VwGH Ra 2020/20/0058

VwGHRa 2020/20/005826.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Rechtssache der Revision des S B in W, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2019, L504 1412388- 2/35E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200058.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 14. Juni 2009 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Der Antrag wurde im Instanzenzug mit Erkenntnis des (damaligen) Asylgerichtshofes vom 11. März 2013 rechtskräftig abgewiesen. Unter einem wurde gegen ihn eine Ausweisung in die Türkei erlassen. Danach verließ der Revisionswerber Österreich.

2 Am 13. April 2015 stellte der Revisionswerber, der angab, nach der Abweisung seines ersten Asylantrages in die Türkei zurückgekehrt zu sein, und nachdem er von der Schweiz nach der Dublin III-Verordnung nach Österreich überstellt worden war, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 6. Oktober 2015 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem gegenständlichen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung (mit einer hier nicht weiter relevanten Spruchänderung) als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 28. November 2019, E 3787/2019-7, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 10.1.2020, Ra 2019/20/0579, mwN).

10 Der Revisionswerber, der sich gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, macht in diesem Zusammenhang Ermittlungsmängel geltend. Abgesehen davon, dass ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens des Asylwerbers durch Recherche im Herkunftsstaat nicht besteht (vgl. auch dazu VwGH Ra 2019/20/0579, mwN), zeigt er mit dem Revisionsvorbringen auch die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht auf, weil nicht dargetan wird, welche konkreten, für die Beweiswürdigung maßgeblichen Umstände im Fall ergänzender Erhebungen hätten hervorkommen können. Soweit der Revisionswerber weiters ausführt, er habe für die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolgslos statt eines Dolmetschers für die türkische Sprache einen solchen für die kurdische Sprache eingefordert, ist darauf hinzuweisen, dass in der Revision nicht behauptet wird, der Dolmetscher hätte den Revisionswerber nicht verstanden oder dessen Angaben unrichtig übersetzt. Was aber der Revisionswerber im Fall der Beiziehung eines Dolmetschers für die kurdische Sprache anders hätte - wie es die Revision formuliert - "ausdrücken" können und inwieweit dies auf die beweiswürdigenden Überlegungen hätte Einfluss nehmen können, wird nicht einmal ansatzweise dargelegt.

11 Vor dem Hintergrund, dass das Fluchtvorbringen - nach dem Gesagten: nach dem im Revisionsverfahren anzulegenden Prüfmaßstab in nicht zu beanstandender Weise - als nicht glaubwürdig eingestuft wurde, kommt es fallbezogen auf nähere Feststellungen zu der in der Revision angesprochenen Situation im Heimatland des Revisionswerbers nicht weiter an.

12 Der Revisionswerber beanstandet auch die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz. Dazu ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 13.1.2020, Ra 2019/20/0584, mwN).

13 Das Bundesverwaltungsgericht hat entgegen dem Revisionsvorbringen sämtliche bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden - im Besonderen auch die in der Revision angesprochenen, zu Gunsten des Revisionswerbers zu wertenden - Umstände einbezogen. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht bei der im Einzelfall vorgenommenen Gewichtung dieser Umstände die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien missachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte. 14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 26. Februar 2020

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