Normen
BauO Tir 2011 §2 Abs7
BauO Tir 2011 §2 Abs8
BauO Tir 2011 §2 Abs9
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160084.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 hatte der Bürgermeister der Gemeinde Götzens dem Revisionswerber die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Ziegenstalles auf dem Grundstück Gp. KG G und mit einem weiteren Bescheid vom 22. Juni 2017 die baubehördliche Bewilligung für den Zubau eines Tankraumes (Milchtrankraum) auf demselben Grundstück erteilt, die jeweils in Rechtskraft erwuchsen. Die Wasserversorgung im neu errichteten Ziegenstall erfolgt über eine Einleitung von einem bereits bestehenden alten Stallgebäude. Die Baumasse des Ziegenstalles beträgt 6.017,78 m3.
2 Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Vorschreibung einer Wasseranschlussgebühr für den Ziegenstall als unbegründet ab und setzte die Gebühr, ausgehend von der genannten Baumasse, mit den Betrag von € 15.104,63 fest. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
3 Unter Zitierung der Rechtsgrundlagen, insbesondere der vom Gemeinderat der Gemeinde Götzens beschlossenen Wasserleitungsgebührenordnung vom 10. November 2015, sowie aus dem Tiroler Verkehrsaufschließungs‑ und Ausgleichsabgabengesetz erwog das Verwaltungsgericht, beim gegenständlichen Objekt handle es sich um einen neu errichteten Ziegenstall. Das Grundstück, auf welchem der Ziegenstall samt Tankraum errichtet worden sei, sei bereits seit mehreren Jahren an die Gemeindewasserversorgungsanlage angeschlossen.
4 Die Einbeziehung von Zu‑ und Umbauten und Wiederaufbauten von abgerissenen Gebäuden in die Gebührenpflicht gemäß § 2 der zitierten Wasserleitungsgebührenordnung solle sicherstellen, dass ein nachträglich errichtetes Gebäude oder ein nachträglich errichteter Gebäudeteil in einer Art und Weise in die Bemessungsgrundlage einbezogen und damit der Besteuerung unterzogen werde, als wäre dieses Gebäude oder dieser Gebäudeteil bereits ursprünglich (beim Anschluss des Grundstückes an die Wasserversorgungsanlage) vorhanden gewesen. Die Steuerpflicht entstehe zum Zeitpunkt des Baubeginns des Zubaus, sodass in Bezug auf den Neubau des Ziegenstalls jedenfalls keine Verjährung eingetreten sein könne. Eine Gebührenpflicht entstehe bei Zubauten, Umbauten und wiederaufgebauten Gebäuden nur insoweit, als die neue Bemessungsgrundlage die alte übersteige. Ausreichend sei, dass das Grundstück an die Wasserversorgungsanlage angeschlossen sei und dieses Gebäude oder dieser Gebäudeteil nicht gemäß § 3 Punkt 3 der Wasserleitungsgebührenordnung von der Abgabepflicht befreit sei. Da im konkreten Fall der Ziegenstall mit Wasser, das aus dem alten Stall bezogen werde, versorgt werde, komme die Befreiungsbestimmung des § 3 Punkt 3 lit. a der zitierten Wasserleitungsgebührenordnung nicht zur Anwendung.
5 Abschließend begründete das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision damit, dass keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu beurteilen gewesen wäre. Weiters sei die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls lägen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
6 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision legt ihre Zulässigkeit zusammengefasst damit dar, das angefochtene Erkenntnis habe weitreichende Folgen für die Tiroler Gemeindebürger, weil es von den Gemeinden als Leitentscheidung eingestuft werde. Selbst wenn keine Rechtsfrage von besonderer Wichtigkeit vorliegen sollte, stütze der Revisionswerber die Zulässigkeit seiner Revision auf das Fehlen einer (einheitlichen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Frage, ob der Neubau eines Gebäudes auf einem bereits erschlossenen Grundstück eine Gebührenpflicht entstehen lasse, insbesondere dann, wenn der Neubau nicht Tatbestand der Wassergebührenordnung sei, sei vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet worden. Diesbezüglich werde insbesondere auf ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 13. Oktober 2015 betreffend die Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Ried im Zillertal verwiesen.
7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
9 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.
10 § 2 Abs. 1 der maßgebenden Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Götzens vom 10. November 2015 betreffend die Entstehung der Gebührenpflicht bestimmt, dass die Pflicht zur Entrichtung der Anschlussgebühr mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses des Grundstückes an die Gemeindewasserversorgungsanlage entsteht. Bei Zu‑ und Umbauten und bei Wiederaufbau von abgerissenen Gebäuden entsteht die Gebührenpflicht zum Zeitpunkt des Baubeginns, jedoch nur insoweit, als die neue Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.
11 Die Revision hält den im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkt aufrecht, dass § 2 Abs. 1 der Wasserleitungsgebührenordnung den Fall des Neubaues eines Gebäudes auf einem bereits erschlossenen Grundstück nicht erfasse und ein allfälliger Anspruch der Gemeinde bereits verjährt sei, weil das Grundstück bereits vor Jahrzehnten an die Gemeindewasserversorgungsanlage angeschlossen worden sei; die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erblickt die Revision in einem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Entstehens der Gebührenpflicht bei einem Neubau auf einem bereits erschlossenen Grundstück.
12 Gemäß § 2 Abs. 7 der im Revisionsfall noch maßgebenden (Tiroler) Bauordnung 2011. LGBl. Nr. 57, ist Neubau die Errichtung eines neuen Gebäudes, auch wenn nach dem Abbruch oder der Zerstörung eines Gebäudes Teile davon, wie Fundamente oder Mauern, weiterverwendet werden.
13 Nach Abs. 8 leg. cit. ist Zubau die Vergrößerung eines Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume; nach Abs. 9 leg. cit. ist Umbau die bauliche Änderung eines Gebäudes, durch die dessen Außenmaße nicht geändert werden und die geeignet ist, die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, den Brandschutz, die Energieeffizienz oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes wesentlich zu berühren.
14 Ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Erkenntnisses stellt die Errichtung des Ziegenstalls einen Neubau im Sinn des § 2 Abs. 7 leg. cit. dar.
15 Soweit nun die Revision, ausgehend von diesem Begriffsverständnis, ihre Zulässigkeit aus einem Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ableitet, übergeht sie das Erkenntnis vom 18. Dezember 1992, 89/17/0131, auf das im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, das zur Frage einer Anschlussgebühr nach der damals maßgeblichen Wasserleitungsgebührenordnung der (Tiroler) Gemeinde Ellmau für die Änderung der Baumasse eines an die Wasserleitung angeschlossenen Gebäudes folgendes ausführte:
„Aus den oben wiedergegebenen Rechtsvorschriften ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes klar, daß unter ‚Anschluß‘ an die Gemeindewasserleitung nur die ERSTE den Tatbestand für eine Wasseranschlußabgabe erfüllende Maßnahme, nicht aber eine Maßnahme, die bei grundsätzlicher Tatbildmäßigkeit eines früheren Vorganges nur darin gelegen ist, einen bereits vorhandenen Wasseranschluß durch einen neuen zu ersetzen, verstanden werden kann. Dies geht insbesondere auch aus der Regelung des § 2 Abs. 1 zweiter Halbsatz der Wasseranschlußgebührenordnung hervor. Nicht ein ‚Neubau‘ schlechthin löst die Gebührenpflicht aus, sondern die Erhöhung der Bemessungsgrundlage DURCH den ‚Neubau‘. Derartige Erweiterungsmaßnahmen (bezogen auf die Bemessungsgrundlage) stellen daher INHALTLICH den Gegenstand einer sogenannten ‚Ergänzungsgebühr‘ ‑ ein in der Rechtssprache geläufiger Begriff, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend anmerkt ‑ zur Wasseranschlußabgabe dar; auf die Bezeichnung im Bescheid kommt es dabei nicht an.
Es ist der Beschwerdeführerin zuzugeben, daß nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 5 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr 43/1978, unter Neubau die Errichtung eines neuen Gebäudes, auch wenn nach Abtragung eines Gebäudes Teile dieses Gebäudes, wie Fundamente oder Mauern, wiederverwendet werden, zu verstehen ist; während nach § 3 Abs. 6 TBO ein Zubau die Vergrößerung eines bestehenden Gebäudes durch die Herstellung neuer oder die Erweiterung bestehender Räume ist.
Wenn ‑ wie bei der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage ‑ bei Berechnung der Gebühr auf die Masse des umbauten Raumes (neben anderen Kriterien wie etwa die Art eines Betriebes) abgestellt wird, so vermag der Verwaltungsgerichtshof eine derartige Regelung nicht als unsachlich zu finden (vgl. dazu unter anderem VfSlg. 10947; in VfSlg. 8998/1980 hat der Verfassungsgerichtshof das Abstellen auch der Wasserverbrauchsgebühren auf die Wohnungs‑ bzw. Betriebsgröße nicht als unsachlich gefunden).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber eine sachliche Rechtfertigung dafür nicht zu finden, daß die Erhöhung der Baumasse nur im Falle eines ‚Neubaues‘ (im baurechtlichen Sinn) Gegenstand einer (inhaltlich gesehen) ‚Ergänzungsgebühr‘ sein soll. Ausgehend davon, daß die Baumasse Maßstab der Bemessungsgrundlage für die Wasseranschlußgebühr ist, kann kein vernünftiger Grund gefunden werden, daß ein und dieselbe Erhöhung der Baumasse hinsichtlich der Verpflichtung zur Leistung einer Gebühr davon abhängen soll, ob diese durch einen ‚Neubau‘ oder durch einen ‚Zubau‘ (im Sinne der Begriffsbestimmung der TBO) erfolgt ist. Die unterschiedliche Behandlung von Neubauten und Zubauten ist baurechtlich von Bedeutung. Ein Sachzusammenhang mit der Leistung von Ergänzungsgebühren zur Wasseranschlußgebühr besteht aber nicht.
Der Begriff des ‚Neubaues‘ ist nicht zwingend jener der baurechtlichen Vorschriften. Unter ‚Neubau‘ kann auch (ganz allgemein) die Schaffung einer neuen Bausubstanz verstanden werden. Ist aber eine generelle Norm einer Auslegung zugänglich, die verfassungswidrige Ergebnisse vermeidet, so ist diese zu wählen.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich daher, daß unter den in § 2 Abs. 1 zweiter Halbsatz der Wasserleitungsgebührenordnung genannten ‚Neubauten‘ auch Zubauten (im baurechtlichen Sinne) zu verstehen sind. Diese Auslegung ist möglich; nur sie ist bei gegebener Rechtslage auch verfassungskonform. ...“
16 Überträgt man diese Erwägungen des zitierten Erkenntnisses vom 18. Dezember 1992 auf den vorliegenden Revisionsfall, folgt daraus, dass die Unterscheidung von Neu‑, Zu‑ und Umbauten baurechtlich von Bedeutung ist, ein Sachzusammenhang mit der Leistung einer Wasseranschlussgebühr aber nicht besteht. Vielmehr sind die Begriffe „Zu‑ und Umbauten“, losgelöst vom Begriffsverständnis der (hier maßgebenden) Bauordnung 2011, als jede Veränderung der auf einem angeschlossenen Grundstück bereits vorhandenen Baumasse, sei es auch durch (Neu-)Bau eines selbständigen Gebäudes, zu verstehen, um das unsachliche Auslegungsergebnis zu vermeiden, dass die nachträgliche Vergrößerung der Bausubstanz durch einen Neubau im baurechtlichen Sinne im Gegensatz zu einer solchen durch Zu- und Umbauten ohne sachliche Rechtfertigung nicht erfasst wäre.
17 Das Verwaltungsgericht folgte im angefochtenen Erkenntnis im Ergebnis den Erwägungen des zitierten Erkenntnisses vom 18. Dezember 1992. Damit wirft die Frage der Auslegung des § 2 Abs. 1 der Wasserleitungsgebührenordnung der Gemeinde Götzens keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung mehr auf.
18 Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
19 Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 18. August 2020
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