Normen
BauO Wr §60 Abs1 lita
BauO Wr §62 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020050260.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 6. November 2019, mit welchem die am 4. November 2019 angezeigte Bauführung, nämlich die Errichtung einer Verglasung eines Bestandsbalkones auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien, untersagt worden war, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen diese Entscheidung eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.
5 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Qualifikation des Vorbaus als Balkon ausgeführt, die in den westlichen Eckbereichen innerhalb des „Balkons“ situierten tragenden Säulen seien ‑ entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes ‑ als Wand zu berücksichtigen. Bei Einbeziehung der tragenden Säulen in die für die Qualifikation als Raum erforderliche Umfangberechnung machten die so errechneten Umschließungsflächen 52,66 % des Gesamtumfangs aus, sodass es sich um eine raumbildende Loggia und nicht um einen Balkon handle. Zu der Rechtsfrage, ob tragende Säulen als Wand zu berücksichtigen seien bzw. ob es sich bei den Umschließungsflächen eines Raums um durchgehende Wände handeln müsse, liege keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor.
6 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision bringt weiters zur Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, dass das gegenständliche Bauansuchen wegen Vorliegens eines Zubaus auch nach § 62 Abs. 1 Z 4 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) nicht zulässig sei, vor, einer Qualifikation des Bauvorhabens als Zubau stehe entgegen, dass die vorliegende Verglasung nicht vollumfänglich erfolge, sondern ein Teil in der Breite von ca. 90 cm frei bleibe, wobei diese Stelle auch nicht durch verschiebbare Glaselemente verschlossen werden könne. Es stelle sich daher die Frage, ob Glasschiebewände auch dann raumbildend seien, wenn es einzelne Abschnitte gebe, die sich auch durch die verschiebbaren Glasschiebewände nicht verschließen ließen.
7 Die Frage, ob ein konkreter Bauteil als Loggia anzusehen ist, unterliegt ebenso wie jene, ob ein Bauvorhaben als Zubau zu qualifizieren ist, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. zu ähnlichen Fragestellungen VwGH 10.11.2020, Ra 2020/06/0258; 16.10.2020, Ra 2020/06/0192).
8 Gemäß § 62 Abs. 1 Z 2 BO genügt eine Bauanzeige für Loggienverglasungen. Eine Loggia ist ein nach vorne offener, von seitlichen Wänden, einem Fußboden und einer Decke begrenzter Raum, der idR anderen Räumen einer Wohnung vorgelagert und ‑ zum Unterschied von einem Balkon, der immer an der Hausfront eingesetzt ist ‑ meist in das Gebäude eingeschnitten ist (vgl. VwGH 30.1.2014, 2011/05/0097, mwN).
9 Ein Raum liegt gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO dann vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist. Durch die bloße Verglasung eines Raumes erfolgt keine Kubaturvergrößerung und damit kein Zubau (vgl. wiederum VwGH 30.1.2014, 2011/05/0097).
10 Ausgehend von diesen Begriffsdefinitionen ist das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung des festgestellten ‑ unbestrittenen ‑ Sachverhaltes zu dem Ergebnis gelangt, dass keine Loggia vorliege, weil der Vorbau an zwei Seiten und einem kleinen Teil der dritten Seite offen sei. Diesen Ausführungen tritt der Revisionswerber nicht entgegen und zeigt damit keine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes auf.
11 Unter Berufung auf das Erkenntnis VwGH 30.1.2014, 2011/05/0097, gelangte das Verwaltungsgericht zu der Beurteilung, dass durch die Verglasung des als Balkon qualifizierten gegenständlichen Bauteils ein zusätzlicher Raum geschaffen worden sei. Ein Raum liege gemäß § 60 Abs. 1 lit. a BO dann vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfangs von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen sei. Durch die Verglasung des Balkons, der keinen Raum dargestellt habe, sei nun ein neuer Raum entstanden, der das Gebäude vergrößere. Baumaßnahmen, die einen Zubau bewirkten, seien nach § 60 Abs. 1 Z 1 BO zu genehmigen und überschritten den Umfang, für den eine Bauanzeige ausreiche.
12 Soweit der Revisionswerber das ursprüngliche Vorliegen eines Raumes damit zu begründen versucht, dass die Säulen ‑ auch wenn sie nicht an die anderen Umschließungsflächen anschlössen ‑ in die Umfangberechnung einzubeziehen seien, ist ihm entgegen zu halten, dass die Säulen schon auf Grund ihrer örtlichen Situierung nicht als Verlängerung der Außenwand angesehen werden können, sodass sich schon deshalb die angesprochene Rechtsfrage, ob es sich bei den Umschließungsflächen eines Raumes um durchgehende Wände handeln muss oder ob vertikale Durchbrechungen der Umschließungsflächen unschädlich für die Qualifikation als Raum sind, im vorliegenden Fall nicht stellt.
13 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, dass durch das gegenständliche Bauvorhaben ein neuer Raum geschaffen wurde, geht vom Raumverständnis des § 60 Abs. 1 lit. a BO aus. Vor dem Hintergrund der Feststellung, dass der gegenständliche Bauteil eine Länge von 6,11 m und eine Breite von 3,30 m aufweist, kann diese Beurteilung nicht mit dem Argument als unvertretbar qualifiziert werden, dass die geplanten Glasschiebewände auf einer Länge von 90 cm nicht vorhanden seien. Damit wird nämlich nicht aufgezeigt, dass durch die Freihaltung von 90 cm die Umschließung der Fläche nicht mehr zumindest zur Hälfte ihres Umfangs erfolgte. Mit diesem Vorbringen wird somit eine Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichtes nicht dargetan.
14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 16. März 2021
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