Normen
EURallg
VwRallg
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art1
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art1 Abs1
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3 Abs1
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3 Abs2
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3 Abs3
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art3 Abs5
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art4
32015R2120 EU-NetzneutralitätsV Art5 Abs1
62018CJ0807 Telenor Magyarorszag VORAB
62019CJ0854 Vodafone VORAB
62020CJ0005 Vodafone VORAB
62020CJ0034 Telekom Deutschland VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020030017.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungenin der Höhe von Euro 553,20 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Inhaberin einer Bestätigung gemäß § 15 TKG 2003, betreibt ein Kommunikationsnetz und bietet Kommunikationsdienste, einschließlich Internetzugangsdienste, an.
2 Nach Einleitung eines Verfahrens gemäß Art. 5 Abs. 1 VO (EU) 2015/2120 (iF auch: TSM‑VO) stellte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde, die Telekom‑Control‑Kommission (TKK), mit Bescheid vom 18. Dezember 2017 zusammengefasst Folgendes fest:
3 Hinsichtlich des von der Revisionswerberin im Rahmen ihres Bündelprodukts „X TV“ angebotenen Videoabrufdienstes, der von ihr iSd Art. 3 Abs. 5 VO (EU) 2015/2120 in Form eines „Spezialdienstes“ erbracht werde, liege die von Art. 3 Abs. 5 leg. cit. geforderte Notwendigkeit einer Optimierung des Dienstes, um den Anforderungen der Inhalte, Anwendungen oder Dienste an ein bestimmtes Qualitätsniveau zu genügen, nicht vor, wodurch die Revisionswerberin gegen Art. 3 Abs. 5 leg. cit. verstoße (Spruchpunkt 1.1).
Dadurch verstoße sie auch gegen Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 und 3 VO (EU) 2015/2120 , weil sie durch die unzulässige Optimierung des Videoabrufdienstes den Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten ungleich behandle bzw. diskriminiere und dadurch auch gleichzeitig alle anderen Dienste, Inhalte oder Anwendungen verlangsame, einschränke, verschlechtere oder diskriminiere (Spruchpunkt 1.2).
4 Die Revisionswerberin schränke das Recht von Endnutzern, Anwendungen und Dienste selbst bereitzustellen, dadurch unzulässig ein, dass sie IP‑Verbindungen von Endnutzern, die Privatkundeninternetzugangsdienste von der Revisionswerberin beziehen, nach 24 Stunden Verbindungsdauer automatisch trenne. Dadurch verstoße sie gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 VO (EU) 2015/2120. Damit verstoße sie gleichzeitig gegen Art. 3 Abs. 3 leg. cit., weil sie mit dieser Praktik jene Dienste bzw. Anwendungen, die der Endnutzer selbst bereitstellt, störe (Spruchpunkt 1.3).
5 Die Revisionswerberin schränke zudem das Recht von Endnutzern, Anwendungen und Dienste selbst bereitzustellen, unzulässig ein, indem sie jenen Endnutzern, die Internetzugangsdienste über das Mobilnetz der Revisionswerberin beziehen, eine für das Bereitstellen von Anwendungen und Diensten notwendige (zumindest) dynamisch‑öffentliche IPv4‑Adresse nur gegen ein zusätzliches (zum Entgelt für den Internetzugangsdienst) Entgelt und nur bei Buchung des Produktes „A IP“ zuteile. Dadurch verstoße die Revisionswerberin gegen Art. 3 Abs. 1 und 2 VO (EU) 2015/2120 (Spruchpunkt 1.4)
6 Des Weiteren wurde die Revisionswerberin in Spruchpunkt 2 gemäß Art. 5 Abs. 1 VO (EU) 2015/2120 hinsichtlich der in Spruchpunkt 1 festgestellten Verstöße zur Ergreifung näher beschriebener Maßnahmen verpflichtet:
Es sei ‑ unter Festlegung unterschiedlicher Fristen ‑ die Priorisierung des Videoabrufdienstes ebenso zu unterlassen wie die automatische Trennung von IP‑Verbindungen nach 24 Stunden und sei die Verbindungsdauer bis zur automatischen Trennung auf 31 Kalendertage auszuweiten.
In Bezug auf den unter Spruchpunkt 1.4 festgestellten Verstoß wurde die Revisionswerberin verpflichtet, Internetzugangsdienste über A1 beziehenden Endnutzern auf Wunsch eine öffentliche IP‑Adresse zuzuteilen, ohne für die Zuweisung einer dynamisch‑öffentlichen IP‑Adresse ein zusätzliches Entgelt zu verrechnen; bereits eingehobene Entgelte seien rückwirkend zurückzuzahlen.
7 In Spruchpunkt 3 wurde der Revisionswerberin aufgetragen, der TKK zu näher festgelegten Zeitpunkten über den Fortgang der Umsetzung der aufgetragenen Maßnahmen zu berichten. Schließlich wurden die von der Revisionswerberin gestellten Anträge („Anregungen auf Vorabentscheidungsersuchen“) zurückgewiesen (Spruchpunkt 4).
8 Begründend traf die TKK ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ folgende Feststellungen:
9 Die Revisionswerberin biete in Kombination mit ihren Festnetz‑Internetzugangsdiensten das Produktbündel „X TV“ an, das im Wesentlichen aus zwei Einzeldiensten bestehe: Einem linearen live‑TV‑Dienst zur Verbreitung von Rundfunksignalen (Multicast) und einem Videoabrufdienst (Video‑on‑Demand Dienst bzw. „Catch‑Up“ TV Dienst und Videothek). Die Revisionswerberin priorisiere die Datenübertragung des Bündelprodukts im Hinblick auf beide darin angebotenen Dienste (live‑TV und Videoabrufdienst) in ihrem Netz gegenüber anderen Diensten, Anwendungen oder Inhalten, indem von der Set‑Top‑Box für die in „X TV“ enthaltenen Dienste auf dem Internetzugangsdienst des Kunden die notwendige Bandbreite exklusiv reserviert werde und diese für den „normalen“ Internetzugang nicht mehr zur Verfügung stehe. Aus der Wahl des technischen Settings für die Erbringung des Bündeldienstes durch die Revisionswerberin würden sich einhergehende Randbedingungen (bzw. Einschränkungen) technischer Natur ergeben. Von mehreren Möglichkeiten zur Erbringung eines Videoabrufdienstes wende die Revisionswerberin die Variante „Keine Anpassung der Anwendung an den Übertragungskanal“ an und stelle das Funktionieren des Videoabrufdienstes durch Priorisierung des Datenverkehrs sicher. Die derzeitige Notwendigkeit einer Optimierung dieses Videoabrufdienstes sei jedoch in technisch-objektiver Hinsicht nicht gegeben, sondern sei nur der von der Revisionswerberin gewählten technischen Lösung geschuldet. Auch in kommerzieller Hinsicht, d.h. vor dem Hintergrund des breiten Angebots an ähnlich gelagerten Diensten, die unpriorisiert und erfolgreich am Markt angeboten würden, bestehe keine objektive Notwendigkeit einer technischen Optimierung des Video‑on-Demand Dienstes von „X TV“ zur Sicherstellung eines die übliche Qualität eines Internetzugangs übersteigenden Qualitätsniveaus.
10 Des Weiteren trenne die Revisionswerberin IP‑Verbindungen von Endnutzern in ihrem Fest‑ und Mobilnetz automatisch nach 24 Stunden, wobei nicht darauf Rücksicht genommen werde, ob gerade ein Datentransfer stattfinde. Der Endnutzer müsse nach dieser netzseitigen Trennung die Verbindung (automatisch oder manuell) neu aufbauen und erhalte dabei in der Regel eine neue dynamisch‑öffentliche IPv4‑Adresse zugewiesen (im Mobilnetz nur bei Bezug von „A IP“). In technischer Hinsicht stelle die automatische Trennung der IP-Verbindung nach 24 Stunden und der damit verbundenen notwendigen Wiederverbindung samt Neuzuweisung einer IPv4‑Adresse eine Einschränkung der Möglichkeit dar, Dienste und Anwendungen über einen Internetzugangsdienst bereitzustellen.
11 Die Revisionswerberin biete außerdem das Produkt „A IP“ an. Damit ein Endnutzer selbst Dienste oder Anwendungen über seinen Internetzugangsdienst (Internet Access Service, „IAS“) bereitstellen könne, benötige dieser eine (zumindest) dynamisch‑öffentliche IPv4‑Adresse, um direkt aus dem Internet erreichbar zu sein. Die Revisionswerberin teile Endnutzern, die IAS über ihr Mobilnetz beziehen, diese Art von IPv4‑Adressen nur gegen Entrichtung eines zusätzlichen monatlichen Entgelts von EUR 2,28 zu. Ansonsten erhalte der Kunde eine private IPv4‑Adresse zugewiesen.
12 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die TKK zusammengefasst aus, die Revisionswerberin priorisiere in ihrem Bündelprodukt „X TV“ sowohl den darin enthaltenen live‑IPTV Dienst als auch den Videoabrufdienst („catch‑up TV“, Videothek) bei der Übertragung über die von ihr angebotenen festen IAS. Es sei daher zu überprüfen, ob hinsichtlich dieser Einzeldienste die Voraussetzungen für das Vorliegen jeweils eines „Spezialdienstes“ gegeben seien und deren Priorisierung somit iSd Art. 3 Abs. 3 UAbs. 3 und Abs. 5 TSM‑VO zulässig sei oder nicht. Zum live‑IPTV Dienst würden sich weitere Ausführungen erübrigen, zumal dieser vom Unionsgesetzgeber schon aufgrund des Dienstetypus (Synchronität des live‑Bildes) als Spezialdienst angenommen werde. Hinsichtlich des Videoabrufdienstes liege weder eine objektive technische noch objektive kommerzielle Notwendigkeit vor, diesen Dienst zu optimieren, um ein Qualitätsniveau zu erfüllen, das über jenes der „normalen“ (nicht priorisierten) Datenübertragung eines IAS hinausgehe. Mangels dieser Notwendigkeit verstoße die Priorisierung des Videoabrufdienstes gegen Art. 3 Abs. 5 TSM‑VO. Da die ungerechtfertigte Priorisierung gleichzeitig eine Verlangsamung, Verschlechterung, Einschränkung und Diskriminierung aller anderen über den IAS erreichbaren Dienste bedeute, werde dadurch auch gegen Art. 3 Abs. 3 TSM‑VO verstoßen.
13 Die automatische Trennung von IP‑Verbindungen nach 24 Stunden schränke die Rechte der Endnutzer nach Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO ungerechtfertigt ein. Die regelmäßige Trennung der IP‑Verbindungen habe keinen zwingenden positiven Schutzeffekt. Zudem sei die Revisionswerberin ohnehin zur Abwehr von die Netzsicherheit oder ‑integrität bedrohenden Angriffen verpflichtet, wobei diese Maßnahmen auf tatsächliche Angriffe begrenzt bleiben und verhältnismäßig sein müssten. Durch die automatische Trennung werde jedoch unabhängig von einem Angriff in die Rechte der Endnutzer eingegriffen. Die automatische Trennung nach 24 Stunden diene außerdem nicht dem Schutz der Privatsphäre der Endnutzer und sei auch nicht aufgrund der DSGVO erforderlich. Als Maßnahme iSd Art. 5 Abs. 1 TSM-VO sei daher die Ausweitung der Dauer der IP‑Verbindung auf 31 Kalendertage anzuordnen gewesen, weil dadurch die Endnutzerrechte nur im betrieblich geringstnotwendigen Umfang beeinträchtigt würden.
14 Zur Zusatzoption „A IP“ sei auszuführen, dass das Recht von Endnutzern, selbst Dienste anzubieten, in Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO unbedingt geregelt sei und die Ausübung der darin genannten Rechte nicht durch Vereinbarungen nach dessen Abs. 2 eingeschränkt werden dürfe. Wäre eine gesonderte „Vergebührung“ aller in Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO einzeln aufgezählter Rechte erlaubt, könnte durch das Verlangen beliebig hoher Entgelte für einzelne Rechte deren Inanspruchnahme durch Endnutzer wirtschaftlich sinnlos gemacht werden. Es sei vielmehr Sache des Internet Service Providers (ISP), nur Internetzugangsdienste bereitzustellen, die die Ausübung des „Grundsets“ an Rechten des Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO grundsätzlich ermöglichen würden. Art. 3 Abs. 2 TSM‑VO schränke dies nur insoweit ein, als einige wenige explizit genannte Vereinbarungen (Preis des IAS, dessen Geschwindigkeit und Datenvolumen) unter Abs. 1 leg. cit. für zulässig erachtet würden. Die Einhebung einer Extra‑Gebühr für die Gewährung eines technischen Merkmals des IAS (dynamisch‑öffentliche IP‑Adresse), bei dessen Nicht-Bereitstellung der Endnutzer sein Recht, selbst Dienste bereitzustellen, überhaupt nicht ausüben könne, sei von Art. 3 Abs. 2 TSM‑VO zweifelsfrei nicht gedeckt. Es sei daher als geeignete und notwendige Maßnahme anzuordnen gewesen, dass die Verrechnung des Produktes „A IP“ zu unterbleiben habe und die dafür seit Inkrafttreten der TSM‑VO zu Unrecht eingehobenen Entgelte den betroffenen Endnutzern zurückzuerstatten seien. Die Anordnung der Rückzahlung dieser Entgelte sei erforderlich, da nur so auch zukünftig die Einhaltung der Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO sichergestellt werden könne.
15 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für zulässig.
16 Das BVwG legte seiner Entscheidung im Wesentlichen die schon von der TKK getroffenen, im nunmehrigen Erkenntnis wiederholten Feststellungen zu Grunde.
17 In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG u.a. aus, dem Gutachten über die Erbringung von Videoabrufdiensten aus Juni 2017, welchem die Revisionswerberin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei, sei zu entnehmen, dass keine objektiv technische Notwendigkeit bestehe, den im Produktbündel „X TV“ angebotenen Videoabrufdienst zu optimieren. Die von der Revisionswerberin gerügte „hypothetische“ Beurteilung des Dienstes „X TV“ sei bereits vor dem Hintergrund der Art. 3 Abs. 5 TSM‑VO inhärenten objektiven Betrachtungsweise nicht zu beanstanden. Würde man der Ansicht der Revisionswerberin folgen, würde man zu einer unzulässigen subjektiven Betrachtungsweise hinsichtlich der Optimierungsnotwendigkeit eines Dienstes für ein bestimmtes Qualitätsniveau gelangen und stünde es somit jedem ISP frei, durch eine entsprechende Ausgestaltung seines Dienstes die Optimierungsnotwendigkeit zu rechtfertigen. Die von der Revisionswerberin geforderte „holistische“ Betrachtungsweise des live‑IPTV‑Dienstes und des Videoabrufdienstes würde dazu führen, dass die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 5 TSM‑VO durch willkürliches Bündeln von Nicht‑Spezialdiensten mit tatsächlichen Spezialdiensten umgangen werden könnte. Die Catch‑up Funktion stelle auch keinen untrennbaren Teil des linearen live-IPTV‑Dienstes dar. Auch aus technischer Sicht handle es sich laut dem entsprechenden Gutachten um trennbare Systeme. Aus technischen Gründen werde beim Datentransport die Funktionalität des live‑TV über einen linearen live‑IPTV‑Dienst (Multicast) bewerkstelligt, alle anderen Funktionalitäten von „X TV“ (Catch‑up, Videorecorder, Nachholen der letzten sieben Tage, Online‑Videothek) würden hingegen technisch über einen Videoabrufdienst (Unicast) realisiert werden. Da es sich beim Videoabrufdienst nicht um einen Spezialdienst iSd Art. 3 Abs. 5 TSM‑VO handle, sei seine Priorisierung unzulässig.
18 Die automatische Trennung der IP‑Verbindung nach 24 Stunden und die damit verbundene notwendige Wiederverbindung samt Neuzuweisung einer IPv4‑Adresse stelle aus technischer Sicht eine Einschränkung der Möglichkeit dar, Dienste und Anwendungen über einen Internetzugangsdienst bereitzustellen. Selbst wenn man ‑ wie von der Revisionswerberin geltend gemacht aber nicht belegt ‑ eine lediglich zwei bis fünf Sekunden lange Dauer dieser Trennung zu Grunde legen wollte, sei von einer Beeinträchtigung des Interesses der Endnutzer an einer möglichst dauerhaft aufrechten IP‑Verbindung auszugehen (insbesondere beim Betrieb von Webservern für Webseiten, Blogs, Smart-Home-Systemen, Alarmanlagen oder Kamerasystemen), zumal laut den Ausführungen des Amtssachverständigen keine technische Notwendigkeit für die Trennung nach 24 Stunden bestehe. Dass es bei ausgewählten Streaming‑Diensten (wie etwa YouTube) zu keiner wahrnehmbaren Beeinträchtigung der Endnutzerrechte komme (durch Weiterabspielen des Videos trotz Unterbrechung der IP‑Verbindung), könne am Vorliegen einer grundsätzlichen Beeinträchtigung dieser Rechte nach Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO nichts ändern. Die Trennung sei ferner nicht, wie die TKK bereits (mit näherer Begründung) dargelegt habe, zum Schutz vor Angriffen oder aus datenschutzrechtlichen Gründen erforderlich. Auch die durch die kürzere Dauer der Zuweisung einer dynamischen IP‑Adresse bewirkte größere Effizienz der Nutzung beschränkt verfügbarer IP‑Adressen sei für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsverstoßes nicht relevant.
19 Zum Verlangen eines zusätzlichen Entgelts für die Zuweisung einer dynamisch‑öffentlichen IPv4‑Adresse sei auszuführen, dass Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO einen Katalog an grundlegenden Rechten enthalte, welche dem Endnutzer eines der TSM‑VO unterliegenden Internetzugangsdienstes zukämen, darunter das Recht, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen. Die technischen Bedingungen, die zur Ausübung der in Art. 3 Abs. 1 TSM‑VO gewährleisteten Rechte notwendig seien, müssten in dem nach Art. 3 Abs. 2 TSM‑VO vereinbarten Preis zur Bereitstellung des Internetzugangs enthalten sein. Da der Endnutzer nur bei Zurverfügungstellung einer dynamisch‑öffentlichen IP-Adresse die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 garantierten Rechte der Bereitstellung von eigenen Diensten und Anwendungen ausüben könne, bedeute die Vereinbarung der Einhebung eines zusätzlichen Entgelts eine Einschränkung der Rechte, was aber iSd Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EU) 2015/2120 unzulässig sei.
Dem Argument der Revisionswerberin, aufgrund der Geltung der Entgeltregelung nur für Mobilfunkverträge komme es zu keinen spürbaren Auswirkungen auf Endnutzer, sei zu entgegnen, dass es hinsichtlich der Beurteilung der Zulässigkeit der Regelung auf spürbare Auswirkungen auf die Endnutzer nicht ankomme; zudem sei festzuhalten, dass die Entgeltregelung auch für alle über das Mobilnetz der Revisionswerberin erbrachten „festnetzartigen“ Internetzugänge Geltung besitze.
20 Die angeordnete Rückzahlung der rechtswidrig eingehobenen Zusatzentgelte diene der Überwachung und Sicherstellung der Einhaltung von Art. 3 TSM‑VO, weshalb die TKK zu dieser Anordnung gemäß Art. 5 Abs. 1 TSM‑VO berechtigt sei. Zur behaupteten unzureichenden Bestimmtheit der in Art. 5 TSM‑VO normierten Befugnisse iSd Art. 18 B‑VG sei zu entgegnen, dass ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Präzisierung von EU‑Verordnungen durch innerstaatliches Recht bestehe. Dass das TKG 2003 eine solche Befugnis nicht kenne, sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung iSd Art. 5 TSM‑VO nicht relevant. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin sehe sich das BVwG angesichts der nicht bestehenden Zweifel an der Auslegung der entsprechenden Bestimmungen der TSM‑VO nicht veranlasst, den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens zu befassen. Auch habe die TKK die TSM‑VO nicht in Widerspruch zur Auffassung der Europäischen Kommission in ihrem Bericht zur Umsetzung der TSM‑VO vom 30. April 2019 ausgelegt.
21 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei zulässig, weil es zu den geahndeten Rechtsverstößen gemäß Art. 3 Abs. 1, 2, 3 und 5 TSM‑VO an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Zudem besäßen „diese Frage[n]“ über den Einzelfall hinaus Bedeutung.
22 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zusammen mit den Verwaltungsakten vorgelegte ‑ ordentliche ‑ Revision. Zu ihrer Zulässigkeit wird darin geltend gemacht, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den strittigen Rechtsfragen. Dies gelte insbesondere für die Fragen, ob bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Priorisierung eines Dienstes wie „X TV“ nach Art. 3 Abs. 5 TSM‑VO eine holistische Betrachtung des angebotenen Dienstes geboten sei und ob bei dieser Beurteilung auf den konkreten Dienst „X TV“ oder einen hypothetischen Dienst bzw. Diensttypus abzustellen sei; ob eine Neuzuweisung dynamischer IP‑Adressen nach 24 Stunden Art. 3 TSM‑VO verletze; ob Art. 3 TSM-VO einer Vereinbarung entgegenstehe, wonach für die Zuweisung einer öffentlichen dynamischen IP‑Adresse ein zusätzliches Entgelt zu bezahlen sei; und ob Art. 5 Abs. 1 TSM‑VO eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Entgeltrückzahlung darstelle. Diese Rechtsfragen seien „darüber hinaus“ bedeutend und relevant, weil deren Beantwortung maßgebliche Auswirkungen auf den österreichischen Telekommunikationsmarkt hätten.
23 Die TKK erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
24 Die Revision erweist sich im Sinne ihrer Zulässigkeitsbegründung als zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
25 Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zu Endkundenentgelten für regulierte intra-EU-Kommunikation sowie zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG und der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 , idF der Verordnung (EU) 2018/1971 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 (auch: TSM‑VO), lauten auszugsweise wie folgt:
„(Erwägungen)
(1) Mit dieser Verordnung sollen gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und damit verbundener Rechte der Endnutzer geschaffen werden. Mit der Verordnung sollen die Endnutzer geschützt und es soll gleichzeitig gewährleistet werden, dass das ‚Ökosystem‘ des Internets weiterhin als Innovationsmotor funktionieren kann.
...
(6) Endnutzer sollten das Recht haben, über ihren Internetzugangsdienst ohne Diskriminierung Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten und Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen. Die Ausübung dieses Rechts sollte unbeschadet des Unionsrechts und des mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Rechts zur Regelung der Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten erfolgen. Mit dieser Verordnung wird nicht angestrebt, die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten oder der damit verbundenen Verfahren, Anforderungen und Sicherheitsmechanismen zu regeln. Diese Angelegenheiten fallen somit weiterhin unter das Unionsrecht oder unter im Einklang mit dem Unionsrecht stehendes nationales Recht.
(7) Zur Ausübung ihrer Rechte auf Zugang zu und Verbreitung von Informationen und Inhalten sowie auf Nutzung und Bereitstellung von Anwendungen und Diensten ihrer Wahl sollte es den Endnutzern freistehen, mit den Internetzugangsanbietern Tarife mit bestimmten Datenvolumen und bestimmten Geschwindigkeiten des Internetzugangsdienstes zu vereinbaren. Diese Vereinbarungen sowie die Geschäftsgepflogenheiten der Internetzugangsanbieter sollten die Ausübung dieser Rechte nicht beschränken und somit auch nicht die Bestimmungen dieser Verordnung über die Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet umgehen. Die nationalen Regulierungsbehörden und die anderen zuständigen Behörden sollten befugt sein, gegen Vereinbarungen oder Geschäftsgepflogenheiten vorzugehen, die aufgrund ihrer Tragweite zu Situationen führen, in denen die Auswahlmöglichkeit der Endnutzer in der Praxis wesentlich eingeschränkt wird. Daher sollte bei der Bewertung von Vereinbarungen und Geschäftsgepflogenheiten unter anderem der jeweiligen Marktposition der betreffenden Internetzugangsanbieter und Anbieter von Inhalten, Anwendungen und Diensten Rechnung getragen werden. Die nationalen Regulierungsbehörden und die anderen zuständigen Behörden sollten im Rahmen ihrer Überwachungs- und Durchsetzungsfunktion verpflichtet sein, einzugreifen, wenn Vereinbarungen oder Geschäftsgepflogenheiten dazu führen würden, dass dieses Recht der Endnutzer in seinem Kern untergraben würde.
(8) Bei der Bereitstellung der Internetzugangsdienste sollten Anbieter dieser Dienste den gesamten Datenverkehr ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, ungeachtet des Senders, des Empfängers, des Inhalts, der Anwendung, des Dienstes oder des Endgeräts, gleich behandeln. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und der ständigen Rechtsprechung sollten vergleichbare Situationen nicht unterschiedlich und unterschiedliche Situationen nicht gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt.
(9) Ziel eines angemessenen Verkehrsmanagements ist es, zu einer effizienten Nutzung der Netzressourcen und zur Optimierung der Gesamtübermittlungsqualität entsprechend den objektiv unterschiedlichen Anforderungen an die technische Qualität der Dienste bei speziellen Verkehrskategorien und somit den übermittelten Inhalten, Anwendungen und Diensten beizutragen. Von den Internetzugangsanbietern angewandte angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen sollten transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein, und sie sollten nicht auf kommerziellen Erwägungen beruhen. Die Anforderung, dass Verkehrsmanagementmaßnahmen nicht diskriminierend sein dürfen, schließt nicht aus, dass die Internetzugangsanbieter zur Optimierung der Gesamtübermittlungsqualität Verkehrsmanagementmaßnahmen anwenden, bei denen zwischen objektiv verschiedenen Verkehrskategorien unterschieden wird. Um die Gesamtqualität und das Nutzererlebnis zu optimieren, sollte jede derartige Differenzierung nur auf der Grundlage objektiv verschiedener Anforderungen an die technische Qualität der Dienste (beispielsweise in Bezug auf Verzögerung, Verzögerungsschwankung, Paketverlust und Bandbreite) bei bestimmten Verkehrskategorien, nicht aber auf Grundlage kommerzieller Erwägungen zulässig sein. Derartige differenzierende Maßnahmen sollten in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Optimierung der Gesamtqualität stehen und gleichartigen Verkehr gleich behandeln. Derartige Maßnahmen sollten nicht länger als erforderlich beibehalten werden.
...
(11) Jede Verkehrsmanagementpraxis, die über solche angemessenen Verkehrsmanagementmaßnahmen hinausgeht indem sie eine Blockierung, Verlangsamung, Veränderung, Beschränkung, Störung, Schädigung oder Diskriminierung je nach spezifischen Inhalten, Anwendungen oder Diensten oder spezifischen Kategorien derselben vornimmt, sollte ‑ vorbehaltlich begründeter und genau festgelegter Ausnahmen nach Maßgabe dieser Verordnung ‑ verboten werden. Diese Ausnahmen sollten einer strengen Auslegung und strengen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit unterliegen. ...
(12) Verkehrsmanagementmaßnahmen, die über die oben angegebenen angemessenen Verkehrsmanagementmaßnahmen hinausgehen, sollten nur soweit und so lange angewandt werden können, wie es erforderlich ist, um den in dieser Verordnung vorgesehenen begründeten Ausnahmen zu entsprechen.
...
(16) Die Anbieter von Inhalten, Anwendungen und Diensten sind daran interessiert, andere elektronische Kommunikationsdienste, die keine Internetzugangsdienste sind, anbieten zu können, für die spezifische, von Internetzugangsdiensten nicht gewährleistete Qualitätsniveaus erforderlich sind. Diese spezifischen Qualitätsniveaus werden beispielsweise von einigen Diensten, die einem öffentlichen Interesse entsprechen, oder von einigen neuen Diensten für die Maschine‑Maschine‑Kommunikation verlangt. Den Anbietern öffentlicher elektronischer Kommunikation, einschließlich der Internetzugangsanbieter und der Anbieter von Inhalten, Anwendungen und Diensten, sollte es freistehen, Dienste anzubieten, bei denen es sich nicht um Internetzugangsdienste handelt und die für bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste oder eine Kombination derselben optimiert sind, wenn die Optimierung erforderlich ist, um den Anforderungen der Inhalte, Anwendungen oder Dienste an ein spezifisches Qualitätsniveau zu genügen. Anstatt einfach generell die Priorität vor vergleichbaren Inhalten, Anwendungen oder Diensten, die über die Internetzugangsdienste verfügbar sind, einzuräumen und damit die für die Internetzugangsdienste geltenden Bestimmungen über das Verkehrsmanagement zu umgehen, sollten die nationalen Regulierungsbehörden vielmehr prüfen, ob und inwieweit diese Optimierung objektiv erforderlich ist, um ein oder mehrere spezifische und grundlegende Merkmale der Inhalte, Anwendungen oder Dienste zu gewährleisten und eine entsprechende Qualitätsgarantie zugunsten der Endnutzer zu ermöglichen.
...
Artikel 1
Gegenstand und Geltungsbereich
(1) In dieser Verordnung werden gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Verkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und der damit verbundenen Rechte der Endnutzer festgelegt.
...
Artikel 3
Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet
(1) Endnutzer haben das Recht, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen.
Dieser Absatz lässt das Unionsrecht und das mit dem Unionsrecht im Einklang stehende nationale Recht in Bezug auf die Rechtmäßigkeit von Inhalten, Anwendungen oder Diensten unberührt.
(2) Vereinbarungen zwischen Anbietern von Internetzugangsdiensten und Endnutzern über die gewerblichen und technischen Bedingungen und die Merkmale von Internetzugangsdiensten wie Preis, Datenvolumina oder Geschwindigkeit sowie die Geschäftspraxis der Anbieter von Internetzugangsdiensten dürfen die Ausübung der Rechte der Endnutzer gemäß Absatz 1 nicht einschränken.
(3) Anbieter von Internetzugangsdiensten behandeln den gesamten Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten gleich, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung, sowie unabhängig von Sender und Empfänger, den abgerufenen oder verbreiteten Inhalten, den genutzten oder bereitgestellten Anwendungen oder Diensten oder den verwendeten Endgeräten.
Unterabsatz 1 hindert die Anbieter von Internetzugangsdiensten nicht daran, angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen anzuwenden. Damit derartige Maßnahmen als angemessen gelten, müssen sie transparent, nichtdiskriminierend und verhältnismäßig sein und dürfen nicht auf kommerziellen Erwägungen, sondern auf objektiv unterschiedlichen technischen Anforderungen an die Dienstqualität bestimmter Datenverkehrskategorien beruhen. Mit diesen Maßnahmen darf nicht der konkrete Inhalt überwacht werden, und sie dürfen nicht länger als erforderlich aufrechterhalten werden.
Anbieter von Internetzugangsdiensten wenden keine Verkehrsmanagementmaßnahmen an, die über die Maßnahmen gemäß Unterabsatz 2 hinausgehen; insbesondere dürfen sie nicht bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste ‑ oder bestimmte Kategorien von diesen ‑ blockieren, verlangsamen, verändern, einschränken, stören, verschlechtern oder diskriminieren, außer soweit und solange es erforderlich ist, um
a) Gesetzgebungsakten der Union oder mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Rechtsvorschriften, denen der Internetzugangsanbieter unterliegt, oder mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden Maßnahmen zur Umsetzung dieser Gesetzgebungsakte der Union oder dieser nationalen Rechtsvorschriften zu entsprechen, einschließlich Verfügungen von Gerichten oder Behörden, die über die entsprechenden Befugnisse verfügen;
b) die Integrität und Sicherheit des Netzes, der über dieses Netz erbrachten Dienste und der Endgeräte der Endnutzer zu wahren;
c) eine drohende Netzüberlastung zu verhindern oder die Auswirkungen einer außergewöhnlichen oder vorübergehenden Netzüberlastung abzumildern, sofern gleichwertige Verkehrsarten gleich behandelt werden.
...
(5) Den Anbietern öffentlicher elektronischer Kommunikation, einschließlich der Internetzugangsanbieter und der Anbieter von Inhalten, Anwendungen und Diensten, steht es frei, andere Dienste, die keine Internetzugangsdienste sind, anzubieten, die für bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste oder eine Kombination derselben optimiert sind, wenn die Optimierung erforderlich ist, um den Anforderungen der Inhalte, Anwendungen oder Dienste an ein bestimmtes Qualitätsniveau zu genügen.
Die Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation einschließlich der Internetzugangsanbieter dürfen diese anderen Dienste nur dann anbieten oder ermöglichen, wenn die Netzkapazität ausreicht, um sie zusätzlich zu den bereitgestellten Internetzugangsdiensten zu erbringen. Diese anderen Dienste dürfen nicht als Ersatz für Internetzugangsdienste nutzbar sein oder angeboten werden und dürfen nicht zu Nachteilen bei der Verfügbarkeit oder der allgemeinen Qualität der Internetzugangsdienste für Endnutzer führen.
...
Artikel 5
Aufsicht und Durchsetzung
(1) Die nationalen Regulierungsbehörden überwachen genau und stellen sicher, dass Artikel 3 und 4 des vorliegenden Artikels eingehalten werden, und fördern die kontinuierliche Verfügbarkeit von nichtdiskriminierenden Internetzugangsdiensten auf einem Qualitätsniveau, das den Fortschritt der Technik widerspiegelt. Für diese Zwecke können die nationalen Regulierungsbehörden Anforderungen an technische Merkmale, Mindestanforderungen an die Dienstqualität und sonstige geeignete und erforderliche Maßnahmen für einen oder mehrere Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation, einschließlich der Anbieter von Internetzugangsdiensten, vorschreiben.
...
Artikel 6
Sanktionen
Die Mitgliedstaaten erlassen für Verstöße gegen die Artikel 3, 4 und 5 Vorschriften über Sanktionen und treffen alle zu deren Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. ...“
26 Das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) hat gemäß Art. 5 Abs. 3 TSM‑VO im August 2016 Leitlinien für die Umsetzung der Verpflichtungen der nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 5 TSM‑VO („Guidelines on the Implementation of the Open Internet Regulation“) erstellt und sie am 11. Juni 2020 aktualisiert. Diesen ist gemäß Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2018/1971 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Einrichtung des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und der Agentur zur Unterstützung des GEREK (GEREK‑Büro), zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/2120 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1211/2009, von den nationalen Regulierungsbehörden weitestgehend Rechnung zu tragen. Sie lauten auszugsweise wie folgt [BoR (20) 112]:
„Article 3 (2) agreements
30. Article 3(2) clarifies that agreements between ISPs and end‑users on commercial and technical conditions and the characteristics of IAS such as price, data volumes or speed, and any commercial practices conducted by ISPs are allowed, but shall not limit the exercise of the rights of end‑users laid down in Article 3(1).
31. To BEREC’s understanding, Article 3(2) contains two relevant aspects:
• the freedom to conclude agreements between ISPs and end-users relating to commercial and technical conditions as well as characteristics of IAS;
• the provision that such agreements and commercial practices shall not limit the exercise of the end‑users’ rights laid down in Article 3(1).
...
Shall not limit the exercise of end-users’ rights
34. With regard to characteristics of IAS, agreeing on tariffs for specific data volumes and speeds of the IAS would not represent a limitation of the exercise of the end‑users’ rights (ref. Recital 7). Moreover, BEREC considers that end‑users’ rights are likely to be unaffected, at least in the case that data volume and speed characteristics are applied in an application-agnostic way (refer to paragraph 34a). The same assumption applies to offering different speeds for different IAS subscriptions, including in the case of mobile IAS subscriptions.
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34b. Different levels for QoS parameters other than data volumes and speeds, such as latency, jitter and packet loss, can also be agreed upon under Article 3(2). Such QoS levels must not be confused with ‘categories of traffic’ under the second subparagraph of Article 3(3) (refer to paragraphs 57‑75). When assessing cases in which ISPs provide different IAS subscriptions, each with a different level of QoS, NRAs should ensure that the implementation of the different QoS levels is application‑agnostic and transparent in order to verify compliance with Article 3(3). Furthermore, the practice must not limit the exercise of the rights of end‑users laid down in Article 3(1).
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39. However, some commercial conditions or practices, most obviously those involving price differentiation applied to categories of applications, are more likely to influence end‑users’ exercise of the rights defined in Article 3(1) without necessarily limiting it.
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Article 3(5) first subparagraph: necessity requirement of specialised services
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99. Beyond the delivery of applications through the IAS, there can be demand for services that need to be carried at a specific level of quality that cannot be assured by the standard best effort delivery.
100. Such services can be offered by providers of electronic communications to the public (PECPs), including providers of internet access services (ISPs), and providers of content, applications and services (CAPs).
101. These providers are free to offer services referred to in Article 3(5), which BEREC refers to as specialised services, only when various requirements are met. Article 3(5) provides the safeguards for the provisioning of specialised services which are characterised by the following features in Article 3(5) first subparagraph:
• they are services other than IAS services;
• they are optimised for specific content, applications or services, or a combination thereof;
• the optimisation is objectively necessary in order to meet requirements for a specific level of quality.
102. Their provision is subject to a number of conditions in Article 3(5) second subparagraph, namely that:
• the network capacity is sufficient to provide the specialised service in addition to any IAS provided;
• specialised services are not usable or offered as a replacement for IAS;
• specialised services are not to the detriment of the availability or general quality of the IAS for end‑users.
103. According to Recital 16, the service shall not be used to circumvent the provisions regarding traffic management measures applicable to IAS.
104. All these safeguards aim to ensure the continued availability and general quality of best effort IAS.
105. NRAs should verify whether the application could be provided over IAS at the specific levels of quality which are objectively necessary in relation to the application, or whether they are instead set up in order to circumvent the provisions regarding traffic management measures applicable to IAS, which would not be allowed.
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112. The internet and the nature of IAS will evolve over time. A service that is deemed to be a specialised service today may not necessarily qualify as a specialised service in the future due to the fact that the optimisation of the service may not be objectively necessary, as the general standard of IAS may have improved. On the other hand, additional services might emerge that need to be optimised, even as the standard of IAS improves. NRAs should assess whether a service qualifies as a specialised service on a case‑by‑case basis. In case of reassessment, this would be expected to take place over a larger timescale. NRAs are not expected to keep specialised services under constant review. When an NRA assesses that a service no longer qualifies as a specialised service due to the improved quality of IAS, the ISP should be allowed a reasonable transitional phase for phasing out of the specialised service. In these circumstances, national administrative and procedural laws apply, including observing the principle of proportionality.
113. Typical examples of specialised services provided to end-users are VoLTE and linear broadcasting IPTV services with specific QoS requirements, subject to them meeting the requirements of the Regulation, in particular Article 3(5) first subparagraph. Under the same preconditions, other examples would include real-time health services (e.g. remote surgery) or ‘some services responding to a public interest or by some new machine‑to‑machine communications services’ (Recital 16).
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Article 5(1): supervision and enforcement
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181. The imposition of any of these requirements and measures should be assessed based on their effectiveness, necessity and proportionality:
• Effectiveness requires that the requirements can be implemented by undertakings and are likely to swiftly prevent or remove degradation of IAS offer available to end-users or other infringements of the Regulation.
• Necessity requires that, among the effective requirements or measures, the least burdensome is chosen, i.e. other regulatory tools should be considered and deemed insufficient, ineffective or not able to be used fast enough to remedy the situation.
• Proportionality implies limiting the requirements to the adequate scope, and that the obligation imposed by the requirement is in pursuit of a legitimate aim, appropriate to the pursued aim and there is no less interfering and equally effective alternative way of achieving this aim. For example, if specific ISPs offer degraded IAS services or infringe the traffic management rules of the Regulation, then the proportionate requirements may focus on these ISPs in particular.“
27 Im Urteil vom 15. September 2020 in den verbundenen Rechtssachen C‑807/18 und C‑39/19, Telenor Magyarország Zrt., hat der Gerichtshof der Europäischen Union erstmals die Verordnung (EU) 2015/2120 ausgelegt.
28 Zu klären war im Wesentlichen die Zulässigkeit von „Nulltarif"‑Paketen: Ein Anbieter von Internetzugangsdiensten hatte zwei Pakete angeboten, die Nutzung von bestimmten Diensten bzw. Anwendungen zum „Nulltarif" ermöglichten. Deren Nutzung wurde auf das vereinbarte Datenvolumen also nicht angerechnet; sie konnten auch nach dem Verbrauch des Datenvolumens weiterhin ohne Einschränkungen genutzt werden, während der Datenverkehr bei den übrigen verfügbaren Anwendungen und Diensten blockiert bzw. verlangsamt wurde.
29 Der EuGH hat entschieden, dass der Abschluss solcher Vereinbarungen geeignet ist, die Ausübung der Rechte der Endnutzer im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung auf einem erheblichen Teil des Marktes einzuschränken. Derartige Pakete können nämlich die Nutzung der bevorzugt behandelten Anwendungen und Dienste erhöhen und zugleich die Nutzung der übrigen verfügbaren Anwendungen und Dienste in Anbetracht der Maßnahmen, mit denen der Anbieter von Internetzugangsdiensten ihre Nutzung technisch erschwert oder sogar unmöglich macht, verringern. Zudem kann, je größer die Zahl der Kunden ist, die solche Vereinbarungen abschließen, die kumulierte Auswirkung dieser Vereinbarungen angesichts ihrer Tragweite umso mehr zu einer erheblichen Einschränkung der Ausübung der Rechte der Endnutzer führen oder sogar den Kern dieser Rechte untergraben.
30 Zur Feststellung einer Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2015/2120 bedürfe es keiner Bewertung der Auswirkungen von Maßnahmen, mit denen der Verkehr blockiert oder verlangsamt wird, auf die Ausübung der Rechte der Endnutzer. Maßnahmen, mit denen der Verkehr blockiert oder verlangsamt wird, seien als solche als mit der genannten Bestimmung unvereinbar anzusehen, weil sie nicht auf objektiv unterschiedlichen Anforderungen an die technische Qualität der Dienste bei speziellen Verkehrskategorien, sondern auf kommerziellen Erwägungen beruhen.
31 Der EuGH erkannte daher zu Recht, dass Art. 3 der Verordnung (EU) 2015/2120 dahin auszulegen ist,
„dass Pakete, die Gegenstand von Vereinbarungen zwischen einem Anbieter von Internetzugangsdiensten und Endnutzern sind, wonach Letztere einen Tarif buchen können, der sie berechtigt, ein bestimmtes Datenvolumen uneingeschränkt zu nutzen, ohne dass die Nutzung bestimmter Anwendungen und Dienste, für die ein ‚Nulltarif‘ gilt, angerechnet wird, und diese Anwendungen und Dienste weiterhin zu nutzen, nachdem das gebuchte Datenvolumen ausgeschöpft wurde, während die übrigen verfügbaren Anwendungen und Dienste blockiert oder verlangsamt werden,
- mit Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit dessen Abs. 1 unvereinbar sind, da diese Pakete, Vereinbarungen und Blockierungs- oder Verlangsamungsmaßnahmen die Ausübung der Rechte der Endnutzer einschränken, und
- mit Art. 3 Abs. 3 unvereinbar sind, da die Blockierungs- und Verlangsamungsmaßnahmen auf kommerziellen Erwägungen beruhen.“
32 Aufbauend auf diesem Urteil hat der EuGH jüngst in den Urteilen vom 2. September 2021 in den Rechtssachen C‑854/19, Vodafone GmbH, C‑5/20, Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände ‑ Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., bzw. C‑34/20, Telekom Deutschland GmbH, über die Zulässigkeit von „Nulltarif“-Optionen in Verbindung mit Roaming‑Beschränkungen im Ausland, Tethering und Geschwindigkeitsbeschränkungen für jegliches Video‑Streaming entschieden. Ohne die spezifischen Fragen der vorlegenden deutschen Gerichte einzeln zu erörtern, erkannte er zu Recht, dass Art. 3 der Verordnung (EU) 2015/2120 dahin auszulegen ist, dass eine auf der Aktivierung einer Tarifoption zum sogenannten „Nulltarif“ beruhende Nutzungsbeschränkung beim Roaming (Rs. C‑854/19), Einschränkung des Tethering (Rs. C 5/20) und Bandbreitenlimitierung, die bei Videostreaming unabhängig davon zur Anwendung kommt, ob es sich um Videostreaming von Partnerunternehmen (also des die genannte Tarifoption ermöglichenden Anbieters von Internetzugangsdiensten) oder anderen Anbietern von Inhalten handelt (Rs. C‑34/20), mit den Pflichten aus Art. 3 Abs. 3 unvereinbar ist.
33 Auf der dargestellten Rechtsgrundlage kann entgegen der Revision nicht gesehen werden, dass die Revisionswerberin durch das angefochtene Erkenntnis des BVwG in Rechten verletzt worden sei.
34 „X-TV“ ‑ Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 und 5 der Verordnung (EU) 2015/2120
35 Die TKK und das BVwG hatten im Hinblick auf dieses von der Revisionswerberin angebotene Produkt eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 und 5 der Verordnung (EU) 2015/2120 im Wesentlichen deshalb festgestellt, weil die darin angebotenen Videoabrufdienste unzulässig priorisiert würden, was alle anderen Anwendungen und Dienste diskriminiere.
36 Die Revisionswerberin führt gegen diese Beurteilung ‑ zusammengefasst ‑ Folgendes ins Treffen:
37 Bei X-TV handle es sich ‑ insgesamt ‑ um einen Spezialdienst iSd Art. 3 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2015/2120 . Entgegen der Auffassung des BVwG hätten die in diesem Produkt angebotenen Dienste bzw. Anwendungen nämlich nicht separat beurteilt werden dürfen, vielmehr wäre das gesamte Produkt holistisch zu prüfen gewesen. Da der darin enthaltene live‑IPTV‑Dienst aber unbestritten ein Spezialdienst iSd Art. 3 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2015/2120 sei, seien auch die damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Videoabrufdienste als Spezialdienste zu qualifizieren, welche optimiert werden dürften.
Bei der Prüfung, ob die Optimierung eines Dienstes objektiv erforderlich sei, um ein spezifisches Qualitätsniveau gewährleisten zu können, sei auf den konkreten Dienst abzustellen und nicht auf den Diensttypus bzw. einen „hypothetischen“ Dienst. Daran ändere nichts, dass einzelne Komponenten technisch grundsätzlich trennbar wären, was auch in Erwägungsgrund 16 der Verordnung (EU) 2015/2120 zum Ausdruck komme, wenn hier darauf abgestellt werde, ob „ein oder mehrere spezifische und grundlegende Merkmale“ der Dienste objektiv eine Optimierung erforderten.
Eine Umgehungsgefahr (durch willkürliches Bündeln von Nicht‑Spezialdiensten mit Spezialdiensten) sei entgegen der Auffassung des BVwG schon deshalb auszuschließen, weil X‑TV bereits vor Inkrafttreten und auch vor Bekanntwerden des legislativen Vorschlags der Verordnung (EU) 2015/2120 von der Revisionswerberin angeboten worden sei.
Die von der Revisionswerberin geforderte holistische Betrachtungsweise sei auch deshalb geboten, weil X‑TV als einheitliches Produkt mit einheitlichen Vertragsbedingungen angeboten und mit der Kombination von Live- und Video‑on‑Demand‑Komponenten der Erwartungshaltung eines durchschnittlichen Nutzers entsprechen würde. X‑TV erfülle in seiner Gesamtheit die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2015/2120 : Danach sei der konkret angebotene Dienst ‑ hier also X-TV mit den darin enthaltenen Komponenten und Funktionalitäten ‑ maßgeblich; eine Optimierung der Live‑TV‑Komponente sei auch nach den Feststellungen des BVwG erforderlich, die Netzkapazität mehr als ausreichend, um neben X‑TV (das selbst keinen Zugang zum Internet biete und daher auch nicht als Ersatz für Internetzugangsdienste genutzt werden könne) den Internetzugangsdienst zu erbringen und schließlich führe X‑TV nicht zu Nachteilen bei der Verfügbarkeit und Qualität des Internetzugangsdienstes für Endnutzer.
Ausgehend von der erforderlichen Beurteilung des konkreten Sachverhalts und damit der technischen Ausgestaltung des von der Revisionswerberin angebotenen Dienstes seien jedenfalls die Komponenten Video‑on‑Demand und Pause‑und‑Fortsetzen als Spezialdienste zu qualifizieren. Eine Optimierung sei erforderlich, zumal die Aufbereitung des Video-Signals für diese Komponenten auf der gleichen Hardware beim Endnutzer, mit der gleichen Übertragungs- und Komprimierungstechnologie wie beim linearen Fernsehen erfolge. Eine definierte Bandbreite sei zwingend notwendig, um die von den Qualitätsstandards geforderte bitfehlerfreie Zustellung in Echtzeit zu erreichen (da für die Übertragung das Verfahren Constant Bitrate ‑ CBR angewandt werde, sei für ein SD‑Signal stets ca. 3 Mbit/s, für ein HD‑Signal ca. 7 Mbit/s erforderlich). Die unstrittig notwendige Priorisierung des Datenverkehrs für die Live‑TV‑Komponente erfordere daher auch die Priorisierung des Datenverkehrs dieser weiteren Komponenten.
38 Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
39 Die Revisionswerberin bietet im Rahmen ihres Produkts X‑TV neben einem live-IPTV‑Dienst auch Videoabrufdienste („Catch up“-TV und Video‑on‑Demand) an, wobei sowohl der live‑TV‑Dienst als auch die Videoabrufdienste gegenüber dem restlichen Datenverkehr priorisiert werden, indem auf dem Internetzugangsdienst des jeweiligen Kunden die notwendige Bandbreite für diese Dienste exklusiv reserviert wird.
40 Die Verordnung (EU) 2015/2120 soll (u.a.) eine diskriminierungsfreie Behandlung des Datenverkehrs gewährleisten (vgl. insb. Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3) und erlaubt eine unterschiedliche Behandlung daher nur in engen Grenzen, wobei Art. 3 Abs. 5 die Voraussetzungen dafür festlegt, damit bestimmte Dienste („Spezialdienste“) prioritär behandelt werden dürfen:
- es handelt sich um Dienste, die keine Internetzugangsdienste sind;
- sie sind für bestimmte Inhalte, Anwendungen oder Dienste oder eine Kombination derselben optimiert;
- die Optimierung ist objektiv erforderlich, um den Anforderungen an ein bestimmtes Qualitätsniveau zu genügen;
- die Netzkapazität reicht aus, um die Spezialdienste zusätzlich zu den bereitgestellten Internetzugangsdiensten zu erbringen;
- die Spezialdienste dürfen Internetzugangsdienste nicht ersetzen und nicht zu Nachteilen bei deren Verfügbarkeit oder allgemeinen Qualität führen.
41 Das BVwG hat seiner Entscheidung ‑ auf Sachverhaltsebene unter Bezugnahme auf das im Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten ‑ zu Grunde gelegt, dass die Notwendigkeit der Priorisierung auch der Videokomponenten einzig der (veralteten) technischen Lösung der Revisionswerberin geschuldet sei. Aus technischer Sicht handle es sich laut dem entsprechenden Gutachten um trennbare Systeme. Eine Priorisierung der Videoabrufdienste sei aber objektiv nicht notwendig, weil das erforderliche Qualitätsniveau grundsätzlich auch über den „normalen“ Internetzugangsdienst erbracht werden könne (etwa durch die Anwendung anderer Übertragungsprotokolle oder die Verwendung von Methoden mit adaptiver Datenrate). Zudem zeige auch ein Vergleich mit anderen am Markt vorhandenen Videoabrufdiensten (u.a. auch der Revisionswerberin selbst), dass die erforderliche Qualität ohne Priorisierung gewährleistet werden könne.
Der von der Revisionswerberin geforderten „holistischen Betrachtungsweise“ sei schon deshalb eine Absage zu erteilen, weil sie durch willkürliches Bündeln einzelner Dienste eine Umgehung des Art. 3 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2015/2120 ermöglichte.
42 Festzuhalten ist dazu zunächst, dass ausgehend vom Ausnahmecharakter der genannten Bestimmung, die entgegen dem zentralen, in Art. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung des Datenverkehrs unter bestimmten Voraussetzungen eine prioritäre Behandlung erlaubt, entsprechend dem typischerweise einem Regel‑Ausnahme‑Verhältnis immanenten Prinzip der Bestand der Voraussetzungen für die Ausnahme streng zu prüfen ist (vgl. in diesem Sinn nur etwa VwGH 24.9.2020, Ra 2020/03/0085, 26.3.2021, Ra 2021/03/0006).
43 Dieser Ausnahmecharakter wird in der Verordnung (EU) 2015/2120 auch ausdrücklich angesprochen, wenn etwa Erwägungsgrund 11 verlangt, dass über angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen hinausgehende Praktiken ‑ „vorbehaltlich begründeter und genau festgelegter Ausnahmen nach Maßgabe dieser Verordnung ‑ verboten werden“ sollen, bzw. entsprechend Erwägungsgrund 12 über angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen hinausgehende Maßnahmen nur „soweit und so lange angewandt werden können, wie es erforderlich ist, um den in dieser Verordnung vorgesehenen begründeten Ausnahmen zu entsprechen“.
44 Ausgehend von den maßgebenden Feststellungen des BVwG rührt das Optimierungserfordernis bzw. die Notwendigkeit der Priorisierung aller Komponenten von X‑TV aus der konkreten Konfiguration dieses Dienstes, der ‑ insofern auf Basis einer „veralteten“ technischen Lösung ‑ trennbare Systeme zusammenführt.
Damit würde den Anforderungen der Verordnung (EU) 2015/2120 nicht entsprochen, wenn ‑ wie von der Revision gefordert ‑ auf Basis des „konkreten Sachverhalts“ und der technischen Ausgestaltung des angebotenen Dienstes die Notwendigkeit der Priorisierung des gesamten Datenverkehrs bzw. das Vorliegen eines „Spezialdienstes“ bejaht würde: Bei der von der Regulierungsbehörde vorzunehmenden Prüfung, ob die Optimierung „erforderlich“ iSd Art. 3 Abs. 5 ist, kann nämlich nicht bloß auf die konkrete Ausgestaltung des einzelnen Dienstes abgestellt werden, vielmehr verlangt gerade der von der Revision ins Treffen geführte Erwägungsgrund 16 eine „objektive“ Notwendigkeit einer solchen Optimierung, und lässt als Rechtfertigung für eine Priorisierungsnotwendigkeit damit die konkrete Ausgestaltung des einzelnen Systems nicht genügen.
Dies wird in den BEREC‑Leitlinien verdeutlicht, wenn deren Rz. 105 der Regulierungsbehörde bei der Beurteilung des Erforderlichkeitskriteriums von Spezialdiensten auch die Prüfung aufträgt, ob das geltend gemachte Optimierungserfordernis objektiv besteht oder etwa „nur ein Vorwand“ ist, um die relevanten Bestimmungen „zu umgehen“. Eine von der Revision geforderte „holistische“ Betrachtungsweise ist insoweit nicht anzustellen.
45 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang gegen die Auffassung des BVwG, die Sichtweise der Revisionswerberin erlaube ein willkürliches Bündeln von nicht notwendigerweise zusammengehörigen Elementen und sei auch deshalb abzulehnen, den zeitlichen Ablauf ins Treffen führt und hervorhebt, X‑TV sei längst vor Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2015/2120 angeboten worden, weshalb eine Umgehungshandlung ausscheide, geht auch dieses Argument fehl:
46 Dem eben dargestellten Objektivitätserfordernis, wonach also (auch) zu prüfen ist, ob etwa durch eine andere Ausgestaltung des Dienstes eine (ansonsten erforderliche) Optimierung vermieden werden kann, ist auch eine zeitliche Komponente immanent: So geht etwa Rz. 112 der BEREC‑Leitlinien, wonach wegen der Weiterentwicklung des Internets und der Internetzugangsdienste ein heute als Spezialdienst geltender Dienst in Zukunft etwa nicht mehr die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt, weil die Optimierung wegen Verbesserung des allgemeinen Standards des Internetzugangsdienstes nicht mehr objektiv erforderlich ist, davon aus, dass es für zunächst als Spezialdienste geltende Dienste keine Bestandsgarantie gibt.
Damit entspricht es der Verordnung (EU) 2015/2120 , wenn die Regulierungsbehörde in Fällen veralteter Systeme Anbieter unter Setzung angemessener Übergangsfristen dazu verpflichtet, ihre Dienste so auszugestalten, dass eine objektiv vermeidbare Priorisierung ‑ und damit Ungleichbehandlung von Datenverkehr ‑ abgestellt wird.
47 Automatische Trennung von IP‑Verbindungen nach 24 Stunden ‑ Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1, 2 und 3 Verordnung (EU) 2015/2120
48 Die TKK und das BVwG haben die automatische Trennung von IP‑Verbindungen von Endkunden nach 24 Stunden als Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2015/2120 beurteilt, weil dadurch die Rechte der Endnutzer nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 ohne rechtfertigenden Grund und damit unzulässig eingeschränkt würden.
49 Die Revision wendet dagegen ‑ zusammengefasst ‑ Folgendes ein:
50 Ausgehend von der Begrenzung der Anzahl verfügbarer öffentlicher IP‑Adressen begründe die mit einer regelmäßigen Trennung und Neuzuweisung von IP‑Adressen verbundene größere Effizienz der Nutzung im Verein mit dem Fehlen wesentlicher Auswirkungen einer bloß kurzfristigen Trennung der IP‑Verbindung auf die Rechte der Endnutzer die Zulässigkeit dieser Maßnahme. Wie sich aus Erwägungsgrund 7 Satz 3 der Verordnung (EU) 2015/2120 ergebe, seien nämlich nur wesentliche Einschränkungen der Nutzerrechte tatbestandlich. Dass die Trennung einer IP‑Verbindung samt Neuzuweisung einer IP‑Adresse nicht per se unzulässig sei, würde dadurch verdeutlicht, dass die belangte Behörde selbst eine Trennung alle 31 Tage für zulässig erachte.
51 Dem ist primär entgegenzuhalten, dass diese Prämissen keine Basis in den maßgebenden Feststellungen des BVwG haben: Soweit das BVwG auf die „größere Effizienz der Nutzung“ Bezug nimmt (S. 43 des Erkenntnisses), wird damit ‑ ausdrücklich nicht als relevant bewertetes ‑ Vorbringen der Revisionswerberin wiedergegeben; was die Beurteilung der tatsächlichen Auswirkungen der regelmäßigen Trennung der IP‑Verbindung auf die Rechte der Endnutzer anlangt, hat das BVwG dem entsprechenden Vorbringen der Revisionswerberin nicht bloß entgegnet, dass tatsächliche Auswirkungen für die Beurteilung des Vorliegens eines Rechtsverstoßes nicht erforderlich seien, sondern auch ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer möglichst dauerhaften IP‑Verbindung bei bestimmten Anwendungen (insbesondere bei Betreibern von Webservern für Webseiten, Blogs, Smart‑Home‑Systemen oder Alarmanlagen) verwiesen. Entgegen der Revision, die nicht in Abrede stellt, dass die genannten Anwendungen eine möglichst dauerhafte IP‑Verbindung erfordern, kann vom „Fehlen wesentlicher Auswirkungen“ also gerade nicht ausgegangen werden.
Die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Erfordernisse (Schutz der Endkunden vor fortgesetzten Angriffen und Sicherung deren Privatsphäre) schließlich ‑ die gegebenenfalls, als angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen iSd Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2120 beurteilt, die in Rede stehende Maßnahme rechtfertigen könnten ‑ erlaubten nach Auffassung des BVwG die Einschränkung schon deshalb nicht, weil sie weder notwendig sei, um Endkunden vor fortgesetzten Angriffen und vor Eingriffen in ihre Privatsphäre zu schützen, noch verhältnismäßig, zumal die automatische Trennung unabhängig von einem „Angriff“ erfolge und alle Endnutzer betreffe.
Die Revision setzt dieser Beurteilung nichts Stichhaltiges entgegen.
52 Zudem: Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2120 legt fest, dass die Ausübung der Rechte der Endnutzer gemäß Abs. 1 ‑ u.a. also Anwendungen und Dienste abzurufen, zu nutzen, bereitzustellen und zu verbreiten ‑ weder durch Vereinbarungen zwischen Anbietern von Internetzugangsdiensten und Endnutzern noch durch eine Geschäftspraxis der Anbieter eingeschränkt werden darf.
Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 schreibt weiters vor, dass Anbieter von Internetzugangsdiensten den gesamten Verkehr unabhängig von den genutzten Anwendungen oder Diensten gleichbehandeln, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung; dass die in Rede stehende Maßnahme etwa iSd Unterabs. 2 als angemessene Verkehrsmanagementmaßnahme gerechtfertigt sei (was das BVwG nach dem oben Gesagten verneint hatte), wird von der Revision nicht mehr geltend gemacht.
53 Wie der EuGH im Urteil vom 15. September 2020, Telenor, ausgeführt hat, sind u.a. Anwendungen oder Dienste einschränkende oder störende Maßnahmen, die nicht als angemessen iSv Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 angesehen werden können, als solche mit Art. 3 Abs. 3 unvereinbar, weshalb es zur Feststellung der Unvereinbarkeit keiner Bewertung der Maßnahmen auf die Ausübung der Rechte der Endnutzer bedarf (Telenor, Rz. 50).
Dem BVwG ist also auch insoweit nicht entgegenzutreten, als es das Vorliegen eines Rechtsverstoßes unabhängig von tatsächlichen Auswirkungen auf die Rechte der Endnutzer bejaht hat.
54 Zusätzliches Entgelt für dynamisch-öffentliche IPv4‑Adresse
55 TKK und BVwG haben den festgestellten Verstoß im Wesentlichen damit begründet, dass die inkriminierte Entgeltvereinbarung die Rechte der Endnutzer nach Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EU) 2015/2120 unzulässig beschränke, indem sie die Bereitstellung eigener Anwendungen und Dienste von einem Zusatzentgelt abhängig mache.
56 Die Revision macht dagegen ‑ unter Hinweis auf Erwägungsgrund 7 der Verordnung (EU) 2015/2120 und Rz. 34 der BEREC‑Leitlinien, wonach Tarifvereinbarungen über bestimmte Datenvolumina und Geschwindigkeiten des Internetzugangsdienstes keine Einschränkung der Ausübung von Endnutzerrechten darstellten ‑ geltend, die Verordnung (EU) 2015/2120 anerkenne, dass für objektiv kostenintensivere Varianten des Internetzugangsdienstes ein höheres Entgelt vereinbart werden dürfe, auch wenn bei billigeren Varianten bestimmte Dienste von Endnutzern nicht uneingeschränkt angeboten werden könnten. Daraus sei abzuleiten, dass die Vereinbarung eines zusätzlichen Entgelts für die Zuweisung einer öffentlichen IP‑Adresse zulässig sei, zumal das tatsächlich vereinbarte Entgelt von Euro 2,28 mit Blick auf deren begrenzte Zahl angemessen sei.
57 Damit wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht aufgezeigt.
58 Die Verordnung (EU) 2015/2120 verfolgt, wie schon in ihrem Titel zum Ausdruck kommt, zwei Ziele, nämlich den Zugang zu einem offenen Internet sicherzustellen und die Endnutzer zu schützen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts vom 4. März 2020 in Telenor, Rz. 27). Sie legt „gemeinsame Regeln zur Wahrung der gleichberechtigten und nichtdiskriminierenden Behandlung des Verkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten und der damit verbundenen Rechte der Endnutzer“ fest (Art. 1 Abs. 1 Verordnung (EU) 2015/2120 ), umschreibt in Art. 3 Abs. 1 den Endnutzern gewährleisteten „Zugang zum offenen Internet“ und stellt in Art. 3 Abs. 2 klar, dass die Ausübung der Rechte der Endnutzer nach Abs. 1 weder durch Vereinbarungen noch durch eine Geschäftspraxis der Anbieter von Internetzugangsdiensten eingeschränkt werden darf.
59 Ist aber auch die (eigene) Bereitstellung von Anwendungen und Diensten durch „Endnutzer“, die damit also der Öffentlichkeit eigene Inhalte zugänglich machen, ein Teilsegment des in Art. 3 Abs. 1 umschriebenen Zugangs zum offenen Internet, und garantiert Art. 3 Abs. 2, dass die Ausübung dieser Rechte und damit der Zugang zum offenen Internet nicht durch Vereinbarungen oder Geschäftspraxis eingeschränkt werden darf, kann der Beurteilung des BVwG, das Verlangen nach einem Zusatzentgelt verstoße gegen die Verordnung (EU) 2015/2120, nicht entgegengetreten werden:
60 Wie der EuGH (Telenor, Rz. 28) erkannt hat, ist es Sache der Regulierungsbehörden, im Einzelfall unter der Kontrolle der nationalen Gerichte und im Licht der Erläuterungen des Gerichtshofs zu bestimmen, ob das konkrete Verhalten eines Anbieters von Internetzugangsdiensten in Anbetracht seiner Merkmale unter Art. 3 Abs. 2 oder 3 Verordnung (EU) 2015/2120 fällt.
61 Ausgehend von den insoweit unstrittigen Feststellungen des BVwG erfordert die Bereitstellung eigener Dienste und Anwendungen die Zuweisung einer zumindest dynamisch‑öffentlichen IP‑Adresse. Verlangt die Revisionswerberin für eine solche Zuweisung die Zahlung eines zusätzlichen Entgelts durch den Endnutzer, bedeutet dies eine iSd Art. 3 Abs. 2 Verordnung (EU) 2015/2120 unzulässige Einschränkung der Ausübung der in Abs. 1 verankerten Rechte, weil eine solche Zuweisung notwendige Voraussetzung für die Möglichkeit der Ausübung des darin gewährleisteten Rechts, Inhalte und Anwendungen bereitstellen und verbreiten zu können, ist (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts in Telenor, Rz. 37), und Endkunden durch das Verlangen nach einem gesonderten Entgelt von der Ausübung dieses Rechts abgehalten werden könnten.
62 Gegen diese Beurteilung können entgegen der Revision auch nicht Erwägungsgrund 7 der Verordnung (EU) 2015/2120 oder Rz. 34 der Leitlinien erfolgreich ins Treffen geführt werden. Erwägungsgrund 7 hält nämlich explizit fest, dass allfällige Tarifvereinbarungen über bestimmte Datenvolumen oder Geschwindigkeiten die Ausübung der Rechte der Endnutzer nicht beschränken und die Regelungen der Verordnung über die Gewährleistung des Zugangs zum offenen Internet nicht umgehen dürfen. Dieser ‑ ausdrücklich missbilligte ‑ Erfolg könnte aber eintreten, wenn ein Teilsegment des in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 umschriebenen Zugangs zum offenen Internet, der von den Anbietern von Internetzugangsdiensten grundsätzlich zu gewährleisten ist, nicht im „Paketpreis“ enthalten wäre und gesondert entgolten werden müsste. Abgesehen davon unterscheiden sich die von der Revision berufenen Parameter (Datenvolumen und Geschwindigkeit) von der in Rede stehenden Zuweisung einer zumindest dynamisch‑öffentlichen IP‑Adresse insofern, als letztgenannte für die Ausübung eines in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 genannten Endnutzerrechts unabdingbar ist, während die ersteren ‑ lediglich ‑ die Qualität der entsprechenden Anwendungen beeinflussen (vgl. in diesem Zusammenhang auch Rz. 34b der Leitlinien, wonach - neben Datenvolumina und Geschwindigkeiten ‑ auch (andere) unterschiedliche Niveaus an Parametern für die Dienstequalität nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2120 vereinbart werden können). Auch deshalb ist der von der Revision gezogene Schluss nicht überzeugend.
63 Rückzahlungsanordnung
64 Die TKK und das BVwG haben die Anordnung der Rückzahlung der für die Zuweisung öffentlicher IP-Adressen eingehobenen Entgelte mit der Begründung auf Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EU) 2015/2120 gestützt, dass dadurch erst die künftige Einhaltung des Art. 3 sichergestellt werde, weil mit Blick auf die notwendige Dauer eines ex post durchzuführenden Verfahrens zur Überprüfung der Einhaltung der Verordnung (EU) 2015/2120 ansonsten die künftige Einhaltung der Bestimmung nicht gewährleistet wäre. Die Rückzahlung sei auch deshalb anzuordnen gewesen, weil es sich bei der verletzten Vorschrift um eine solche zum Endkundenschutz handle, und der Endnutzer daher so zu stellen sei, als hätte der Verstoß nicht stattgefunden.
65 Die Revision wendet dagegen zusammengefasst Folgendes ein:
66 Auf Grundlage des vom BVwG herangezogenen Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Verordnung (EU) 2015/2120 könne die „Sanktion der Rückzahlung“ nicht ausgesprochen werden, weil es sich dabei um eine Strafe handle und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Verordnung (EU) 2015/2120 den Anforderungen des Art. 49 GRC an eine Strafnorm nicht genüge, eine Rückzahlungsanordnung zudem ausschließlich Regelungsgegenstand des Art. 6 Verordnung (EU) 2015/2120 sei und schließlich auch die konkreten Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 Verordnung (EU) 2015/2120 nicht erfüllt seien.
67 Die Rückzahlungsanordnung sei keine die Rechtsverletzung beseitigende Maßnahme, habe vielmehr spezial- und generalpräventiven Charakter und damit Strafeigenschaft. Da aber ‑ entgegen Art. 49 GRC ‑ Straftat und Strafe nicht klar definiert seien, hätte keine Rückzahlungsanordnung erlassen werden dürfen.
68 Selbst wenn man aber Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EU) 2015/2120 als hinreichende Rechtsgrundlage für die Rückzahlungsanordnung verstünde, wären dessen Voraussetzungen nicht erfüllt, weil die Einhaltung von Art. 3 Verordnung (EU) 2015/2120 damit deshalb nicht sichergestellt werden könnte, liege doch die behauptete Rechtsverletzung in der Vergangenheit und könne nicht mehr beseitigt werden.
69 Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
70 Zunächst ist festzuhalten, dass von der Revision nicht einmal ansatzweise dargelegt wird, warum es sich bei der Rückzahlungsanordnung um eine Strafe iSv Art. 49 GRC (vgl. zu den danach maßgeblichen Kriterien etwa VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0001, mwN auch aus der Judikatur des EGMR) bzw. eine „Sanktion“ iSd Art. 6 der Verordnung (EU) 2015/2120 handeln sollte.
71 Entgegen der Revision konnte sich die TKK zur Begründung der Rückzahlungsanordnung ohnehin auf Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/2120 stützen:
72 Diese mit „Aufsicht und Durchsetzung“ überschriebene Bestimmung verpflichtet in ihrem Absatz 1 die nationalen Regulierungsbehörden zur genauen Überwachung und Sicherstellung der Einhaltung der Art. 3 und 4 der Verordnung, sowie zur Förderung der kontinuierlichen Verfügbarkeit von nichtdiskriminierenden Internetzugangsdiensten nach dem jeweiligen Stand der Technik.
Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass es sich bei der (hier unterstrichenen) Wendung in der deutschen Sprachfassung der Verordnung „stellen sicher, dass Artikel 3 und 4 des vorliegenden Artikels eingehalten ...“ unter Einbeziehung von Wortlaut und Systematik der Regelung mit Blick auf andere Sprachfassungen (etwa „ensure compliance with Articles 3 and 4“ in der englischen Fassung) offenbar um ein Vergreifen im Ausdruck handelt, sind doch erkennbar die Art. 3 und 4 der Verordnung gemeint.
73 Um das gesteckte Ziel (Einhaltung der Artikel 3 und 4, kontinuierliche Verfügbarkeit nichtdiskriminierender Internetzugangsdienste) zu erreichen, ermächtigt die Verordnung (EU) 2015/2120 nicht nur zur Vorschreibung (technischer) Mindestmerkmale, sondern ‑ generell ‑ zu „sonstige[n] geeignete[n] und erforderliche[n] Maßnahmen“. Nach dem damit angesprochenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zu prüfen, welche grundsätzlich in Betracht kommenden Maßnahmen zur Erreichung des Ziels geeignet und erforderlich sind; stehen mehrere geeignete Verpflichtungen zur Auswahl, ist die am wenigsten belastende zu wählen (vgl. in diesem Zusammenhang auch Rz. 181 der BEREC‑Leitlinien).
74 Vor dem Hintergrund, dass der Regulierungsbehörde die „Durchsetzung“ der die Anbieter von Internetzugangsdiensten nach Art. 3 und 4 treffenden Verpflichtungen aufgetragen ist und ihr zu diesem Zweck sämtliche geeignete und erforderliche Maßnahmen in die Hand gegeben sind, sowie mit Blick auf die bei der Anwendung von Unionsrecht einzuhaltenden Grundsätze der Effektivität und Äquivalenz ist nicht zu bezweifeln, dass die von der TKK verfügte und vom BVwG bestätigte Anordnung der Rückzahlung der von den Endnutzern unzulässig eingehobenen Zusatzentgelte diesen Maßstäben genügt: Die Endnutzer werden dadurch so gestellt, wie sie stünden, hätte die Revisionswerberin von vornherein die sie treffenden Verpflichtungen eingehalten; die Rückzahlungsanordnung reduziert zudem den Anreiz zu künftigem normwidrigen Verhalten und erhöht damit die Effektivität der Maßnahme.
75 Die Revisionswerberin wurde durch das angefochtene Erkenntnis daher insgesamt nicht in Rechten verletzt.
76 Der Verwaltungsgerichtshof sieht nach dem Vorgesagten (entgegen einer diesbezüglichen Anregung der Revisionswerberin) auch keine Veranlassung für einen Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH, sind die angesprochenen Fragen doch - ohnehin auf Basis von Judikatur des EuGH und unter Einbeziehung der iSd Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EU) 2015/2120 zur unionsweit einheitlichen Anwendung dieser Verordnung beitragenden BEREC‑Leitlinien ‑ hinreichend klar zu beantworten, ohne dass Zweifel hinsichtlich ihrer Auslegung aufkommen müssten.
77 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
78 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 16. November 2021
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