VwGH Ra 2020/20/0114

VwGHRa 2020/20/011415.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des A H M, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 7. Februar 2020, Zl. W254 2210620‑3/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §68 Abs1
BFA-VG 2014 §21 Abs3
BFA-VG 2014 §21 Abs6a
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200114.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 19. März 2016 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er nicht mehr an den Islam glaube und Christ werden wolle. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. Oktober 2018 rechtskräftig abgewiesen.

2 In der Folge stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, seine in den Iran zurückgekehrte Ehefrau habe eine Gerichtsladung erhalten, weil dem Revisionswerber Abtrünnigkeit vorgeworfen werde.

3 Mit Bescheid vom 4. Dezember 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Behörde sprach weiters aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, verhängte ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und trug dem Revisionswerber eine näher bezeichnete Unterkunftnahme auf.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ‑ ohne Durchführung einer Verhandlung ‑ mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei. Begründend führte es im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe gegenüber dem Erstverfahren keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht. Das Vorbringen, wonach nunmehr eine Vorladung existiere, sei nicht glaubhaft.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Revisionswerber habe eine Gerichtsladung vorgelegt, wonach er sich wegen Abtrünnigkeit zu verantworten habe. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes sei jedoch eine nachvollziehbare Würdigung, für die es einer fachmännischen Beurteilung der Echtheit und des Inhaltes des Dokuments bedurft hätte, unterblieben. Der Verweis auf Länderberichte, wonach gefälschte Dokumente im Iran einfach zu erhalten seien, ersetze nicht die das Bundesverwaltungsgericht treffende Ermittlungspflicht.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt ausschließlich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 13.2.2020, Ra 2019/01/0232, mwN). Mit seinem Vorbringen übersieht der Revisionswerber, dass sich das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht bloß auf das in der Revision genannte Argument stützte, sondern auch auf mehrere Widersprüchlichkeiten im Vorbringen des Revisionswerbers. Dass die Beweiswürdigung insgesamt als unvertretbar zu beurteilen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

10 Soweit die Revision ein Abweichen von der Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht nach § 21 Abs. 7 BFA‑VG vorbringt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren ‑ wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA‑VG, folgt (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/14/0542 bis 0544, mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht von den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht (insbesondere im Zulassungsverfahren) abgewichen wäre, zeigt die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen, eine Verhandlung wäre zweckmäßig gewesen, um die Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers einer näheren Beurteilung zu unterwerfen, nicht auf.

11 Insoweit die Revision vermeint, auch im Hinblick auf die Abwägung nach Art. 8 EMRK und auf die bei der Verhängung des Einreiseverbotes erforderlichen Gefährdungsprognose hätte sich das Bundesverwaltungsgericht einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen, ist ihr zwar insofern zuzustimmen, als bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer Verhandlung besondere Bedeutung zukommt. Daraus ist aber noch keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 18.11.2019, Ra 2019/18/0418, mwN). Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht von einem solchen eindeutigen Fall ausgehen hätte dürfen.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. April 2020

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