Normen
LSD-BG 2016 §12 Abs1 Z3
LSD-BG 2016 §21 Abs3
LSD-BG 2016 §22 Abs2
LSD-BG 2016 §27 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019110173.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 21. August 2018 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen Berufener der rumänischen M srl. als Arbeitgeber zu verantworten, dass er trotz schriftlicher Aufforderung der Finanzpolizei Linz vom 13. Februar 2017 Lohnunterlagen im Sinne des § 22 Lohn‑ und Sozialdumping‑Bekämpfungsgesetz ‑ LSD‑BG (insbesondere Arbeitsvertrag oder Dienstzettel, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitsaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung) für insgesamt 20 Arbeitnehmer nicht bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages übermittelt habe. Er habe dadurch § 12 Abs. 1 Z 3 iVm. § 27 Abs. 1 LSD‑BG verletzt. Über den Revisionswerber wurden deshalb gemäß § 27 Abs. 1 LSD‑BG ‑ pro betroffenem Arbeitnehmer ‑ eine Geldstrafe von € 1.000,‑ ‑ (insgesamt sohin € 20.000,‑ ‑) sowie jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ein Beitrag zu den Verfahrenskosten vorgeschrieben.
2 In seiner dagegen erhobenen Beschwerde führte der Revisionswerber aus, er habe mit E‑Mail vom 15. Februar 2017 sowohl die Lohnlisten für Jänner 2017 in rumänischer und deutscher Sprache als auch einen Arbeitsvertrag übermittelt. Die übrigen 19 Arbeitsverträge seien alleine deshalb nicht übermittelt worden, weil diese ‑ bis auf der Höhe nach geringfügig unterschiedliche Monatsgehälter ‑ identisch seien. Überdies seien die „Abrechnungen“ für Jänner 2017 erst in der Woche des 15. Februar 2017 erfolgt. Die Unterlagen betreffend die Auszahlungen hätten somit schon deshalb nicht übermittelt werden können, weil diese noch nicht vorgelegen seien. Auch sei die Geldstrafe unangemessen hoch.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Revisionswerbers insofern Folge gegeben, als die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen herabgesetzt und die Wortfolge „§ 27 Abs. 1 LSD‑BG“ jeweils durch die Wortfolge „erster Satz“ ergänzt wurden. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe am 15. Februar 2017 eine Stellungnahme, einen Arbeitsvertrag für einen der im Spruch genannten Arbeitnehmer sowie Lohnlisten in rumänischer und deutscher Sprache vorgelegt. Die weiteren gemäß § 22 LSD‑BG fehlenden Unterlagen seien insbesondere solche, aus denen die Arbeitszeitaufzeichnungen der eingesetzten Arbeiter nachvollzogen werden könnten, aber auch die übrigen Arbeitsverträge. Anlässlich seiner niederschriftlichen Befragung am 10. Oktober 2017 habe der Revisionswerber eine (weitere) Stellungnahme sowie mehrere Arbeitsverträge in rumänischer Sprache und Tabellen über Löhne und Arbeitszeitaufzeichnungen in deutscher und rumänischer Sprache vorgelegt. Der Revisionswerber habe nicht dargelegt, warum die rechtzeitige Vorlage der Unterlagen nicht möglich gewesen wäre. Somit seien wesentliche Unterlagen wie Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen, mit denen die Lohneinstufung hätten überprüft werden können, nicht innerhalb offener Frist vorgelegt worden. Der Revisionswerber habe damit das Tatbild des § 27 Abs. 1 LSD‑BG erfüllt.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet hat, die Revision kostenpflichtig zurück‑, in eventu abzuweisen.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
7 Die Revision ist im Hinblick auf das Vorbringen, dass nur Lohnunterlagen übermittelt werden können, die bereits vorliegen, zum Zeitpunkt der Aufforderung seien Teile der Lohnunterlagen aber noch nicht vorgelegen, zulässig. Sie ist auch begründet.
8 Die vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetzes (LSD-BG), BGBl. I Nr. 44/2016, lauten auszugsweise:
„Erhebungen der Abgabenbehörden
§ 12. (1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach den §§ 21 und 22 zu überwachen sowie in Bezug auf Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs, die nicht dem ASVG unterliegen, die zur Kontrolle des unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts (Lohnkontrolle) im Sinne des § 29 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und
...
3. in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 21 und 22) Einsicht zu nehmen, Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung dieser Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Erfolgt bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten die Kontrolle nicht am ersten Arbeits(Einsatz)ort, sind die Unterlagen der Abgabenbehörde nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen. ...
Bereithaltung von Lohnunterlagen
§ 22. (1) Arbeitgeber im Sinne der §§ 3 Abs. 2, 8 Abs. 1 oder 19 Abs. 1 haben während der Dauer der Beschäftigung (im Inland) oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 19 Abs. 3 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel im Sinne der Richtlinie 91/533 des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache, ausgenommen den Arbeitsvertrag, am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat. Der Arbeitsvertrag ist entweder in deutscher oder in englischer Sprache bereitzuhalten. ...
...
Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle
§ 27. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den §§ 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. ...
...“
9 Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf sein Erkenntnis vom 20. September 2018, Ra 2017/11/0233, bereits wiederholt festgehalten hat, schließt ein Verstoß des Arbeitgebers gegen die Bereithaltungspflicht nicht die daran anschließende Verpflichtung aus, die Unterlagen über behördliche Aufforderung zu übermitteln. Nur die tatsächliche Sichtung dieser Dokumente kann den Zweck des LSD‑BG, nämlich die Mindestentlohnung der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer und in weiterer Folge die Hintanhaltung von Lohn‑ und Sozialdumping, sicherstellen. Daher ist es im Sinne dieses Gesetzes, dass Unterlagen, sofern sie (schon) vorliegen können, der Behörde übermittelt werden müssen, damit die Einhaltung sämtlicher Bestimmungen überprüft werden kann (vgl. etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2018/11/0110, oder VwGH 26.5.2020, Ro 2019/11/0001, jeweils mwN).
10 Soweit der Revisionswerber vorbringt, es fehle hg. Rechtsprechung dazu, ob die Vorlage eines „Mustervertrags“ für alle Arbeitnehmer gelte, ist auf den eben dargelegten Zweck des LSD‑BG hinzuweisen. Der Revisionswerber führte in seiner Beschwerde selbst aus, dass es ‑ wenn auch minimale ‑ Unterschiede in der Entlohnung der einzelnen Arbeitnehmer gebe. Die genaue Entlohnung jedes einzelnen Arbeitnehmers ist aber für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen das LSD‑BG vorliegt, entscheidend.
11 Das Verwaltungsgericht hat es im Revisionsfall jedoch verabsäumt, auf das (ausweislich der vorgelegten Verfahrensakten) bereits im Verwaltungsstrafverfahren und in der Beschwerde erstattete Vorbringen einzugehen, dass die Abrechnungen für Jänner 2017 am 15. Februar 2017 noch nicht vorgelegen seien, weil die Arbeiten erst im Jänner 2017 begonnen hätten, und dass deshalb eine rechtzeitige Vorlage aller Lohnunterlagen nicht möglich gewesen sei. Es stellte vielmehr (aktenwidrig) fest, der Revisionswerber habe nicht dargelegt, warum ihm die rechtzeitige Vorlage der Unterlagen nicht möglich gewesen sei.
12 Das angefochtene Erkenntnis leidet daher an einem wesentlichen Begründungsmangel. Es war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben, ohne dass noch auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
13 Für den Fall, dass das Verwaltungsgericht im fortzusetzenden Verfahren eine strafrechtliche Verantwortung des Revisionswerbers erkennen sollte, wird es auch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. September 2019, Rs. C‑64/18, Maksimovic, zu beachten haben. Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 und 0034, bereits ausgesprochen hat, zieht die Übertretung nach dem LSD‑BG hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer nur mehr eine einzige Strafe nach sich, da dies zwingende Rechtsfolge des Erfordernisses ist, die Unionsrechtskonformität bei möglichst weitgehender Erhaltung des nationalen Rechts herzustellen (vgl. zur Bedeutung der Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses für Übertretungen des § 12 Abs. 1 Z 3 LSD‑BG auch das hg. Erkenntnis vom 27. April 2020, Ra 2019/11/0171).
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 12. August 2021
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