VwGH Ra 2020/14/0314

VwGHRa 2020/14/031414.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in der Revisionssache des A B in C, vertreten durch Mag. Helmut Hirsch, Rechtsanwalt in 8074 Raaba‑Grambach, Josef Krainer‑Straße 46/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 2020, W105 2206944‑2/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140314.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 12. August 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27. August 2018 wurde dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 27. August 2019 erteilt.

3 Am 3. Juni 2019 brachte der Revisionswerber einen Antrag auf Verlängerung der ihm erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung ein.

4 Mit Bescheid vom 31. Juli 2019 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 ab und entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung. Weiters wies es den Antrag des Revisionswerbers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 29.5.2020, Ra 2019/14/0405, mwN).

10 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Annahme des BVwG, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mogadischu, deren Inanspruchnahme ihm auch zumutbar sei, offen.

11 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. VwGH 5.7.2019, Ra 2019/01/0227 bis 0228, mwN).

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative letztlich eine ‑ von der Asylbehörde bzw. dem Verwaltungsgericht zu treffende ‑ Entscheidung im Einzelfall dar, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu treffen ist (vgl. etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/20/0273, mwN).

13 Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz‑ und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0192, mwN).

14 Das BVwG traf fallbezogen hinreichend aktuelle Feststellungen zur Situation in der Stadt Mogadischu (Sicherheits‑ und Versorgungslage) sowie zu deren sicheren Erreichbarkeit und setzte sich mit den individuellen Umständen des Revisionswerbers auseinander. In diesem Zusammenhang verwies das BVwG unter anderem darauf, dass es sich beim Revisionswerber um einen ledigen, gesunden, arbeits‑ und erwerbsfähigen Mann, der über Schulbildung verfüge, handle und dem die Unterstützung durch Hilfsorganisationen freistünde, was vom Revisionswerber nicht bestritten wird. Den Erwägungen des Gerichts vermag die Revision, die sich insbesondere nur pauschal auf eine prekäre Sicherheitslage in Somalia sowie in Mogadischu und der durch die Covid‑19‑Pandemie bewirkten schwierigeren wirtschaftlichen Lage beruft, nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Der Revision gelingt es mit ihren Ausführungen nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des BVwG im konkreten Fall unvertretbar erfolgt wäre.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 14. September 2020

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