VwGH Ra 2020/03/0077

VwGHRa 2020/03/007729.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei Ausschuss der Rechtsanwaltskammer für Kärnten in K, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 9. März 2020, Zl. KLVwG‑2561/10/2019, betreffend Vergütungsanspruch nach RAO (mitbeteiligte Partei: Mag. G H in K, vertreten durch Mag. Ulrike Pöchinger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Wipplingerstraße 13/1/5), den Beschluss gefasst:

Normen

RAO 1868 §16 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030077.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die belangte Behörde hatte den Antrag des Mitbeteiligten vom 27. Februar 2019 auf Zuspruch einer Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO („Ergänzungsantrag zum Vergütungsbegehren vom 12.03.2018 über die nach dem Abrechnungszeitpunkt vom 31.03.2018 für Dr. K im Verfahren ‚H/B‘ erbrachte Verfahrenshilfeleistung“) mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 gemäß § 16 Abs. 4 und § 28 Abs. 1 lit. i RAO abgewiesen. Der Mitbeteiligte sei in näher genannten (durch die Geschäftszahl identifizierten) Strafverfahren des Landesgerichtes K (LGK) mit durch die Geschäftszahl genannten Bescheiden der belangten Behörde zum Verteidiger gemäß § 61 Abs. 2 StPO des Angeklagten Dr. K bestellt worden. Mit seinem Ergänzungsantrag vom 27. Februar 2019 habe der Mitbeteiligte die ergänzende Berücksichtigung der im Verfahren „H/B“ zu 14 Hv 109/15p des LG K erbrachten Verfahrenshilfeleistungen beantragt. Da zur genannten Zahl bei der belangten Behörde kein korrespondierender Verfahrenshilfebescheid geführt werde, sei der Mitbeteiligte ersucht worden, bekanntzugeben, welche Verfahrenshilfesache er insoweit als einschlägig ansehe. Er habe sich dazu auf die Verfahrenshilfesache VS 192/16 berufen und eine Note des LG K vorgelegt, mit der er „offenbar auch bei den Fakten ‚H/B‘ einbezogen wurde“. Es gebe jedoch „weder einen entsprechenden gerichtlichen Bestellungsbeschluss noch einen Bestellungsbescheid [der belangten Behörde] gemäß § 45 RAO“. Da der Mitbeteiligte „für das Verfahren 14 Hv 109/15p des LG K“ nicht gemäß § 45 RAO zum Verfahrenshelfer bestellt worden war, sei sein Antrag schon deshalb abzuweisen gewesen.

2 Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde, in der er u.a. geltend machte, die von ihm genannte Geschäftszahl 14 Hv 109/15p hätte richtig lauten sollen 14 Hv 109/15f; zu dieser Zahl sei die Anklageschrift zugestellt worden; dieser Zitierirrtum wäre leicht aufzulösen gewesen, zumal der Vergütungsantrag durch die im Verfahren „H/B“ erbrachten Leistungen ‑ unabhängig von in der Folge wechselnden gerichtlichen Geschäftszahlen (zuletzt sei das Verfahren zu GZ 73 Hv 59/17i geführt worden) ‑ identifiziert worden sei. Der Mitbeteiligte sei auch für dieses Verfahren zum Verfahrenshelfer des Dr. K bestellt worden.

3 Mit dem nun in Revision gezogenen Beschluss wurde der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurückverwiesen; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

4 Dem legte das Verwaltungsgericht ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ Folgendes zu Grunde:

5 Der Vergütungsantrag vom 27. Februar 2019 beziehe sich erkennbar auf eine Vergütung der Leistungen im Gerichtsverfahren zur GZ 73 Hv 59/17i (Strafsache „H/B“). Damit sei Gegenstand der zu treffenden Entscheidung lediglich dieser Antrag; das Verwaltungsgericht nannte dazu den Beschluss des LG K vom 3. September 2018 über die Fristverlängerung hinsichtlich der Gegenausführung zu einer Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und den danach vom Mitbeteiligten eingebrachten Schriftsatz.

6 In § 28 VwGVG sei ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, eine Zurückverweisung komme nur in sehr engen Grenzen in Betracht (Verweis auf näher zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).

7 Im vorliegenden Fall stehe der verfahrensgegenständliche Ergänzungsantrag in unmittelbarem inhaltlichem Konnex zum Vergütungsantrag vom 12. März 2018, zumal sich beide Anträge auf das Verfahren „H/B“ bezögen. Das Verfahren über diesen Hauptantrag sei noch offen und es seien von der belangten Behörde noch keine hinreichenden Ermittlungen zur Angelegenheit „H/B“ vorgenommen worden, um die Sache zu entscheiden. Zudem habe die belangte Behörde ein vom Antrag abweichendes Verfahren ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt, indem sie auf das Gerichtsverfahren zur GZ 14 Hv 109/15p Bezug genommen habe.

8 Im fortzuführenden Verfahren werde die belangte Behörde Ermittlungen zum Gerichtsverfahren zur GZ 73 Hv 59/17i (Strafsache „H/B“) vorzunehmen haben, um zu klären, ob dem Mitbeteiligten in diesem Verfahren ein Vergütungsanspruch für die im Hauptantrag und im Ergänzungsantrag geltend gemachten Leistungen zusteht. Somit liege die Zurückverweisung auch im verfahrensökonomischen Interesse, weil die belangte Behörde gleichzeitig mit der Entscheidung über den Hauptantrag auch den vorliegenden Ergänzungsantrag miterledigen könnte.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche ‑ Revision.

10 Sie macht zur Zulässigkeit und in der Sache im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs in mehrfacher Weise abgewichen: Mit seiner Auffassung, es wäre von der belangten Behörde über einen Vergütungsanspruch für die im Hauptantrag und im Ergänzungsantrag geltend gemachten Leistungen zu entscheiden, werde verkannt, dass dem § 16 Abs. 4 RAO eine jahresweise Betrachtung zu Grunde liege (Verweis auf VwGH 11.7.2019, Ra 2019/03/0013). Die mit dem nun verfahrensgegenständlichen Ergänzungsantrag vom 27. Februar 2019 verzeichnete Leistung, nämlich das Tätigwerden im Zusammenhang mit der Gegenäußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft vom 24. Oktober 2018, liege jedenfalls außerhalb der Jahresfrist des Hauptantrags vom 12. März 2018. Zudem lägen die von der (näher zitierten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs für die Zulässigkeit der Aufhebung und Zurückverweisung iSd § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG geforderten krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken nicht vor: Zu den Fakten „H/B“ gäbe es keinen korrespondierenden Bestellungsbescheid, was durch einen „Blick in die Verwaltungsakten“ festgestellt hätte werden können; schon deshalb sei der Vergütungsantrag des Mitbeteiligten abzuweisen gewesen.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Mit dem danach maßgeblichen Vorbringen der Revision zur Zulässigkeit wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicherBedeutung zu lösen hätte.

15 Mit dem verfahrenseinleitenden, als „Ergänzungsantrag zum Vergütungsbegehren vom 12.03.2018“ bezeichneten Antrag vom 27. Februar 2019 hatte der Mitbeteiligte den Zuspruch einer Vergütung nach § 16 Abs. 4 RAO für die von ihm als Verfahrenshelfer des Dr. K im Gerichtsverfahren des Landesgerichtes K betreffend die Strafsache „H/B“ erbrachten anwaltlichen Leistungen nach dem 31. März 2018 beantragt. Die im Schriftsatz vom 27. Februar 2019 falsch zitierte Geschäftszahl des Gerichts habe, so der Mitbeteiligte in seiner Beschwerde unter Hinweis auf von ihm vorgelegte Urkunden, richtig 14 Hv 109/15f gelautet; zuletzt sei das Verfahren unter der Geschäftszahl 73 Hv 59/17i geführt worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 9. März 2020 konkretisierte der Mitbeteiligte den Vergütungsantrag dahin, dass er sich auf seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Gegenäußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft beziehe. Der Aktenlage nach wurde dem Mitbeteiligten mit Beschluss des Landesgerichts K vom 3. September 2018 gemäß § 285 Abs. 2 StPO die Frist zur Gegenausführung um sechs Wochen verlängert und von ihm die Gegenausführung am 24. Oktober 2018 erstattet.

16 Vor diesem Hintergrund trifft es, anders als das Verwaltungsgericht vermeint, nicht zu, dass zwischen dem revisionsgegenständlichen Vergütungsantrag und dem „Hauptantrag“, also dem Vergütungsantrag vom 12. März 2018, ein „unmittelbarer inhaltlicher Konnex“ besteht:

17 Der Vergütungsregelung nach § 16 Abs. 4 RAO liegt eine jahresweise Betrachtung zu Grunde (vgl. zuletzt VwGH 11.7.2019, Ra 2019/03/0013). Zur Bemessung des Anspruchs nach § 16 Abs. 4 RAO ist zudem nur auf das einzelne Verfahren abzustellen, es sind aber nicht etwa alle während eines Jahres erbrachten Verfahrenshilfeleistungen in einzelnen Verfahren zusammenzuzählen, was auch dann gilt, wenn die selbständig geführten Verfahren in einem Zusammenhang stehen (vgl. VwGH 13.9.2016, Ra 2015/03/0088).

18 Entscheidend für den Vergütungsanspruch des Mitbeteiligten ist also, dass er in dem Verfahren, für das er als Verfahrenshelfer bestellt wurde, im maßgeblichen Zeitraum nach § 16 Abs. 4 RAO über den Schwellenwert von zehn Verhandlungstagen bzw. 50 Verhandlungsstunden hinaus (gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Anrechnungsregel nach § 16 Abs. 4 Satz 2 RAO) tätig war und dass der Anspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 16 Abs. 4 Satz 3 RAO geltend gemacht wurde; letzteres ist hier, wo sich der Vergütungsantrag vom 27. Februar 2019 auf eine Tätigkeit vom Oktober 2018, nämlich die Erstellung der Gegenäußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, bezieht, nicht zu bezweifeln.

19 Die belangte Behörde hatte sich in ihrem Bescheid vom 9. Oktober 2019 mit der Feststellung begnügt, der Mitbeteiligte sei für das Verfahren 14 Hv 109/15p nicht zum Verfahrenshelfer bestellt worden; schon deshalb sei sein Antrag abzuweisen gewesen. Eine klare Feststellung, er sei in dem Verfahren „H/B“, in dem der Mitbeteiligte eine Gegenäußerung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erstattet hat, deren Honorierung nach § 16 Abs. 4 RAO er im revisionsgegenständlichen Verfahren über den „Ergänzungsantrag“ geltend gemacht hat, nicht als Verfahrenshelfer tätig geworden, wurde allerdings nicht getroffen.

20 Das Verwaltungsgericht demgegenüber hat (wenngleich ‑ ebenso ‑ ohne entsprechende klare Feststellung) seiner nun in Revision gezogenen Entscheidung offenbar zu Grunde gelegt, der Mitbeteiligte sei im Verfahren „H/B“ als Verfahrenshelfer des Dr. K tätig geworden. Mangels hinreichender Ermittlungen der belangten Behörde zum geltend gemachten Vergütungsanspruch bestünden die Aufhebung und Zurückverweisung iSd § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigende Ermittlungslücken.

21 Vor diesem Hintergrund in Verbindung mit der Aktenlage ist die Auffassung des Verwaltungsgerichts, am Maßstab der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 28 VwGVG (vgl. dazu grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, und die daran anknüpfende Folgejudikatur, etwa VwGH 25.2.2020, Ra 2020/03/0003) sei im vorliegenden Fall eine Ausnahme von der meritorischen Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts gegeben gewesen, weil besonders gravierende Ermittlungslücken bestanden, noch vertretbar. Auch wenn der vom Verwaltungsgericht für die von ihm vorgenommene Aufhebung samt Zurückverweisung primär geltend gemachte Konnex mit dem Hauptverfahren nach dem oben Gesagten nicht besteht, ist das weitere Argument, es fehle an ausreichenden Ermittlungen im Verfahren über den nun gegenständlichen Antrag, doch stichhaltig: Von der belangten Behörde wurden, ausgehend von der Auffassung, der Vergütungsantrag beziehe sich auf das Verfahren 14 Hv 109/15p, in welchem der Mitbeteiligte nicht als Verfahrenshelfer bestellt worden war, zur Frage, ob der Mitbeteiligte über die Schwelle des § 16 Abs. 4 RAO hinausgehende Leistungen erbracht hat, ebensowenig Feststellungen getroffen wie zur Höhe einer dafür angemessenen Vergütung. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist auf Basis des Vorbringens des Mitbeteiligten und der Aktenlage nicht ohne weiteres zu erkennen, dass der Mitbeteiligte im Verfahren „H/B“, in dem er die in Rede stehende Gegenäußerung erstattet hat, nicht zum Verfahrenshelfer des Dr. K bestellt worden ist. Wurde der Mitbeteiligte aber als Verfahrenshelfer tätig, wären diese weitergehenden Feststellungen erforderlich, um über seinen Antrag entscheiden zu können.

22 Wenn das Verwaltungsgericht die aufgezeigten Feststellungsmängel als so gravierend beurteilt hat, dass sie ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen, wurden demnach die sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ergebenden Leitlinien zu § 28 VwGVG nicht überschritten.

23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juli 2020

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