Anhanges 1 Z 6.6 des Steiermärkischen IPPC‑Anlagen Gesetzes handle, wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
2 Mit Spruchpunkt II. (Erkenntnis) der angefochtenen Entscheidung des LVwG wurde der Beschwerde der Zweitrevisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Oktober 2019 im Sinne einer Abänderung des Spruchs des bekämpften Bescheides insoweit Folge gegeben, als über Antrag der Zweitrevisionswerberin festgestellt wurde, dass es sich beim landwirtschaftlichen Betrieb auf Grundstück Nr. X, KG S., ‑ Ställe 2, 3, 7, 9, 11, 13, 24, 25 und 26, Nettogesamtnutzfläche 1.907,83 m2 ‑ um eine IPPC‑Anlage im Sinne des Anhanges 1 Z 6.6 des Steiermärkischen IPPC‑Anlagen Gesetzes handle.
3 Nach den Angaben in der vorliegenden, gegen die genannte Entscheidung des LVwG erhobenen außerordentlichen Revision sei die angefochtene Entscheidung den revisionswerbenden Parteien am 11. März 2020 elektronisch zugestellt worden. Laut Ausweis der vorliegenden Akten erfolgte die Zustellung der angefochtenen Entscheidung des LVwG an die damalige Rechtsvertretung der revisionswerbenden Parteien hingegen per E‑Mail erst am 13. März 2020.
4 Die Postaufgabe der mit 12. Juni 2020 datierten außerordentlichen Revision erfolgte an diesem Tag.
5 Zu ihrer Rechtzeitigkeit wird in der Revision ausgeführt, die sechswöchige Revisionsfrist wäre normalerweise bereits abgelaufen. Diese sei jedoch aufgrund der gesetzlichen Vorgaben betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID‑19 unterbrochen worden und habe mit 1. Mai 2020 neu zu laufen begonnen. Dies deshalb, weil die Frist zur Erhebung einer Revision bis zum Inkrafttreten des diesbezüglichen Gesetzes noch nicht abgelaufen gewesen sei.
6 Diese Rechtsansicht trifft nicht zu.
7 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen. Sie beginnt (Z 1) in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung.
8 Das am 21. März 2020 kundgemachte COVID-19-VwBG, BGBl. I Nr. 16/2020 in der hier maßgebenden Fassung zum Zeitpunkt der Revisionseinbringung, BGBl. I Nr. 42/2020, lautet auszugweise wie folgt:
„Unterbrechung von Fristen
§ 1. (1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 ‑ AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 ‑ VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 ‑ VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden sind, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 1 AVG gilt der 1. Mai 2020 als Tag, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 2 AVG gilt der 1. Mai 2020 als Tag, an dem die Frist begonnen hat. Die vorstehenden Sätze gelten nicht für Fristen in Verfahren nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950.
(...)
Sonderregelungen für bestimmte Fristen
§ 2. (1) Die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 wird nicht eingerechnet:
1. in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist,
(...)
Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes
§ 6. (...)
(2) Auf das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes sind die §§ 1 bis 3 und 5 sinngemäß anzuwenden.
(...)
Inkrafttreten und Außerkrafttreten
§ 9. (1) Dieses Bundesgesetz mit Ausnahme des § 6 Abs. 1 tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.
(...)
(3) Der Titel, § 1 Abs. 1 zweiter bis letzter Satz und Abs. 1a und § 2 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2020 treten mit 22. März 2020 in Kraft.
(...)“
9 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Revisionsfrist als Frist für einen „verfahrenseinleitenden“ Antrag im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 COVID‑19‑VwBG anzusehen und nach dieser Bestimmung daher für die dort genannte Dauer nur gehemmt worden (vgl. VwGH 17.3.2021, Ra 2020/11/0098; 20.4.2021, Ra 2020/07/0062; 1.6.2021, Ra 2020/05/0149 bis 0150).
10 Für den vorliegenden Revisionsfall folgt daraus, dass die Revisionsfrist am 13. März 2020, somit noch vor Inkrafttreten des COVID‑19‑VwBG am 22. März 2020, zu laufen begonnen und für die Zeit vom 22. März 2020 bis 30. April 2020 gehemmt war.
11 Ausgehend vom Beginn der Revisionsfrist hätte die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 VwGG mit 24. April 2020 geendet (§ 32 Abs. 2 AVG). Unter Hinzurechnung der 40‑tägigen Fristhemmung vom 22. März 2020 bis 30. April 2020 hat die Revisionsfrist im vorliegenden Fall aber erst mit Ablauf des 3. Juni 2020 geendet.
12 Die am 12. Juni 2020 zur Post gegebene Revision erweist sich daher als verspätet und war somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 17. Juni 2021
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