VwGH Ro 2020/16/0002

VwGHRo 2020/16/000215.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Revisionssache der A GmbH in R, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 30. September 2019, Zl. RV/3300005/2019, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde i.A. Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Landeck Reutte als Finanzstrafbehörde), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
FinStrG §150 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020160002.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Spruchsenates III beim Finanzamt Innsbruck als Organ des Finanzamtes Landeck Reutte vom 20. November 2018 wurde über die revisionswerbende Partei als belangten Verband im Sinn des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes wegen einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG eine „Geldbuße“ gemäß § 49 Abs. 2 leg. cit. in der Höhe von € 19.000,‑ verhängt und die Kosten für das Strafverfahren gemäß § 185 FinStrG mit € 500,‑ bestimmt.

2 Am 28. Jänner 2019 wurde der revisionswerbenden Partei die gekürzte schriftliche Ausfertigung dieses Erkenntnisses vom 20. November 2018 zugestellt.

3 Die revisionswerbende Partei erhob mit Schreiben vom 11. Februar 2019 Beschwerde gegen dieses Erkenntnis. Begründend führte sie aus, der Geschäftsführerund der Verteidiger der revisionswerbenden Partei hätten in der mündlichen Verhandlung am 20. November 2018 unmissverständlich zu Protokoll gegeben, dass sie das verkündete Ergebnis mit Beschwerde bekämpfen werden. Deshalb sei die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen und die Einbringung der Beschwerde erfolge fristgerecht.

4 Mit Bescheid vom 18. März 2019 wies das Finanzamt Landeck Reutte als Finanzstrafbehörde die Beschwerde als verspätet zurück. Begründend führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, dass keine Anmeldung der Beschwerde erfolgt und auch keine Beschwerde zu Protokoll gegeben worden sei. Entsprechend der Niederschrift über die Verhandlung vom 20. November 2018 sei nach Verkündung des Erkenntnisses samt den wesentlichen Entscheidungsgründen sowie der Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung weder durch den Verteidiger der revisionswerbenden Partei noch durch den Amtsbeauftragten eine Erklärung abgegeben worden. Mangels fristgerechter Rechtsmittelanmeldung gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG sei die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei wies das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig.

6 Das Bundesfinanzgericht legte seiner Entscheidung den Sachverhalt zu Grunde, dass sich der Geschäftsführer der revisionswerbenden Partei vor Beginn der Beratung des Spruchsenats nicht schuldig bekannt habe. Nach der Verkündung des Erkenntnisses habe der Vorsitzende des Spruchsenats für die Beteiligten vernehmlich den Wortlaut „Keine Erklärung des Verteidigers“ diktiert. Den anwesenden Personen sei während der Verhandlung der in die Niederschrift aufgenommene Inhalt bekannt gewesen und sie hätten in der Verhandlung dagegen keine Einwendungen erhoben. Irgendwelche Äußerungen in Richtung Anmeldung oder Einbringung eines Rechtsmittels seien der (materiell richtigen) Niederschrift nicht zu entnehmen. Nach der Verhandlung habe der Verteidiger der revisionswerbenden Partei am Gang des Finanzamtes zum Amtsbeauftragten gesagt, dass die revisionswerbende Partei „keinen Cent“ bezahlen werde. Innerhalb der Anmeldungsfrist sei keine schriftliche Beschwerdeanmeldung erfolgt.

7 Das Bundesfinanzgericht ging in seiner Beweiswürdigung eingehend auf die Niederschrift und die ihr zu Grunde liegende Tonaufnahme der Verhandlung vom 20. November 2018 sowie auf eine am 22. Mai 2019 abgehaltene Besprechung der Mitglieder des Spruchsenats mit dem Amtsbeauftragten, dem Schriftführer sowie dem Verteidiger der revisionswerbenden Partei ein und kam zum Ergebnis, dass eine Beschwerdeanmeldung nicht erklärt und ein Beweis für die Unrichtigkeit der Niederschrift über die Verhandlung nicht erbracht worden sei.

8 Rechtlich folgerte das Bundesfinanzgericht, das Finanzamt habe die nicht angemeldete Beschwerde zu Recht zurückgewiesen. Die vor der Beratung des Spruchsenats geäußerte Verantwortung des Geschäftsführers der revisionswerbenden Partei, sich nicht schuldig zu bekennen, stelle keine Erklärung einer Beschwerdeanmeldung dar. Das Gespräch des Verteidigers mit dem Amtsbeauftragten im Anschluss an die mündliche Verhandlung außerhalb des Verhandlungssaales könne weder als schriftliche noch als mündlich zu Protokoll erklärte Anmeldung einer Beschwerde gesehen werden. Das Unterlassen der Verlesung der Niederschrift sei kein Verfahrensmangel, weil in der Niederschrift festgehalten worden sei, dass der Inhalt der Verhandlung für alle hörbar diktiert werde.

9 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Bundesfinanzgericht damit, dass es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gebe, ob eine Beschwerdeanmeldung erst nach Verkündung des Erkenntnisses erfolgen könne und eine bereits zuvor (gemeint: vor der Verkündung) erfolgte Anmeldung daher unwirksam sei.

10 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision, zu der eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erweist sich als nicht zulässig.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

14 Auf die vom Bundesfinanzgericht genannte Rechtsfrage, ob eine Beschwerdeanmeldung gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG erst nach Verkündung des Erkenntnisses erfolgen könne und eine bereits zuvor (gemeint: vor der Verkündung) erfolgte Anmeldung daher unwirksam sei, kommt es nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis nicht an. Das Bundesfinanzgericht sah die (einzige vor der Beratung des Spruchsenats relevierte) Äußerung des Geschäftsführers der revisionswerbenden Partei, sich nicht schuldig zu bekennen, nicht als Erklärung einer Beschwerdeanmeldung an. Eine derartige Interpretation einer Parteierklärung im Einzelfall wäre im Übrigen nur revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 7.5.2020, Ra 2018/16/0042, mwN), was hier nicht zu sehen ist und auch nicht als grundsätzliche Rechtsfrage geltend gemacht wurde. Da eine Anmeldung einer Beschwerde nicht erklärt wurde, hängt die Revision nicht von der gestellten Rechtsfrage ab, ob eine wirksame Beschwerdeanmeldung vor der Verkündung des Erkenntnisses überhaupt möglich ist.

15 Andere Rechtsfragen wurden auch von der revisionswerbenden Partei nicht aufgezeigt, wozu sie verpflichtet wäre, wenn sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder wenn sie eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Ro 2019/20/0005, mwN).

16 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 2020

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